Frauenmangel bei der AfD: Der bewegte Mann

Die AfD ist ein Sammelbecken für Männer. Liegt das an den Inhalten, am Stil – oder daran, dass sich Frauen von der Partei schlicht „verarscht“ fühlen?

Vor dem Bauch eines Mannes hängt eine schwarz-rot-goldene Krawatte.

Deligierter auf einem AfD-Parteitag: Und das soll für Frauen attraktiv sein? Foto: dpa

BERLIN taz | | Wenn Männer innere Sicherheit, den Euro und Asyl diskutieren, schalten Frauen ab. Und wählen deshalb nicht die AfD – so zumindest erklärt sich Parteisprecher Christian Lüth, dass mehr als zwei Drittel der AfD-Sympathisanten Männer sind, wie aktuelle Umfragen der Institute Insa und Emnid zeigen. Auch 80 Prozent der gut 20.000 Mitglieder sind männlich. „Sehr schade“ findet Lüth, dass seine Partei mit ihren „härteren Themen“ bei Wählerinnen kaum punktet. Und betont: „Politik erscheint für Frauen generell nicht so attraktiv wie für Männer.“

Welch großer Unsinn diese Argumentation ist, erklärt die Tübinger Professorin Gabriele Abels, Mitherausgeberin von femina politica, einer Zeitschrift für feministische Politikwissenschaft. „Innere Sicherheit und Sicherheit im öffentlichen Raum“ seien genauso für Wählerinnen wie für Wähler von Belang. Nur dann nicht, wenn eine Partei damit „aggressiv, gewalttätig und militant“ vorprescht, wie die AfD mit ihrem „provokanten Politikstil“.

Der Grund also, warum deutlich mehr Männer als Frauen Interesse an der AfD zeigen: „geschlechtsspezifische Sozialisation“. Unbewusste Einstellungen und Annahmen, die dazu führen, dass Frauen eher moderate Parteien wählen. Die „männliche“ Politikform der AfD, die „laut und oft sehr unsachlich“ daherkommt, „wird abschreckend wahrgenommen“, sagt Abels. Die AfD-Politik verströme eine aggressiv-männliche Duftnote. „Der testosterongetriebene Politikstil ist für jüngere Männer und ihre Vorstellung von Männlichkeit attraktiver.“

„Klare Aussagen, klare Kante und durchaus Radau“ – so ziehe die AfD vor allem Männer an, analysiert auch Lars Geiges vom Göttinger Institut für Demokratieforschung, der sich auf AfD und Pegida spezialisiert hat. „Rechtspopulistische, rechte, radikale Parteien werden eher von Männern gewählt.“

Empathiemangel kommt bei Frauen nicht an

Der Erfolg hat allerdings nicht nur mit dem Stil, sondern auch mit den Inhalten der Partei zu tun. Mit ihren „Parolen des Widerstands“ bleibe bei der AfD etwa „keine Empathie für gesellschaftliche Randgruppen“. „Die Faulen, die sich nicht einbringen in die Gemeinschaft“, werden ausgeschlossen. Genau das sei „für rechtspopulistische Parteien relativ charakteristisch“. Und offenbar provoziert es mehr männlichen Beifall.

Noch immer dürfte die Partei außerdem deshalb bei Männern punkten, einfach weil es sie noch nicht so lange gibt: Männer wählen neue Parteien öfter als Frauen. Matthias Jung von der Forschungsgruppe Wahlen stellt mit Blick auf die Bundesrepublik fest: „Alle Parteien im rechten und linken Milieu hatten vor allem in den Anfangsphasen stärkeren Zulauf von Männern.“ Diese, bereit für Veränderungen, könnten gemeinhin „früher mobilisiert“ werden als Frauen. Und, so formuliert es Politikwissenschaftlerin Abels, wollten „auch mal etwas riskieren“.

Männer können schneller mobilisiert werden und wählen neue Parteien öfter als Frauen

Die hohen männlichen Zustimmungsraten für die Alternative für Deutschland unter der männlichen Wählerschaft sind beileibe kein deutsches Phänomen: Schon seit Jahrzehnten seien rechte Parteien ein Sammelbecken für Männer, erklärt Politikwissenschaftler Geiges. Sei es in den Niederlanden mit dem Rechtspopulisten Geert Wilders, der FPÖ in Österreich oder der Lega Nord in Italien. „Auch in Deutschland waren es ähnliche Ergebnisse für die Republikaner und die DVU.“ Die aktuellen Wahlergebnisse der NPD sprechen dieselbe Sprache: In Thüringen, Brandenburg oder in Sachsen etwa wählten doppelt so viele Männer wie Frauen die radikale Partei.

Von der Unzufriedenheit zur Unterstützung

Und auch die selbsternannte Alternative findet ihre Klientel derzeit vor allem im Osten: männlich und jünger als 50. „Die Wahrscheinlichkeit, dass ein junger Mann im Osten die AfD wählt, ist am höchsten.“ Dass dies „eine alte Frau im Westen“ tut, am unwahrscheinlichsten, spitzt Hermann Binkert, Leiter von Insa, die neuesten Erkenntnisse seines Instituts zu.

Das liege daran, dass AfD-Wählen sehr viel mit Protest zu tun habe, sagt Politikwissenschaftler Geiges. Und obwohl dort beide Geschlechter wankelmütiger seien und eher aus einer Protesthaltung heraus wählen würden, gingen den Schritt von „Unzufriedenheit“ zur „Unterstützung von AfD“ vor allem Männer.

Drastisch sind die Ergebnisse der Umfrage, die Emnid vom 14. bis 20. Januar für Bild am Sonntag geführt hat: Gerade einmal 2 Prozent der Frauen im Vergleich zu 17 Prozent der Männer würden demnach aktuell die AfD wählen – das entspricht für die Stichprobe einem Männeranteil von knapp 90 Prozent.

Die Zahlen von Insa vom 22. bis 25. Januar liegen mit 10 Prozent Frauen zu 16 Prozent Männern, also einem Männeranteil von gut 60 Prozent, etwas darunter.

Damit liegen sie näher an den tatsächlichen Ergebnissen der vergangenen Landtagswahlen in Thüringen, Brandenburg, Sachsen, Hamburg und Bremen: Überall hatten gut 60 Prozent Männer die AfD in die Parlamente gehoben.

Die Zustimmungswerte für die AfD sind mit 70 bis 80 Prozent bei Männern seit 2013 relativ konstant, so der Göttinger Politikwissenschaftler Lars Geiges. (ae)

Ein Blick nach Westen zeigt allerdings, dass Frauen nicht „qua Geschlecht immun gegen rechte Parteien“ sind, wie Politikprofessorin Abels es formuliert. In Frankreich hat es Marine Le Pen geschafft, immer mehr Frauen für den Front National zu aktivieren. „Sie hat den militanten, aggressiven Stil abgebaut.“ Damit ist Le Pen ins bürgerliche Lager vorgedrungen und verkauft ihre rechtsextremen Inhalte weniger provokativ – sie „versucht sie weichzukochen“.

Eine ähnliche Strategie scheint AfD-Chefin Frauke Petry zu verfolgen – bisher allerdings noch ohne viel weiblichen Zuspruch aus der Wählerschaft. Und auch in den eigenen Reihen bleibt der aus: Abgesehen von den wenigen medial präsenten Frauen besetzen bis zu 70 Prozent Männer die zweite Reihe des AfD-Personals.

Eklatante Doppelmoral in der Familienpolitik

Um mehr Frauen zu mobilisieren, spricht Parteisprecher Lüth davon, die „sehr tiefgreifenden Programmpunkte Familienpolitik und Bildung besser zu kommunizieren“. Doch genau dort, findet Abels, offenbare die AfD eine eklatante Doppelmoral. Die Partei versuche, „mit traditionellen Rollenbildern auf Frauen einzuwirken. Frau Petry oder die unsägliche Frau von Storch nehmen sich, überzogen formuliert, heraus, zu sagen: Frauen sollen alle zu Hause bleiben.“ Für sich selbst wiederum beanspruchten die Politikerinnen jedoch sehr wohl, Karriere zu machen. „Da merken die Wählerinnen auch, dass das Verarsche ist.“

Stolz blickt AfD-Sprecher Lüth dennoch auf seine Wähler: „Wir sammeln die, die ihre Zukunft in die eigenen Hände nehmen wollen, wie Familienväter mit mittleren bis unteren Gehaltsstufen.“ Er rühmt sie als diejenigen, die „im Wirtschaftsleben stehen und genau wissen, wie sie die Lage einzuschätzen haben“. Das „Bild der Protestpartei, der Wutbürgerpartei“ ist für ihn dadurch widerlegt.

Ein „Missverständnis“ sieht Jung von der Forschungsgruppe Wahlen insofern bei der Interpretation des informierten AfD-Wählers: Wer sich für die Partei entscheide, sei nicht der Meinung, dass diese bestimmte Probleme gut lösen könne. Vielmehr demonstriere das Kreuzchen für die AfD die Unzufriedenheit mit dem Ist-Zustand, gegen den die Partei „ganz entschiedene Anti-Positionen“ beziehe. Und so eine scheinbare Alternative für männliche Unzufriedenheit biete.

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