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Franzose Aymoz vor der Eiskunstlauf-WMGroßer Künstler mit Nerven

Kévin Aymoz verzaubert sein Publikum. Doch Fehler bringen ihn schnell aus dem Konzept. Das soll bei der nun anstehenden WM in Boston anders werden.

Eine ganz eigene Eleganz: Kévin Aymoz bei der EM in Tallinn im Januar Foto: Ints Kalnins/reuters

Berlin taz | „Barfuß oder Lackschuh, alles oder nichts“ sang einst Harald Juhnke. Bei den Weltmeisterschaften im Eiskunstlauf diese Woche in Boston gibt es niemanden, zu dem dieser Titel besser passen könnte, als den 27-jährigen Franzosen Kévin Aymoz. „Volles Risiko“ geht auch er. Und anders als Juhnke ist es bei Aymoz nicht der Alkohol, den er nicht immer in Griff hat, sondern seine Nerven.

Aymoz kann alle seine Leidenschaft darein setzen, künstlerisch hochwertige Programme zu interpretieren, die nicht nur mit Vierfachsprüngen gespickt sind, sondern auch mit choreografischen Ideen, die man noch nicht gesehen hat. An seiner Choreografie wirkt er selbst mit. Er kann sein Publikum fantastisch verzaubern. Aber nach einem missratenen Sprung verliert er mitunter auch seinen Faden und strauchelt bis zum Ende seines Programms nur noch glücklos über das Eis. Das von dem Franzosen eingenommene Publikum leidet dann mit.

Vor zwei Jahren hat Kévin Aymoz den vierten Platz bei der Weltmeisterschaft belegt. Im vergangenen Jahr hat er nicht teilgenommen, nachdem er bei den Europameisterschaften bereits im Kurzprogramm nichts hinbekommen hatte und als 31. und Vorletzter zur anschließenden Kür nicht mehr antreten durfte. Denn dafür qualifizieren sich nur die besten 24 Läufer. Dabei hatte er gerade im letzten Jahr ein fantastisches Kürprogramm nach der Musik zu „Bolero“ erarbeitet, das zu Recht vom Weltverband ISU als „Most Entertaining Program“ der Saison ausgezeichnet wurde. Eventuell will er dieses Programm in der kommenden Olympiasaison noch einmal nutzen.

Ich habe jedes Mal, wenn ich einen kleinen Fehler gemacht habe, aufgegeben. Ich wollte die Perfektion so sehr, dass ein kleiner Fehler ein Riesending war

Kévin Aymoz

„Ich habe jedes Mal, wenn ich einen kleinen Fehler gemacht habe, aufgegeben. Ich wollte die Perfektion so sehr, dass selbst ein kleiner Fehler ein Riesending für mich war“, sagte er im Herbst in einem Interview mit der Fachzeitschrift Pirouette. Nach der letzten Saison war Kévin Aymoz in ein tiefes Loch gefallen. Er dachte nicht nur ans Aufhören mit dem Eislaufen, sondern mit dem Leben, wie er im Interview erzählte. Doch mithilfe seiner Familie, von Freunden und Trainern hat er sich aus dem Loch wieder herausgearbeitet.

Mehr Leben, weniger Training

Er konzentrierte sich zuerst auf andere Dinge, beendete sein Studium und lernte, selbst die Steuererklärung zu machen. Und er hat das Training umgestellt: Seit dieser Saison trainiert Kévin Aymoz nicht mehr nur in den USA, sondern zeitweise auch in der Schweiz und in Frankreich. Das ermöglicht ihm, in der Nähe von Familie und Freunden zu leben, die ihm Halt geben. Das Trainingspensum hat er reduziert, sich mehr private Zeit gegönnt und das Leben leichter genommen.

Sein Comeback in dieser Saison gelang mit zwei Silbermedaillen in der Grand-Prix-Serie im Herbst und dem Erreichen des Grand-Prix-Finales der besten sechs Eiskunstläufer der Welt. An die sprunggewaltigen Konkurrenten aus den USA und Japan, die sicher auch bei der WM die Medaillen unter sich ausmachen, reicht der französische Publikumsliebling nicht heran. Bei den Europameisterschaften im Januar ging es wieder in den Keller. Nicht so tief wie im Jahr zuvor: Nach einigen Fehlern bewegte sich Aymoz zwar einige Zeit unsicher über das Eis, aber er hat sich wieder gefangen und kam zum Schluss auf Platz 22. Barfuß oder Lackschuh? Wie wird sich Kévin Aymoz zur WM präsentieren?

Die ARD überträgt einige Wettkämpfe ab Mittwoch auf One als Zusammenfassungen und im Livestream auf sportschau.de. Auch Eurosport sendet von der WM.

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