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Frauensachen

Bei der „herbizz“ stellen Frauen ihre Geschäfte vor: Sie gründen meistens klein, manchmal aus der Krise heraus, und meistens um zu tun, was sie eigentlich immer schon machen wolltenvon SANDRA WILSDORF

„Ihre Geschäfte“ zeigen Frauen an diesem Wochenende bei der Unternehmerinnenmesse „herbizz“ in der Handelskammer. Vor zwei Jahren hatten vier Hamburger Unternehmerinnen die Messe initiiert. Weil sie so ein großer Erfolg war, fand im vergangenen Jahr ein Kongress und findet nun wieder eine große Messe statt – diesmal auch mit Gästen aus Schweden, Finnland und China. Die taz hamburg stellt fünf von insgesamt über 100 Ausstellerinnen vor. Sie alle haben den Sprung in die Selbständigkeit gewagt. Mit ganz unterschiedlichen „bizz“.

Die Schreiberin

Sie träumte immer schon davon zu schreiben. Aber sie war Marketingleiterin. Als ihre Abteilung geschlossen wurde, machte Barbara Broers die Krise zur Chance und sich selbständig. Mit Hilfe der Abfindung wird in ihrer großen Eimsbütteler Wohnung aus einem Zimmer ein Büro für „Textkreation und Schreibkultur“, und Barbara Broers beginnt zu schreiben. Das ist erst ein halbes Jahr her, und die „Stattschreiberin“ ist selber überrascht über den Erfolg. „Ich habe noch nicht mein altes Gehalt, aber ich kann davon leben“, sagt die „Ghostwriterin für alles Private“. Sie schreibt Liebes- und Behördenbriefe, Reklamationen, Bewerbungen, Reden, Biographien und arbeitet nebenbei an einem Roman. Ihre Kunden haben entweder keine Zeit, ihre Korrespondenz selber zu erledigen, oder wollen von Barbara Broers den richtigen Ton haben. Sie sagt: „Um sich selbständig zu machen, braucht man Mut und Beharrlichkeit.“ Aber sie sagt auch: „Ich hätte das längst machen sollen. Man fühlt sich so viel besser, wenn man macht, was man wirklich will.“

Die Buchliebhaberin

Susanne Junker hat zwar schon als 15-Jährige davon geträumt, später mal einen eigenen Buchladen zu besitzen, aber als es dann so weit war, kam es doch überraschend. Sie hatte gerade eine Umschulung zur Buchhändlerin im Frauenbuchladen in Eimsbüttel gemacht, da bot das damals geschäftsführende Kollektiv ihr und einer anderen Umschülerin den Laden zum Kauf an. Ein großer Schritt, aber die beiden sind ihn gegangen und dabei am Anfang auch mal ins Straucheln geraten: „Ich war zu naiv. Heute weiß ich, es ist besser, sich 20 Mal zu viel beraten zu lassen, als einmal zu wenig. Gerade in finanziellen Fragen.“ Steuern, Buchhaltung, die ganze Betriebswirtschaftslehre, ein weites Feld. Das ist jetzt sieben Jahre her. Vor einigen Monaten ist die Partnerin ausgestiegen, Susanne Junker mit einer Angestellten allein. Einen Frauenbuchladen zu führen, ist nicht einfacher geworden, denn vielen Frauen bedeutet er nicht mehr die gleiche Notwendigkeit wie noch vor 25 Jahren, als er gegründet wurde. Susanne Junker findet es immer noch „toll“, so mit Frauen zusammenzuarbeiten, die eigene Chefin zu sein, und freut sich, wenn Frauen genießen, dass es diesen Laden gibt. Mit einem Angebot nur für sie.

Die Energetischen

Wann immer Petra Diesing und Iris Bulla Aufträge zu vergeben haben, prüfen sie zuerst, ob sie sie an Frauen vergeben können. „Mit Frauen kann man Dinge besser entwicklen, das ist fruchtbarer. Die Botschaften kommen direkter an“, sagt Iris Bulla. Deshalb arbeiten die beiden „Neustadtarchitekten“ unter anderem mit der Handwerkerinnen-Vermittlungsagentur „Perle“ zusammen. Diesing und Bulla haben sich vor zwei Jahren zu zweit selbständig gemacht, unter Architekten kein so ungewöhnlicher Schritt. „Wenn man wirklich eigenverantwortlich arbeiten will, dann muss man sich selbständig machen“, sagt Bulla. Sie schätzt daran den direkten Kontakt zu den Kunden, dass sie ihre eigenen Ideen auch selber vertreten, und dass sie selber entscheiden können, welche Aufträge sie annehmen. Dabei können sie endlich auch ihre Schwerpunkte ausbauen. Und die sind energetische Modernisierung, Wohnungsbau und alles, was mit Bauen und Klimaschutz zu tun hat. Frauen, die ihr eigenes Unternehmen gründen wollen, raten sie, die Ziele klar zu definieren. „Man muss sich an einen roten Faden binden, sonst verzettelt man sich.“

Die Not lindernde

Manchmal ist die Selbständigkeit auf den ersten Blick eine Not- und erst auf den zweiten Blick die Ideallösung. Margarete Remmert-Rieper ist Chemikerin und bekam während der Diplomarbeit ihr erstes Kind. Als sie promovierte, musste sie sich um mittlerweile zwei Kinder kümmern. Sie wollte als Chemikerin gerne im Umwelt- und Arbeitsschutz arbeiten, „eine Festanstellung bot sich einfach nicht an“, sagt sie und versucht es Anfang 2000 allein. Als Einstieg besucht sie dazu das neunmonatige „pepp“-Programm für „Profil, Profit und Perspektive“ der Informations- und Beratungsstelle Frau und Beruf, kurz „efa“. „Von den tragenden Säulen Kompetenz, Kontakte und Geld hatte ich damals nur die Kompetenz.“ Ein mühsamer weg, doch langsam trägt sich das Unternehmen. Margarete Remmert-Rieper berät überwiegend mittelständische Unternehmen bei der Umsetzung des neuen Arbeitsschutzgesetzes. Und sie macht Krisenmanagement, wenn Firmen „aufgrund eines Umweltproblems in der Patsche sitzen“. Dann erstellt sie Expertisen, prüft, welches Ausmaß das Problem hat und wie es zu lösen ist. Egal ob Schimmelpilzbefall, Innenraumschadstoffe oder ob Menschen ganz generell über ständige Kopfschmerzen im Büro oder zu Hause klagen. Ihr Tipp: „Man muss irgendwann lernen, die Arbeit so einzuteilen, dass man Teile davon delegieren kann.“ Bei Fragen wie diesen hilft ein kleines Netzwerk. Regelmäßig bespricht sie sich mit zwei Unternehmerinnen, die sie bei „efa“ kennengelernt hat.

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