Frauenfußball-WM: "Das passiert"
Die Torfrauen blamieren sich bei der WM ein ums andere Mal. Torwarttrainer Michael Fuchs kennt das Problem
WUHAN taz Es hat nicht lange gedauert, bis klar war, welchen Akzent diese Frauenfußball-Weltmeisterschaft setzen würde. Die Torhüterinnen prägen das Championat mit ihren hilflosen, ziemlich dürftigen Fangübungen. Nahezu jede Torfrau hat sich einen Faux-pas geleistet, in bester Erinnerung ist die arme Argentinierin Vanina Correa, die sich gleich zwei Bälle selbst ins Tor legte. Gestern hätte ein Fehler der australischen Torfrau Melissa Barbieri beim Herauslaufen ihrem Team um ein Haar die Viertelfinalteilnahme gekostet. Auch die deutsche Keeperin Nadine Angerer hat einmal ganz schlecht ausgesehen, als sie im Strafraum glaubte, die Hände nicht mehr benutzen zu dürfen. Was ist los mit den Torsteherinnen, dass sie derart irrlichtern?
Das müsste eigentlich der deutsche Torwarttrainer Michael Fuchs (37) wissen. Er ist der erste fest angestellte Torwartcoach im deutschen Frauenteam. Erst seit einigen Wochen macht er den Job. Der ist befristet auf ein halbes Jahr. Auch die ehemaligen Bundesliga-Keeper Philipp Laux und Thomas Ernst waren im Gespräch. Aber sie wollten nicht. Der Vertrag war ihnen nicht lukrativ genug. "Diese Fehleranfälligkeit passiert im Frauenfußball schon mal", sagt Fuchs. Das Niveau ist nicht vergleichbar mit den Männern. Sehr deutlich wird der Unterschied an neuralgischen Punkten, vor allem im Tor. Jede Stürmerin ist bei dieser Weltmeisterschaft gut beraten, aus allen Lagen auf den Kasten zu schießen. Unter gütiger Mithilfe der gegnerischen Torfrau wird das Ding schon irgendwie reingehen. Entscheidend ist nicht die Qualität des Spannstoßes, sondern die indisponierte Adressatin des Schusses.
Michael Fuchs war von 2000 bis 2005 Torwarttrainer beim 1. FC Nürnberg. Seine Vorbilder sind der Niederländer Edwin van der Sar ("Der kann Bälle mit rechts und links spielen") und Andreas Köpke. Köpke ist Torwarttrainer bei den Männern. Frauentrainer Fuchs sagt: "Technisch gesehen ist einiges im Frauenbereich verbesserungswürdig, aber von der Belastungsfähigkeit her ist es wie bei den Männern." Nadine Angerer (28), Silke Rottenberg (35, 1. FFC Frankfurt) und die dritte Torfrau, Ursula Holl (25, Bad Neuenahr), seien "sehr willig". Und quälen würden sie sich im Training auch wie Oliver Kahn und Jens Lehmann. Da Fuchs "die moderne Schule der agierenden Torhüter" verficht, arbeitet er mit den Keeperinnen oft an der Bewegung zum Ball und an der Verbesserung ihres Fußballspiels, also ihren individuellen Fertigkeiten am Ball.
Laut Fuchs gibt es zwei Arten von Torhütern, solche, die kein Tor kassieren wollen und andere, die "ins Spiel eingreifen". Angerers Aufgabe ist es also, den Spielverlauf zu antizipieren, die Liberoposition hinter der Abwehr zu beziehen. Sie soll nicht passiv auf der Linie kleben. Am Samstag muss Angerer im Viertelfinale gegen Nordkorea ran. Die Asiatinnen verfügen über exzellente Distanzschützinnen. Das ist alles kein Problem, solange die Spielerin von Turbine Potsdam nicht vergisst, bei den Rettungsaktionen im Strafraum ihre Hände zu benutzen. "Das sollte sie auf jeden Fall tun", sagt Michael Fuchs. MARKUS VÖLKER
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!