Freiberufliche Geburtshelferinnen: Hilfe für Hebammen
Selbstständige Geburtshelferinnen sehen ihren Berufsstand in Gefahr. Nun verspricht Gesundheitsminister Hermann Gröhe eine Lösung.
BERLIN taz | Was als Kennenlernen gedacht war, wurde zum hektischen Arbeitstreffen: Als am Dienstagnachmittag die Vertreterinnen der Hebammen zum Antrittsbesuch bei Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) eintrafen, war die Stimmung angespannt. Die Zeit drängt: Denn selbstständigen Geburtshelferinnen droht ein schwerwiegendes Problem – ab Mitte 2015 haben sie keinen Versicherungsschutz mehr. Sie sehen ihren Berufsstand in Gefahr.
5.091 Euro muss eine selbstständige Hebamme ab Sommer jährlich für ihre Haftpflichtversicherung zahlen. Für diese Summe müsste sie die Geburten von 15,41 Kindern in Belegbetten begleiten. Zudem will kaum ein Versicherer den Risikoberuf Hebamme noch übernehmen.
Jetzt steigt einer der letzten Anbieter, die Nürnberger Versicherung, aus einem Konsortium aus. Mehr als 10.000 freiberufliche Hebammen stünden damit ab Sommer 2015 vor dem beruflichen Aus, denn ohne Versicherung dürfen sie nicht arbeiten. Martina Klenk, Präsidentin des Deutschen Hebammenverbands, spricht von einem „Berufsverbot“.
Eine Hebamme zu versichern, kann teuer werden: Mit bis zu sechs Millionen Euro haftet der Versicherer, alles darüber hinaus zahlt die Hebamme aus eigener Tasche. Weil die Summen so groß sind, bietet keine Versicherung allein eine solche Haftpflicht an. Die Nürnberger Versicherung, die jetzt aussteigt, die Versicherungskammer Bayern und die R+V hatten sich deshalb zu einem Konsortium zusammengeschlossen – so werden sonst große Sturm- oder Erdbebenschäden abgesichert. Verlassen die Nürnberger nun das Konsortium, bricht die letzte Versicherung für Hebammen in sich zusammen.
Der Deutsche Hebammenverband hatte daher beim Treffen mit dem Minister ein Bündel von Forderungen im Gepäck: Er wünscht sich unter anderem einen staatlich finanzierten Haftungsfonds, der ab einer bestimmten Höhe greift.
„Konstruktive Gespräche“
Haftpflichtversicherungen für Hebammen sind auch deshalb unbeliebt, weil die Regresssummen so hoch sind: Läuft bei einer Geburt irgendwas schief, klagen die Krankenversicherer der Geschädigten schnell Millionensummen von den Hebammen und ihren Haftpflichtversocherungen ein. Deshalb wünscht sich Klenk vom Hebammenverband langfristig ein neues Regresssystem – mit einer Obergrenze.
Nach dem Treffen im Ministerium sprachen beide Seiten am Mittwoch von „konstruktiven Gesprächen“. Das Ministerium verwies zudem auf den Koalitionsvertrag, demzufolge die „flächendeckende Versorgung mit Geburtshilfe sicherzustellen ist“. Man stehe im Kontakt mit anderen Ministerien und der Versicherungswirtschaft und suche nach Lösungen.
Seit vergangenen Jahr beschäftigt sich außerdem eine Arbeitsgruppe, in der Vertreter mehrerer Ministerien sitzen, mit dem Problem. Ihr Abschlussbericht, den Gröhe zur Grundlage für kommende Hebammen-Reformen nehmen will, wird in den kommenden Wochen erwartet. Die Probleme mit den Versicherungen waren heute außerdem Thema im Gesundheitsausschuss des Bundestages.
Schon seit Jahren beklagen die Hebammen die steigenden Versicherungskosten: Die Prämien schnellten von rund 400 Euro im Jahr 2000 in die Höhe auf mittlerweile mehr als das Zehnfache.
Leser*innenkommentare
Faltbrot
Gast
Wer fragt eigentlich woher die immense Steigerung der Haftpflichtversicherung kommt ?
Worauf beruht diese ?
Wie funktioniert es in Holland wo laut Aussagen unserer Hebamme ,die meisten Geburten Hausgeburten sind.
nihi.list
Gast
Das Problem ist der zunehmende Trend zu Hausgeburten, die dann durch Hebammen betreut werden.
Wenn aber bei der Geburt dann etwas schiefgeht, vergeht viel Zeit, bis das Kind medizinisch behandelt werden kann; im Gegensatz zur Geburt im Krankenhaus.
Diese fehlende Zeit bedingt somit statistisch ernsthaftere Schäden beim Kind.
Somit sind die Versicherungsprämien für Hebammen natürlich, entsprechend dem erhöhten Risiko, gestiegen.
Ein mögliche Lösung wäre demnach, dass die Hebamme bei Hausgeburten durch die Eltern von allen finanziellen Risiken entbunden wird. Oder, dass Geburten eben im Krankenhaus stattfinden.
Susanne KK
Gast
Hier vielleicht noch ein paar Zahlen zur (leicht ansteigenden) Müttersterblichkeit in Deutschland:
"In den Jahren 2001 bis 2010 gab es keinen einizigen mütterlichen Todesfall in der außerklinischen Geburtshilfe, auch nicht bei Frauen, die in die Klinik verlegt werden mussten. (Quelle: quag) Trotzdem ist die außerklinische Geburt nur in vielen und nicht in allen Fällen eine sehr sichere Art, ein Kind zur Welt zu bringen.
Eine der vermeidbarsten Todesfälle ist eine Verblutung nach dem Kaiserschnitt durch eine unzureichende Versorgung nach der Geburt. In den Jahren 2001 bis 2008 starben in Bayern 12 Frauen nach vaginaler und 34 Frauen nach einer Schnittentbindung. (Quelle: BGGF)"Vielleicht überdenken Sie (Hihi.List) nochmals Ihre Meinung.
Bebè-Art
Gast
Wieviel Kinder wurden denn von Ihnen schon im Krankenhaus geboren? Eine Hebamme ist nicht nur für die Geburt zuständig. Sie ist auch wichtig in der Vor und Nachsorge. Ohne eine Hebamme, mit durstigen Ärzten und Schwestern, möchte keiner Kinder gebären.
Ihnen scheint nicht bewusst zu sein was eine Hebamme oder Geburtshelfer alles in einer Schwangerschaft, Geburt und Stillzeit leistet.
Erst denken und dann schreiben!
Susanne KK
Gast
@nihi.list Haben Sie für Ihre Hypothese, die Hausgeburten seien die Wurzel des Problems, irgendwelche Belege? Diese würden mich durchaus sehr interessieren.
Daniel Herz
Gast
@Na Sowas
Privat betriebene Atomkraftwerke, aber der Staat soll haften?
Privat betriebene Banken, aber der Staat soll haften?
Gehts noch?
Dann greift der Staat halt nicht ein. Mal sehen, wie laut alle brüllen, wenns keine Vor- und Nachbereitung von Geburten mehr gibt. Oder die Kosten der Versicherungen auf die werdenden Mütter umgelegt werden (müssen).
Na sowas
Gast
@Daniel Herz Für Atomkraftwerke und Banken gilt das Gleiche. Entweder der private Betreiber kann haften, oder er hat die Finger davon zu lassen.
Na sowas
Gast
Freiberufliche Tätigkeit, aber der Staat soll haften? Gehts noch?
Rollgardina
Gast
Freiberuflich heißt für Hebammen : 24 Stunden am Tag erreichbar , manchmal 200 km am Tag fahren , einen Stundenlohn der noch nicht mal den Mindestlohn erreicht einfahren .Viele Krankenhäuser leisten sich nicht mal mehr eigene angestellte Hebammen , sondern greifen auf freibreufliche Beleghebammen zurück . Wohin sollen Frauen denn überhaupt noch hin , um ihre Kinder zur Welt zu bringen ?
Abgesehen davon : wenn die freiberuflichen Hebammen , die ihre Versicherung auch selber zahlen müssen , aufgeben gibt es keine Bertreuung mehr für Schwangere ,Wöchnerinnen und Neugeborene . Was dann ??? Frauen wieder 4 Wochen ins Krankenhaus .
Eine Gesellschaft ,die nicht bereit ist den Frauen und Kindern eine angemessene und vor allem kompetente Betreuung zu gewährleisten hat keine Kinder verdient .
Auch in Krankenhäusern geschehen Fehler, von Ärzten - bloß können die sich besser gegen Regressansprüche wehren als Hebammen .
Hebammenbetreuung für Frauen und Kinder gehört zur Daseinsvorsorge !
PS.. früher - so vor 100 Jahren -gab es für Hebammen in manchen Gemeinden auch das sogenannte Wartegeld : ein ständiges Einkommen , gleich wie viele Kinder geboren wurden .
Prima T.
Gast
Wenn die Versicherungsprämien so in die Höhe schnellen, muss doch der Grund in der Schadensstatistik zu suchen sein. Was ist denn da los?
Storchi
Gast
Es gibt nicht mehr Schadensfälle, aufgrund der besseren Medizinischen Möglichkeiten können heutzutage jedoch geschädigte Kinder deutlich länger leben, somit deutlich höhere Summen die ausgezahlt werden. Die Erhöhung kommt durch die Erhöhung der Lebenserwartung behinderter Kinder. So hart es klingt, ein totes Kind ist billig, ein behindertes Kind sehr teuer für die Versicherungen.
Nicht direkt dazu gehörig aber auch paradox ist, das behinderte Kinder bis zum Termin abgetrieben werden können, vermeintlich gesunde Kinder ab der 22 SSW am Leben gehalten werden, auch wenn dieser Frühstart ins Leben meistens schwerwiegende Behinderungen mit sich bringt. Auf der einen Seite wird das Leben des Kindes als nicht lebenswert angesehen, auf der anderen Seite wird ein Kind intensivmedizinisch betreut was sonst so gar nicht lebensfähig wäre