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Französischer Polizist beim CastorDie Flic-Affäre

Ein französischer Elitepolizist ging beim Castortransport im Wendland gegen Demonstranten vor. Was ist eigentlich schlimm daran? Vier Fragen, vier Antworten.

Abzeichen "CRS". Im Netz findet sich eine ganze Bilderserie, auf der sich der Übergriff durch den Beamten ansehen lässt. Bild: Christian Jäger

Ein französischer Elitepolizist ging beim Castortransport im Wendland gegen Demonstranten vor. Jetzt ist die Aufregung groß. Wieso eigentlich? Was ist denn schlimm an Multikulti bei der Polizei?

Grundsätzlich nicht viel. Es ist nicht ungewöhnlich, dass bei großen Einsätzen Polizisten aus dem Ausland ihren deutschen Kollegen über die Schultern gucken. So wurde die deutsche Polizei im Wendland von Beamten aus Holland, Polen und Kroatien begleitet. Sie guckten zu und mischten sich nach jetzigem Kenntnisstand nicht in den Einsatz ein. Trotzdem ist ihre Anwesenheit nicht unumstritten. Der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein, der den Einsatz im Wendland beobachtete, kritisiert: Weder der Bund noch das Land Niedersachsen habe eine ausreichende Rechtsgrundlage für die Anwesenheit ausländischer Polizisten geliefert. Eindeutiger verhält es sich mit dem Vorgehen des französischen Beamten der Eliteeinheit CRS, sein Vorgehen war offenkundig rechtswidrig.

Warum bezieht sich ein Großteil der Kritik auf den tatkräftigen Einsatz des CRS-Beamten?

Er verließ seinen Beobachterstatus; räumte Demonstranten von den Schienen, fuhr einen Teleskopschlagstock aus. Aus einem internen Vermerk der Gesamteinsatzleitung der Polizei geht zudem hervor, dass sie über den Einsatz des CRS-Beamten nicht informiert war. „Ihr war auch während des laufenden Einsatzes nicht bekannt, dass französische Beamte Einsatzmaßnahmen in Uniform und mit Ausstattung durchgeführt haben“, so heißt im Papier, das der taz vorliegt. Es scheint so, als ginge diese besondere Form der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit auf einen Alleingang der Bundespolizei zurück. Die Gesamteinsatzleitung, die Polizei Lüneburg, wurde übergangen und zeigt sich nun wenig erfreut. Die Bundespolizei verteidigt das tatkräftige Eingreifen ihres französischen Kollegen. Er habe aus Nothilfe gehandelt, so ein Sprecher.

Das Bundesinnenministerium und die Bundespolizei behaupten, der französische CRS-Polizist habe aus Nothilfe gehandelt. Nothilfe, was ist das eigentlich?

Nothilfe ist eine Art erweiterte Notwehr. Wenn sich jemand, im Sinne der zulässigen Notwehr, nicht gegen einen Angriff verteidigen kann, darf ihm ein Dritter helfen - im Sinne der zulässigen "Nothilfe". Der Angegriffene muss folglich derart bedrängt sein, dass er nicht mehr fähig ist, sich angemessen selbst zu verteidigen. Die umfangreiche Bilderserie im Internet, die das Vorgehen des französischen Polizisten dokumentiert, lässt jedoch einen anderen Eindruck entstehen: Der CRS-Beamte greift ins Geschehen ein, während seine Kollegen von der Bundespolizei im Hintergrund stehen und zugucken; von Bedrängnis und Not ist nichts zu sehen.

Welche Folgen hat das umstrittene Eingreifen des CRS-Beamten?

Der Berliner Rechtsanwalt Christoph Müller hat das Vorgehen des französischen Beamten im Wendland beobachtet. Vor Ort erstattete er beim zuständigen Zugführer Anzeige gegen den CRS-Polizisten. Der Vorwurf: Amtsanmaßung und Verstoß gegen das Waffengesetz. Die Anzeige wird, wenn alles seinen geregelten Gang geht, in den nächsten Wochen bei der zuständigen Polizeidirektion Lüneburg eingehen. Schlussendlich entscheidet die Staatsanwaltschaft Lüneburg, ob gegen den französischen CRS-Polizisten Anklage erhoben wird.

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13 Kommentare

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  • V
    vic

    Wir sollten uns künftig auch Beobachter aus Frankreich einladen. Die verfügen über reichlich Erfahrung mit der CRS.

  • M
    Max

    Ich sehe das genau so wie tom.Auf den Bildern,die den Einsatz des franz Polizisten eindeutig belegen,ist zu erkennen,dass weitere deutsche Polizisten in der Umgebung waren.Eben diese haben nicht eingegriffen,und dem franz. Polizisten klar gemacht,dass er eine Straftat begeht,geschweige denn ihn daran gehindert.

  • B
    Belzebub

    Als erstes bekommt der Herr Müller die standardisierte Gegenanzeige für sein "Aufbegehren": Widerstand gegen die Staatsgewalt, oder Behinderung derselben.

    Und dann in vielleicht 2 Jahren, erfahren wir, dass der französische Polizist freigesprochen wird, während Herr Müller die vollen Konsequenzen für seinen Widerstand gegen die Staatsgewalt tragen darf.

    Läuft doch immer so.

  • M
    Maika

    "Die Anzeige wird, wenn alles seinen geregelten Gang geht, in den nächsten Wochen bei der zuständigen Polizeidirektion Lüneburg eingehen."

     

    Danach kommt sie erstmal auf einen Stapel mit anderen Vorgaengen und wird in ein paar Jahren vielleicht von uns bearbeitet.

     

    Und wenn alles seinen sozialistischen Gang geht, koennen wir uns dann nicht mehr erinnern, was sie ueberhaupt wollten.

  • T
    Toby

    Nun mal ernsthaft.

    Das Verbrechen, um das es an dem Wochenende ging, ist und bleibt das sogenannte "Endlager". Der französische Polizist hat zwar ohne Rechtsgrundlage gehandelt und das sollte ihm notfalls ein Richter, auf jeden Fall aber sein Dienstherr mit dem nötigen Nachdruck erklären. Aber daneben ist mir eigentlich nur wichtig, ob er irgendwas getan hat, was ein deutscher Polizist nicht fünf Minuten später völlig rechtskonform genauso getan hätte.

    Es bleibt ein Erfolg, daß es auf beiden Seiten so wenig Gewalt gab. Gemessen an dem, was realistisch zu befürchten gewesen wäre. Und sicher muß man jeden einzelnen verfolgen, der unverantwortlich gehandelt hat. Aber jetzt gleich wegen eines übereifrigen Bullen den Polizeistaat herbeireden, wie es gestern schon in vielen Leserkommentaren geschah?

  • R
    reinmar

    Ein (Polizei)Beamter, sowohl im Dienst als auch privat, ist angehalten und verpflichtet, Gesetzesverstöße aufzunehmen und ihnen nachzugehen.

     

    Wieso darf ein Kollege gesetzeswidrig handeln, ohne dass es einen der direkt danebenstehenden Beamten juckt?

     

    Wie "tom" bereits sagte: Hier hat sich nicht nur der "Flic" schuldig gemacht. Aber da es sich ja um Polizei handelt... die dürfen eh alles.

    Dem Bürger kann man ja ruhig den Schlagstock ins Gesicht drücken, es passiert einem sowieso nichts.

     

    Pfui Teufel.

  • V
    vic

    Hallo taz Redaktion, bitte bleibt an der Sache dran.

  • S
    Suksessivbefreiung

    Wir bräuchten eine unabhängige juristische Instanz, welche sich außschließlich mit den Exekutivorganen befasst. Die Staatsanwaltschaften scheinen hierfür mit der Polizei zu eng verbandelt zu seien, leider.

    Demokratie muss sich weiterentwickeln um nicht zu zerfallen!

  • W
    wolfgm

    Vielleicht ist dies ja der Anfang vom Ende unserer Demokratie.

    Es könnte ja sein das deutsche Polizeibeamte nicht mehr bereit sind als Schlägertruppe für die Energie-Konzerne und der Lobbylistenpolitik her zuhalten.Dann holen die sich die Polizei aus Polen Tschechen oder sonst wo,im Rahmen von Europa da kann man ja alles mögliche hinter Verstecken.Und falls mal am Beamtenstatus gekratzt wird (Pension usw.)und die Beamten anfangen zu demonstrieren.Haben sie dann die passenden Schläger als Amtshilfe oder Befriedung ,wie immer das zu nennen ist.

  • T
    Thomas

    Hallo, warum lautet die Anklage Amtsanmaßung und Verstoß gegen das Waffengesetz? Was ist das Basisgesetz dafür?

    Grüße

  • C
    Christine

    Hallo, diese Infos sind nicht neu!

    Es gibt sogar ein Video, das zwei Stunden vor den Fotos aufgenommen wurde. siehe folgenden Link:

    http://www.lejdd.fr/International/Europe/Actualite/Convoi-nucleaire-Des-policiers-francais-sont-intervenus-en-Allemagne-233216/

    Das Video ist gekürzt.

    Es zeigt möglicherweise einen zweiten französischen Polizist

  • H
    harald

    Für die Polizei und unsere Politiker ist die Forderung nach rechtsstaatlichen Verhalten offenbar eine Einbahnstraße, die immer nur für die bösen Demonstranten gilt.

     

    Selber Gesetze brechen ist offenbar völlig "legal".

  • T
    tom

    Ich bin nicht naiv genug, um zu glauben, dass die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wirklich zu einer Anklage führen werden.

     

    Nichtsdestotrotz geht mir die Anzeige alleine gegen den Flic nicht weit genug. Meines Erachtens müßte es disziplinarrechtliche Ermittlungen gegen sämtliche Polizisten der dort eingesetzten Hundertschaft geben. Den Körpereinsatz des französichen Beamten müssen wenigstens 10 deutsche Beamte bemerkt haben und sind nicht eingeschritten, den Übrigen dürfte zumindest die aktive Bewaffung (Dienstpistole) des Flics nicht verborgen geblieben sein, ohne dass sie Anzeige erstatteten.

     

    Aber naja....