Freiberufler und Coronakrise: Berlins Prekariat ist krisenerprobt
Gut gelaunt in den Abgrund: Freiberufler sind besonders von der Pandemie betroffen – und bleiben dank schneller Hilfe dennoch optimistisch.
D as Berliner Prekariat ist krisenerprobt. Viele sind zu einer Zeit in die Stadt gekommen, als die Mieten noch das kleinere Problem waren. Sie sind nach Berlin gegangen, weil sie sich hier mehr als irgendwo anders auf der Welt in Projekte stürzen konnten, für die man nicht unbedingt ausgefuchste Businesspläne parat haben musste.
Wenn man sich mit einigen von Berlins rund 200.000 Freiberuflern unterhält, bekommt man viele Einblicke: etwa, dass sie Probleme mit dem Finanzamt haben, weil ihre Unternehmen zwar seit 20 oder 25 Jahren bestehen, aber eigentlich Liebhaberei seien. Verwunderte Beamte hätten gefragt, wie man denn von diesen Beträgen leben könne.
Andere erzählten, wie sie nie aufhören konnten, immer mal wieder alles aus dem Geldautomaten zu ziehen, was der Dispo hergibt, um die nächste weltverändernde Idee zu realisieren. Dann aber habe leider ganz plötzlich das unverzichtbare Telefon wegen unbezahlter Rechnungen nicht mehr funktioniert. Und man habe sich am Monatsende regelmäßig die Frage gestellt, warum die Monate immer so schnell vorbeigehen und woher um alles in der Welt die Miete kommen soll.
Es ist immer schwieriger in Berlin, das längst nicht mehr so arm und sexy ist wie in den Neunzigern und am Anfang des Jahrtausends, diesen unbesorgten Lebensstil aufrechtzuerhalten. Aber viele Existenzen operieren noch am Rande des Machbaren. Sie bauen auf ihren alten und darum günstigen Mietvertrag, machen einen Nebenjob, der nicht allzu wehtut, um sich die eigentliche Leidenschaft querzufinanzieren.
Sie kommen hoch erhobenen Hauptes mit weniger als dem Existenzminimum durch, kleiden sich bei Humana ein, halten Kaffee zum Mitnehmen wegen seines Preises für verzichtbaren Schnickschnack, holen sich Bücher in der Tauschstation und machen beim Flohmarkt mit. Sie kultivieren Hand- und Spanndienste im Bekanntenkreis, geben Kindern in der Nachbarschaft Nachhilfe und lassen sich von deren Eltern am Monatsende zum Abendessen einladen.
Diese Leute machen Berlin in normalen Zeiten noch immer so lebens- wie liebenswert. Und sie machen jenen Mut, die es nicht ganz so wild treiben und ihre Bilanzen ordentlicher führen, die aber in einer anderen Stadt vielleicht eher ein Leben mit Festanstellung gewählt hätten.
Für diese Leute ist die Coronakrise einerseits eine Bedrohung wie für alle anderen auch. Sie finden es ebenso seltsam, nicht zu wissen, was nächsten Monat ist, und fragen sich, wann wir wieder zu jener Normalität zurückkehren werden können, die wir jetzt schon schmerzlich vermissen. Natürlich sind sie die Ersten, denen jetzt die Puste ausgehen würde, wenn die Krise länger dauern und die finanzielle Unterstützung ausbleiben würde. Und trotzdem nehmen sie es relativ gelassen. Viele sagen immer wieder, sie hätten schon Schlimmeres erlebt und oft viel näher am Abgrund gestanden.
Soforthilfe Innerhalb weniger Tage haben der Bund und das Land Berlin in der Coronakrise mehr als 1,4 Milliarden Euro Soforthilfe an Kleinstunternehmer, Freiberufler und (Solo-)Selbstständige ausgezahlt. Laut Investitionsbank Berlin (IBB) wurden an Kleinunternehmen mit unter zehn Mitarbeiter:innen zwischen 5.000 und 15.000 Euro ausgeschüttet, 100.000 Anträge seien bislang bearbeitet worden.
Topf schon leer Seit Mittwoch werden bis zum 6. April keine Anträge mehr angenommen, teilte die Wirtschaftsverwaltung mittlerweile mit. So lange dauere es, das Programm des Landes in ein Bundesprogramm zu überführen. Der Bund hat dafür weitere 2 Milliarden Euro zugesagt. In der bislang ausgezahlten Summe stecken laut Senat etwa zur Hälfte Landesgelder. In Berlin soll es 200.000 Freiberufler geben.
Dickere Fische Für größere Unternehmen mit bis zu 250 Mitarbeiter:innen waren zinslose Darlehen bis 500.000 Euro geplant. Über 300 Millionen sind beantragt, 200 Millionen hatte der Senat in Aussicht gestellt. Hier soll nun auch der Bund helfen. (dpa, taz)
Sie nehmen diese Zeit vielleicht sogar leichter als andere, weil es endlich einmal nicht nur ihnen so geht. Und weil ihnen der Urlaub, den sie sich sonst nie leisten konnten, nun zwangsverordnet wurde. Plötzlich ist auch mal Zeit, innezuhalten, das eigene Leben zu sortieren und mal wieder darüber nachzudenken, ob es nicht der gesamten Menschheit ganz guttäte, wenn sie auch nur ein kleines bisschen mehr so ticken würde wie sie selbst.
Nicht zuletzt aber sind diese Leute auch trotz allem gerade recht gut gelaunt, weil ihnen oft zum allerersten Mal der Staat unter die Arme greift. „Ich hatte noch nie so viel Geld auf einmal auf dem Konto“, meint einer der Soloselbständigen, die die taz befragt hat. Ein anderer: „Ich habe es damals verpennt, einen Gründerkredit zu beantragen, insofern fühlt sich das jetzt umso toller an.“
Der Ladenbesitzer
Im Moment habe ich noch keine Angst, eher genieße ich die Ruhe. Seit 23 Jahren habe ich nun meinen Spielzeugladen für Neues und Recyceltes. Jetzt habe ich endlich mal Zeit, mich um Dinge zu kümmern, die sich angesammelt haben. Sortieren, aufarbeiten – und richtig ausmisten! Und ich habe viel Zeit für meine Kinder.
Vor meiner Haustür habe ich so eine Art Selbstbedienungs-Flohmarkt aufgebaut. Es gibt Preisschilder und eine Pappe mit meiner Paypal-Verbindung. Hier in der Vorstadt läuft das natürlich nicht besonders, aber vielleicht mache ich das bald auch vor meinem Laden in Prenzlauer Berg. Bisher habe ich dort eine „Warenausgabe“ eingerichtet, in der man samstags wie bei der Notapotheke bestelltes Spielzeug abholen kann.
Verkäufe über das Internet sind nicht so meine Welt, ich bin kein Computermensch. Meine Webseite habe ich vor 20 Jahren mal selbst gemacht, und sie wurde vor zwei Jahren von einem netten Nachbarn neu gebaut, weil ich nicht mal ein Impressum drin hatte. Und bei den sozialen Medien scheitere ich schon am Passwort. Natürlich rächt es sich jetzt, keinen Web-Shop zu haben, weil die Umsätze plötzlich komplett fehlen – das geht nicht lange gut.
Philipp Schünemann, Ladenbesitzer
Aber ich denke auch oft an die Worte aus der Bibel: „Sehet die Vögel unter dem Himmel an: sie säen nicht, sie ernten nicht, sie sammeln nicht in die Scheunen und euer himmlischer Vater nährt sie doch.“ Ich sorge mich weniger um mich, ich bin familiär gut eingebettet, mein Vater hält mich für einen „Lebenskünstler“ und war immer der größte Unterstützer dieser Kunst.
Und wir haben zum Glück den Rettungsschirm des Staates. Der hat mich in 23 Jahren Selbstständigkeit, in der ich durch dick und dünn ging, noch nie unterstützt. Ich finde, es ist jetzt also mal höchste Zeit. Wenn ich tatsächlich die Soforthilfe bekomme, kann ich die dringendsten Rechnungen bezahlen.
Aber ich sehe die Coronakrise auch als Riesenchance: Die Leute halten mal inne, und die Natur holt Luft – weltweit! Man muss endlich mal über diesen übertriebenen Konsum nachdenken. Und es finden sich unheimlich viele gute Ansätze für ganz neue Solidarität.
Sorgen mache ich mir weniger um uns in Deutschland. Eher um die Menschen in den Flüchtlingslagern rund um Syrien oder in den Slums in Indien, wo es nicht mal fließendes Wasser gibt. Ich wünsche mir, dass die Welt etwas aus der Krise lernt und nicht so weitermacht wie vorher.
Philipp Schünemann, 50, Inhaber von „Onkel Philipp’s Spielzeugwerkstatt“ in der Choriner Straße in Prenzlauer Berg
Die Musikerin
Ich habe klassisches Klavier studiert und gebe drei Tage in der Woche Klavierunterricht. Außerdem bin ich Sängerin. Beim Hamburger Label Audiolith Records veröffentliche ich unter dem Namen Ira Atari Elektropop und gebe Konzerte. Am 29. Mai wäre das Release-Konzert meiner neuen Single „Berlin Berlin“, die am 17. April erscheint, gewesen. Das wird nun wahrscheinlich abgesagt – so wie alle Konzerte.
Natürlich ist mit Schließung der Schulen auch sofort mein Klavierunterricht hinfällig geworden. Im Moment bekomme ich die Monatsbeiträge zwar noch gezahlt, aber niemand kann mit Sicherheit sagen, wann die Schulen wieder öffnen und der Unterricht wieder stattfinden kann. Ich bin sehr froh, dass ich einige Schüler habe, die mir mitgeteilt haben, dass sie weiterhin ihre Beiträge zahlen werden, egal was passiert. Das gab mir ein sehr gutes Gefühl und ließ mich besser schlafen.
Vor ein paar Tagen habe ich erstmals online Klavierunterricht gegeben. Es war sehr anstrengend. Manchmal hört man gar nichts, manchmal kommt alles zeitverzögert an. Man muss viel präzisere Anweisungen geben. Dennoch bin ich froh, dass es einigermaßen funktioniert und ich meine Schüler einmal pro Woche sehen kann.
Den April werde ich finanziell noch überstehen, rechne aber ab Mai mit Einkommenseinbußen. Insofern bin ich sehr froh, dass die Politik – insbesondere die Stadt Berlin – meiner Berufsgruppe so viel Aufmerksamkeit schenkt. 5.000 Euro Soforthilfe sind zwar kein hoher Betrag, aber kurzfristig hilft es auf jeden Fall weiter. Einen Kredit würde ich eher nicht aufnehmen, wovon sollte ich den auch zurückzahlen? Ich gehöre mit meinen Einkünften eher zur unteren Mittelschicht. Deshalb bin ich sehr froh und dankbar, dass dieser unbürokratische Antrag für Soforthilfe bewilligt und wahnsinnig schnell abgewickelt wurde. Die dazu passende Textzeile aus meinem Song: „Berlin Berlin, you make me feel like a Queen.“
Ira Göbel, 42, freie Musikerin und Klavierlehrerin
Der Konzertveranstalter
Corona bedeutet wirtschaftlich für mich, innerhalb eines Tages alle meine Einnahmen zu verlieren. Ausrufezeichen! Ich bin einerseits Künstler, Musiker, Klangkünstler, aber auch einer von den Tausenden Leuten in Berlin, die im Hintergrund arbeiten. Als Konzertveranstalter, Künstlerbetreuer, als Organisator – also in den Bereichen der Branche, die unsichtbar sind. Man redet die ganze Zeit nur von den Künstlern und Kreativen.
Die Leute, die dafür sorgen, dass jemand auf der Bühne steht, sieht man ja meistens gar nicht. Bei einem Konzert, zu dem 1.000 Leute kommen, arbeiten ja alleine am Abend zur Durchführung schon 60 Leute im Hintergrund, und die sind meistens Freiberufler, Aufstocker oder Minijobber. Das fängt beim Catering an, geht über die Künstlerbetreuung, Security, Fahrer. Auch bei den Agenturen gibt es noch viele Freelancer, die zuarbeiten, ebenso bei den Festivals, für die ich in den letzten Jahren gearbeitet habe, wie die Fusion oder das Melt.
Durch die Krise kommt jetzt endlich mal raus, was schon lange falsch läuft – vor allem in der Kultur- und Konzertbranche. Dass es nur Hungerlöhne gibt für sehr viele Leute, dass alles immer weiter runtergeschraubt wird. Das ist auch ein gutes Beispiel dafür, wie es sonst in der Gesellschaft läuft: Es gibt nur noch die da oben mit Geld und die unten ohne – dazwischen wird es immer weniger.
Marc Weiser, Konzertveranstalter
Gerade in Berlin, wo jeder mitmachen will, partizipieren, teilhaben an diesem System – auf Teufel komm raus. Vernünftige Rücklagen zu schaffen ist in diesem System so gut wie unmöglich. Die meisten kommen gerade so über die Runden. Aber auch nur wenn man das Glück hat, einen alten Mietvertrag zu haben. Darum muss ich jetzt auch Schulden machen, indem ich meinen Dispo überziehe.
Natürlich habe ich verfolgt, wie Bundesregierung und Senat vollmundige Versprechungen gemacht haben, wem alles geholfen werden soll – aber ich bin da langfristig eher pessimistisch, wer davon was abkriegt. Auch wenn der Berliner Senat in einem immensen Kraftakt die Corona-Zuschüsse von 5.000 Euro für Soloselbstständige auf den Weg gebracht hat und diese wirklich erstaunlich unbürokratisch ausgezahlt werden, bin ich mir nicht sicher, ob die Kulturszene der Stadt das überlebt.
Das System ist einfach nicht ausgelegt für Patchwork-Biografien, wie sie in der Kulturbranche sehr häufig vorkommen. Am Ende werden die, die als „systemrelevant“ gelten, unterstützt, aber all die kleinen Selbstständigen werden wahrscheinlich durchs Raster fallen und Hartz IV anmelden müssen. Bestimmt werden sie noch nachbessern bei den Hilfen, aber dennoch werden viele davon nicht wirklich profitieren können, da bin ich sicher.
Immerhin haben sie die Hürden bei Hartz IV gesenkt, diesen Weg werden jetzt viele erst mal gehen müssen, ich wohl auch. Und vor allem: Wenn die Krise vorbei ist, wird der Kultursektor nie mehr so sein, wie er einmal war. Die Stadt wird eine andere sein. Viele Läden werden eingehen. Ich meine jetzt nicht den Tresor oder das Berghain. Aber all die anderen, kleineren, die sonst gerade so über die Runden kommen: Wo sollen die das Geld hernehmen, wenn Wochen oder gar Monate alles dicht ist? Die ganze Subkultur basiert ja auf dem Von-der-Hand-in-den-Mund-Prinzip und von Leuten, die dieses schlecht bezahlte Leben leben wollen.
Das ist ja eine Entscheidung, zu sagen, ich möchte etwas Kreatives machen, für andere Leute, brauche nicht so viel Geld, aber dafür mache ich etwas, das mir und anderen Leuten Spaß macht. Sonst würde man ja Jura studieren oder BWL. Aber genau diese Leute werden jetzt noch mehr verdrängt aus der Stadt. Alles verschärft sich in dieser Krise.
Marc Weiser, 53, arbeitet seit den 90ern als Konzertveranstalter und Musiker. Er war Mitgründer des CTM-Festivals und kuratierte das Musikprogramm des Roten Salons der Volksbühne Berlin.
Der Kneipenwirt
Ich habe die Soforthilfe am Dienstag beantragt, am Mittwoch wurde sie dem Konto gutgeschrieben. Außerdem habe ich Gelder vom Bund bekommen, sodass ich erst mal zwei Monate überbrücken kann. Toll, extrem unbürokratisch!
Ich war mir aber auch sicher, dass die Gelder fließen werden, denn gleich nach der Schließung der Bar musste ich ja Kurzarbeitergeld für meine Mitarbeiter beantragen, das war ebenfalls alles schnell durch. Auch das Crowdfunding für die Tomsky Bar, das ein paar Gäste für uns ins Leben gerufen haben, läuft sehr gut. Gerade sind wir bei 6.000 Euro, das erste Etappenziel wäre am 20. April erreicht. Allerdings wird das Geld erst nach Ablauf der Kampagne frei.
Trotz Zuzug leben immer noch viele nette Leute in Prenzlauer Berg, die Durchmischung in der Bar ist also in Ordnung. In normalen Zeiten läuft das Tomsky gut, obwohl die monatlichen Ausgaben schon hoch sind: Miete, Umsatzsteuer und Gehälter. Ich hoffe, dass ich die Steuer stunden kann. Aber das ist relativ, denn irgendwann wird sie so oder so fällig.
Martin Kaltenmaier, Kneipier
Das Haus, in dem sich die Bar befindet, war eines der ersten, die in der Straße saniert wurden, und die Bar ist der einzige Mieter, der die Sanierung überlebt hat. Es war nach der Wende von einem Westberliner Baulöwen gekauft worden. Freitags war während der Sanierung immer der Strom weg. Oder plötzlich waren Löcher in der Decke, wenn die Gäste kamen. Anschließend wurde das Haus scheibchenweise verkauft.
Mit unserem heutigen Vermieter kann man reden, er ist im Augenblick sehr entgegenkommend. Aber wir zahlen jetzt trotzdem bruttowarm etwa 4.000 Euro im Monat. Man muss viel Bier verkaufen, um das zu erwirtschaften. Auf Restaurant dürfen wir nicht nicht machen, weil unsere Küche zwei Quadratmeter zu klein ist – und weil wir eine Raucherbar sein wollen. Im Moment besonders blöd, weil wir nicht wie Restaurants Essen zum Mitnehmen anbieten können.
Aber der Staat wird das Tomsky schon noch ein Weilchen über Wasser halten. Ich versuche, entspannt zu bleiben und mir nicht zu viele Gedanken zu machen. Aber ich sorge mich um alle, die dranhängen, wie die Minijobber, die im Tomsky immer viel Trinkgeld bekommen haben. Und ich fürchte, dass die Hilfsbereitschaft abnehmen würde, wenn die Krise länger als drei Monate dauert. Der Staat funktioniert ja auch nur wie ein Unternehmen.
Martin Kaltenmaier, 52, Betreiber der Tomsky Bar in der Winsstraße in Prenzlauer Berg
Die Fitnesstrainerin
Ich bin froh und sehr dankbar, das es mit der Soforthilfe so unkompliziert und sehr schnell geklappt hat. Ich habe mich erst am Sonntag in der Warteschlange angestellt, weil ich mir schon gedacht habe, dass der Ansturm groß sein würde. Aber dann hatte ich immer noch ungefähr 130.000 Wartende vor mir. Die Warteschlange konnte man im Internet auf der Seite verfolgen und es ging erstaunlich schnell vorwärts. Nach nicht einmal zwei Tagen kam die Bestätigung des Antrags und das Geld war auf dem Konto. Großes Lob an die Investitionsbank!
Ich arbeite als Fitness- und Gesundheitstrainerin und als Bewegungstherapeutin in verschiedenen Fitnessstudios und Pflegeeinrichtungen. Das heißt: Ich arbeite viel mit Senioren im Reha-Sport. Das wird von den Krankenkassen bezahlt und über einen Verein gesteuert. Ich mache das vor allem deshalb, weil man ja nicht täglich acht Stunden Fitnesstrainerin von jüngeren Leuten sein kann. Das schafft man einfach körperlich nicht. Mehr als 24 bis 26 Stunden kann ich aber auch auf diese Art nicht arbeiten – und das, obwohl ich körperlich noch sehr fit bin.
Als Fitnesstrainer kann man dementsprechend nur begrenzt verdienen. Ich denke, dass ich ungefähr 2.300 brutto im Monat verdiene. Das ist ein gutes Auskommen, was auch daran liegt, dass ich breiter aufgestellt bin als andere. Ich habe einen soliden Lebenswandel und eine kleine Reserve, weshalb in meinem Fall die 5.000 Euro reichen, um zwei bis drei Monate zu überbrücken.
Sylvia Beckmann, Fitnesstrainerin
Auf das Internet werde ich eher nicht ausweichen können. Das Netz ist voll mit kostenlosen Übungsangeboten. Als Personal Trainer würde es vielleicht noch gehen, aber als Trainerin von größeren Gruppen ist es wichtig, persönlich präsent zu sein, Leute motivieren und korrigieren zu können. Gerade im Pflegeheim kann man das nicht ersetzen, wenn Leute von draußen reinkommen und Spaß und Abwechslung in den Alltag bringen.
Ich hatte noch nie so viel Urlaub wie jetzt – ich bin in 16 Jahren einmal einen Tag lang krank gewesen. Das ist schon seltsam. Aber im Moment mache ich mir trotzdem Sorgen. Vor allem um meine Infrastruktur, die Vereine und Studios, von denen ich weiß, dass viele kaum Rücklagen haben und keine zwei Monate überstehen würden.
Ich würde mir wirklich wünschen, dass die Menschen über ihren Tellerrand schauen und weiter ihre Beiträge zahlen. Viele haben ja sichere Renten, da sind 25 oder 30 Euro im Monat doch gut zu verkraften! Vereine und Studios denken auch darüber nach, dass die Kunden ihre Beiträge hintenran hängen können oder über Vergütungen und Rückerstattungen wiederbekommen, über Sommerfeste und so weiter.
Sylvia Beckmann, 56, freie Fitnesstrainerin
Die Coach
Mein Geschäftsmodell ruht auf verschiedenen Säulen. Ich biete Rhetorik- und Konfliktmanagement-Seminare bei Bildungsträgern an. Ich berate Teams und Einzelpersonen, bilde Coaches aus, gebe als Bildungsurlaub anerkannte Seminarreisen und vermiete Räume an TrainerInnen und Coaches. Bis auf die Einzelcoachings bricht derzeit alles weg, allerdings finden diese dann digital statt, was die wirkliche Begegnung nicht ersetzen kann. Auch bei den Ausbildungen werden von den Berufsverbänden gerade viele Regeln gelockert, so dürfen einzelne Module derzeit sogar online abgehalten werden.
Als vor zwei Wochen die Kontaktsperre beschlossen wurde, ist die Bereichsleitung der Volkshochschulen in meinen laufenden Kurs reingekommen, das war schon heftig. Gerade eben wollte ich meine Seminarreise nach Rügen absagen, aber die Hotelbesitzerin wollte lieber erst noch einmal abwarten. Ist ja logisch, ihr bricht ja auch gerade alles weg. Seit der Kontaktsperre habe ich mit Einzelcoachings noch 300 Euro eingenommen. Normalerweise komme ich auf 5.000 Euro Einnahmen im Monat, habe netto also etwa 2.500 raus. Im April werde ich fast keine Einnahmen haben.
Sandra Szaldowsky, 48, Coach
Zum Glück habe ich private Rücklagen und mein Partner ist in seinem Beruf noch wenig von der Krise betroffen. Als ich mich letzten Freitag für die Soforthilfe angemeldet habe, war ich in der Warteschlange auf Platz 38.347. Am Samstagabend um 21.27 Uhr erhielt ich eine Mail, dass ich an der Reihe bin, die ich aber leider nicht rechtzeitig gesehen habe. Daher musste ich mich neu anmelden und hatte dann die Nummer 228.956 mit 169.536 Menschen vor mir. Montagmittag konnte ich mich anmelden.
Völlig überraschend waren die 5.000 Euro dann tatsächlich am Dienstagnachmittag auf meinen Konto. Davon kann ich zunächst betriebliche Kosten für zwei bis drei Monate decken. Meine privaten Unkosten und Verpflichtungen bleiben hierbei jedoch komplett außen vor. Dennoch bin ich wirklich sehr dankbar für diese unbürokratische Unterstützung in dieser schwierigen Lage.
Auch wenn ich noch keine Existenzangst habe, sagen viele KollegInnen, dass sie es trotz Soforthilfe maximal zwei oder drei Monate schaffen. Gleichzeitig kann ich dieser Zeit ehrlicherweise auch etwas abgewinnen: Vieles macht Mut. Ich beobachte mehr Solidarität. In unserer Nachbarschaft bringen einige Älteren Einkäufe mit. Einer Freundin haben sie im Stammsupermarkt Klopapier zurückgelegt. Und die Debatte übers Grundeinkommen hat wieder an Fahrt aufgenommen. Zumindest in meiner kleinen Blase erlebe ich ein großes Zusammenrücken.
Sandra Szaldowsky, 48, Coach und Kommunikationstrainerin
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