piwik no script img

Frederik Eikmanns über psychisch kranke GeflüchteteKonsequente Hilfeverweigerung

Gerade einmal 3 Prozent der psychisch kranken Geflüchteten bekommen Hilfe. Und den Psychosozialen Zentren, die wenigstens ein bisschen Versorgung organisieren, kürzt die Bundesregierung gleich noch das Geld. Waren es vor zwei Jahren noch 17 Millionen Euro, sollen es laut Haushaltsentwurf jetzt nur noch 7 Millionen sein.

Auf groteske Art ist das konsequent. Denn die gesamte europäische Abschottungspolitik ist indirekt eine riesige Traumatisierungsmaschine. Weil legale Fluchtrouten systematisch mit Visapflichten, Grenzzäunen und Rücknahmeabkommen versperrt werden, müssen die Flüchtenden ausweichen: Auf den Weg durch die Sahara, wo Tausende verdursten. Nach Libyen, wo viele als Geiseln genommen und gefoltert werden, um von Verwandten Lösegeld zu erpressen. Auf überfüllte Schiffe, wo Ertrinken oder brutale Pushbacks durch europäische Grenzschützer drohen.

Wer es nach Deutschland schafft, den*­die erwarten hier Lebensumstände, die der psychischen Gesundheit wirklich nicht zuträglich sind. Massenunterkünfte zermürben und anfängliche Arbeitsverbote sorgen für quälende Langweile. Auch die erst vor wenigen Monaten eingeführten Bezahlkarten für Geflüchtete spielen wohl eine Rolle, indem sie die Menschen noch weiter stigmatisieren und ihnen das Leben erschweren. Dazu kommt die Stimmung im Land, die sich deutlich gegen die Aufnahme von Geflüchteten gedreht hat, Hetze durch Po­li­ti­ke­r*in­nen und die ständige Bedrohung durch rechte Gewalttäter*innen.

Eigentlich bräuchte es nicht weniger als die komplette Umwälzung unseres Umgangs mit Geflüchteten und das nicht nur in Deutschland, sondern auf ganzer EU-Ebene. Da das aber nicht passieren wird, bleiben zunächst nur ein paar kleine Hoffnungsschimmer. So könnte die SPD-Fraktion in den Haushaltsverhandlungen doch noch einige Millionen mehr für die Psychosozialen Zentren heraushandeln. Vielleicht findet sich auch irgendwann wieder eine Mehrheit im Bundestag, die bereit ist, Geflüchteten schnelleren Zugang zum regulären Gesundheitssystem zu verschaffen. Es wäre ein Anfang.

inland

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen