Frauen-Fußballbundesliga: Fördern und Überfordern
Ein Drittel der Frauen-Bundesliga kämpft derzeit ums finanzielle Überleben. Vom Erfolgsstreben des DFB fühlen sich einige Vereine überfordert
BERLIN taz | Es sind wahrlich gewöhnungsbedürftige Ergebnisse. Der FCR Duisburg, der sich noch vor knapp vier Jahren nach dem Gewinn des Uefa-Cups als bester Verein Europas feiern lassen durfte, wird dieser Tage von den Großen der Frauenfußball-Bundesliga vermöbelt. Vergangenen Mittwoch setzte es eine 1:6-Niederlage bei Turbine Potsdam. Ein wenig besser konnte man am Sonntag beim 1. FFC Frankfurt den Schaden begrenzen (2:5).
Die schwerste Aufgabe wartet auf die Duisburgerinnen aber nun am Mittwoch, wenn der Tabellenführer VfL Wolfsburg zu Gast ist, der sich gerade für das Champions-League-Finale gegen Olympique Lyon qualifiziert hat. Bereits vor den Duellen mit den Eliteteams der Liga hatte Duisburgs Trainer Sven Kahlert erklärt: „Wenn wir da irgendwie irgendwo einen Punkt holen, wäre das eine Weltsensation.“
Fast immer rangierten die Duisburgerinnen in den letzten 19 Jahren in der Tabelle unter den besten drei. Hanns-Dieter Weber, der im Vorstand für den sportlichen Bereich zuständig ist, bilanziert, man habe sehr erfolgreich gearbeitet. Der Verein sei dadurch aber auch zum Erfolg verpflichtet gewesen, um die Substanz halten zu können. Diesem Zwang, räumt er selbstkritisch ein, sei man zu sehr gefolgt.
Weil 200.000 Euro in der Kasse fehlen, musste der Klub im Januar einen Insolvenzantrag stellen. „Einen großen Imageschaden“ für die Liga machte Potsdams Trainer Bernd Schröder damals aus. Dabei glaubten einige nach der WM-Euphorie im eigenen Lande 2011, die düsteren Zeiten, in denen klamme Traditionsklubs wie die SSG Bergisch Gladbach, der TSV Siegen oder der FSV Frankfurt von der Bildfläche verschwanden, seien vorbei.
Der Hauptsponsor springt plötzlich ab
Auch beim SC Bad Neuenahr, dem FF USV Jena oder dem VfL Sindelfingen klaffen derweil bedrohliche Etatlücken auf. Ein Drittel der Liga kränkelt. „Die Bundesliga ist nicht in ihrer Spitze, sondern in ihrer Breite in Gefahr“, sagt Potsdams Trainer Bernd Schröder. In Bad Neuenahr wird man den vor der Saison gekürzten Etat weiter beschneiden müssen, weil die Hauptsponsoren plötzlich ihr Engagement einstellten.
Ist die Frauenbundesliga in einer strukturellen Krise? Hanns-Dieter Weber ist davon überzeugt. Er fürchtet, dass mittelfristig die eigenständigen Frauenfußballvereine von den Filialen der Männerbundesligavereine verdrängt werden. Und er wünscht sich eine aktivere Rolle des Deutschen Fußball-Bunds (DFB) zum Schutz der kleineren Klubs. Das strengere Lizenzierungsverfahren, das der DFB auf seiner Bundesversammlung im Herbst verabschieden will, so Weber, sei eher dazu angetan, den befürchteten Prozess zu beschleunigen.
Beim DFB möchte man von einer strukturellen Krise in der Bundesliga nichts wissen. Heike Ullrich, die DFB-Abteilungsleiterin Frauenfußball, sagt, die Probleme, unter denen einige Vereine leiden, seien so unterschiedlich, dass man sie nicht mit einem Pauschalurteil erfassen könne.
Fragwürdige Hilfestellung
Das strengere Lizenzierungsverfahren betrachtet Ullrich als eine Hilfestellung für die Vereine zum vernünftigen Wirtschaften. „Wir wollen eine Plausibilitätsprüfung einführen, um uns erstmals durch eine neutrale Stelle bestätigen zu lassen: Stimmen die Zahlen oder stimmen sie nicht. Dies ist eine Chance, sich als Verein qualitativ fortzuentwickeln.“ Die Klubs würden nicht überfordert, sondern gefördert werden. Wie schmal der Grat zwischen beidem ist, darüber herrschen aber zwischen dem DFB und den Vereinen recht unterschiedliche Ansichten.
Stefan Gustav, der Vizepräsident vom SC Bad Neuenahr, sagt: „Die vom DFB geforderte Bilanzierung ist mit erheblichem Aufwand verbunden. Wir wünschen uns etwas längere Übergangsfristen. Wir sind stärker Verein als ein Unternehmen.“ Mit dem Erfolgsstreben des DFB kann so mancher nicht Schritt halten.
Weber erklärt, die intensive Vermarktung der Nationalspielerinnen durch den DFB habe auch Einfluss auf die Gehaltsstrukturen der Vereine. Die Forderungen der Auswahlspielerinnen wären nach der WM im eigenen Land gestiegen und der FCR Duisburg sei dem wirtschaftlich nicht mehr gewachsen gewesen.
In Bad Neuenahr bekommt man das momentan im Fall von Célia Okoyino da Mbabi zu spüren. Aus eigener Kraft, so Gustav, werde man eine Verlängerung des auslaufenden Vertrag der deutschen Nationalspielerin und Identitätsfigur des Vereins nicht mehr stemmen können. Entweder es gelingt ein gesonderter Sponsorendeal, oder es droht ein weiterer Qualitätsverlust.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
BSW und „Freie Sachsen“
Görlitzer Querfront gemeinsam für Putin
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
Wirtschaftsminister bei Klimakonferenz
Habeck, naiv in Baku
Aktienpaket-Vorschlag
Die CDU möchte allen Kindern ETFs zum Geburtstag schenken