FrauenLesben*Freitag auf der Kippe: Sonntags-Club freitags geschlossen?
Der Entwurf des Haushaltsplans 2025/26 sieht eine Stellenkürzung im queeren Veranstaltung- und Beratungsort vor. Das hat weitreichende Konsequenzen.
Im Sonntags-Clubs gibt es drei vom Senat finanzierte Projekte, darunter die psychosoziale Beratung und QUEERHOME*, die Wohnberatung für LGBTIQ* in Berlin. Doch nun droht eine wesentliche Stütze wegzubrechen. Im Entwurf des Haushaltsplans für 2026/27 fehlt die Fördersumme für eine Stelle im Sonntags-Club. „Eine wichtige Stelle“, so Otte, die seit über 10 Jahren gefördert wurde. Die Fördersumme für 2025 beläuft sich auf genau 55.172,41 Euro.
Ginge die Stelle verloren, wären sämtliche Angebote, die sich explizit an lesbische und bisexuelle Frauen und Flinta* richten, in Gefahr. Otte zählt auf, was das konkret bedeutet: Der FrauenLesben*Freitag könnte nicht mehr von Serena Raucci, so heißt die betroffene Kollegin, betreut werden. Pro Jahr würden 130 Veranstaltungen weniger angeboten werden. Hinzu käme, dass 9 Selbsthilfegruppen keine Betreuung mehr hätten. Das alles hängt an Serena Rauccis Job.
Und klar, weniger Angebote locken weniger Gäste in den Club und ins hauseigene Café, logisch. Damit gingen Einnahmeneinbußen in einer Höhe von rund 15.000 bis 17.000 Euro einher, wie Otte schätzt. Außerdem kämen sicherlich weniger Mitgliedsbeiträge und Spenden zusammen, der Verein kalkuliert hier mit einem Minus von rund 4.000 Euro. „Wenn wir pro Jahr mit rund 21.000 Euro weniger Einnahmen rechnen können, ist der Sonntags-Club in seiner Existenz bedroht.“
Hier haben über 30 Selbsthilfegruppen ihr Domizil
Das wäre fatal. Der Sonntags-Club ist eine der ältesten queere Institution Berlins (mit DDR-Vergangenheit) und eins der wichtigsten Zentren für Veranstaltungen, Informationen und Beratungen für queere Menschen. Hier haben über 30 Selbsthilfegruppen ihr Domizil.
Hauptanliegen des Vereins ist es, dass sich viele verschiedene Menschen hier miteinander wohlfühlen können. „Ein sehr inklusiver Ort“, sagt Otte. „Nur eben freitags nicht, da bleiben alle männlich gelesenen und männlich fühlenden Menschen draußen.“ So ein Safe Place ist für Frauen* „elementar wichtig“, so Otte, weil in den letzten zehn Jahren viele öffentliche Begegnungsorte weggebrochen sind. Der Frauen*Freitag werde von bis zu 50 Frauen* besucht.
Der vorliegende Entwurf zum Haushalt des Landes Berlin wurde bislang noch nicht veröffentlicht. Listen mit den einzelnen Posten, aus denen Ausgaben, aber auch Kürzungen hervorgehen, sind dem Vernehmen nach erstellt. Erst im Dezember soll der Haushaltsplan im Landesparlament beschlossen werden.
Neben dem Sonntags-Club sollen weitere Projekte betroffen sein, der taz liegt eine Liste vor, die Otte zusammen mit anderen Projekten erstellt hat. Auffallend: Es handelt sich ausschließlich um Initiativen, die sich mit ihren Angeboten an Frauen* wenden, so zum Beispiel in Spandau, dort ist der Casa e.V. betroffen, der Beratung für Migrantinnen anbietet. Auch dem Projekt „BerTa“ in Buch soll eine Stelle gestrichen werden. Es bietet Frauen*, die diskriminiert oder bedroht werden, einen geschützten Raum und Beratung – noch.
„Flurbereinigung“ beim „Projekte-Wildwuchs“
Doch noch ist nichts Genaues klar. Den Mitgliedern des Abgeordnetenhauses werden die Zahlen erst Ende August vorgelegt, wie Klaus Leder der taz sagt. Der queerpolitische Sprecher der Linken-Fraktion weiß aber aus Ausschusssitzungen, dass der Senat die Gelegenheit nutzen wolle, mit dem neuen Haushalt so etwas wie „Flurbereinigung“ beim „Projekte-Wildwuchs“ zu betreiben. Denn eine Vielzahl von kleinen Projekten mache natürlich mehr Arbeit und Aufwand als eine Handvoll großer Projekte.
Der Abwicklungsaufwand würde sinken, zumal es zu wenige Mitarbeiter:innen in den Verwaltungen gibt. Lederer nennt diese Denke eine „typische Binnenperspektive der Verwaltung“. Beim Sonntags-Club zeige sich das exemplarisch. Dort eine Stelle einzusparen, sei „ein totaler Blindflug der Verwaltung“. Das leiste einer Zentralisierung im Trägerbereich Vorschub und das schade wiederum der Angebotsvielfalt.
Wie ginge es besser? Statt einzelne Angebote der queeren Projekte aus verschiedenen Töpfen zu fördern, müsste man endlich dazu übergehen, Vereinen wie dem Sonntags-Club „eine bestimmte Zuwendungssumme bereitzustellen, vielleicht auch mal über einen längeren Zeitraum.“ Und im Rahmen dieser Fördergelder könnten die Projekte ihre Angebote realisieren. Das würde den bürokratischen Aufwand (Stichworte Berichte und Abrechnungen) für beide Seiten erheblich schmälern.
„Die Leute, die entscheiden, dass diese eine Stelle im Sonntags-Club wegfallen soll, kennen den Sonntags-Club im Großen und Ganzen nicht“, sagt Lederer, „weil sie sich nur mit dieser einen Stelle beschäftigen. Aber der Sonntags-Club ist ein Organismus und da greifen die Dinge ineinander. Wenn man da eine Stelle einfach herausbricht, dann hat das Konsequenzen für die Gesamtkonstellation.“
Ohne Details zu kennen, wie Lederer betont, scheint es bei den Kürzungen „insbesondere kleinere, migrantische und queere Projekte zu betreffen, weniger Angebote der Gewaltprävention“. Er kritisiert die Vorgehensweise generell: „Man kriegt einen Anruf und bekommt gesagt: Wir streichen euch die Stelle. Das ist ein Unding und gänzlich inakzeptabel.“
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