Frauenrechte in Marokko: Ein rechtloses Wesen
Sexuelle Gewalt gegen Frauen ist in Marokko verbreitet. Abtreibungen sind anders als in Tunesien und Algerien fast komplett verboten.
MADRID taz | Marokko ist das restriktivste Land in Nordafrika, wenn es um das Recht auf Abtreibung geht. Nur wenn das Leben der Frau gefährdet ist, darf eine Schwangerschaft unterbrochen werden. In allen anderen Fällen droht der Frau eine Haftstrafe von sechs Monaten bis zu zwei Jahren und denen, die den Eingriff vornehmen, bis zu zehn Jahre Haft – im Falle des Todes der Frau bis zu 20 Jahre. Selbst nach einer Vergewaltigung ist eine Abtreibung illegal.
Im benachbarten Algerien ist die Strafen für einen außergesetzlichen Schwangerschaftsabbruch ähnlich hoch. Doch ein Schwangerschaftsabbruch ist erlaubt, wenn die Frau andernfalls psychisch schweren Schaden nehmen könnte. Außerdem ist eine Abtreibung legal, wenn der Fötus schwere Missbildungen aufweist.
Anders als in Marokko gibt es auch für Vergewaltigungsopfer eine Regelung. In diesem Falle ist die Abtreibung allerdings nur dann erlaubt, wenn der sexuelle Übergriff im Rahmen eines terroristischen Gewaltaktes stattfand. Diese Bestimmung wurde 2004 eingeführt und kam damit für viele Opfer des islamistischen Terrors in den 1990er Jahren zu spät.
Am liberalsten ist Tunesien, und das nicht erst seit der Revolution von Januar 2011. Bereits 1973 wurde die Abtreibung im kleinsten der drei nordafrikanischen Länder freigegeben. Damit ist Tunesien die große Ausnahme in Afrika und in der arabischen Welt. Ein breites Spektrum von medizinischen, sozialen und ökonomischen Indikationen erlaubt den Schwangerschaftsabbruch eigentlich immer. Dieser wird dann in einer Fachklinik vorgenommen.
Eine andere soziale Realität
„Die Frauen in Marokko haben keinerlei Rechte“, beschwert sich die Sprecherin der Alternativen Bewegung für Individuelle Freiheiten, Betti Lachgar, auf deren Einladung Women on Waves nach Marokko reiste. Trotz der Reform des Familiengesetzes in Marokko vor acht Jahren, die Frauen mehr Rechte einräumte, ist die soziale Realität eine andere.
6 Millionen Marokkanerinnen – mehr als ein Drittel – werden nach Angaben des Familienministeriums regelmäßig Opfer von Gewalt. 55 Prozent dieser Übergriffe werden von den Ehemännern verübt. Ein Gesetz, das häusliche Gewalt unter Strafe stellt, liegt dem Parlament seit zwei Jahren vor. Abgestimmt wurde darüber bis heute nicht.
In Marokko geht ein Vergewaltiger dann straffrei aus, wenn er sein Opfer heiratet. Nach dem Selbstmord einer jungen Frau, die zu einer solchen Ehe gezwungen wurde, kam es im Frühjahr überall im Land zu Demonstrationen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Utøya-Attentäter vor Gericht
Breivik beantragt Entlassung
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Böllerverbot für Mensch und Tier
Verbände gegen KrachZischBumm
Entlassene grüne Ministerin Nonnemacher
„Die Eskalation zeichnete sich ab“
Repression gegen die linke Szene
Angst als politisches Kalkül