Franziskus in Indonesien: Papst wirbt für Dialog mit Islam
Bei seinem Besuch im mehrheitlich muslimischen Indonesien spricht sich Papst Franziskus gegen religiösen Extremismus und Intoleranz aus
Der Dialog mit dem Islam in Indonesien als größte sunnitisch-islamische Nation der Welt ist das Hauptanliegen des 87-jährigen Pontifex. „Auf diese Weise können Vorurteile abgebaut werden und ein Klima gegenseitigen Respekts und Vertrauens entstehen, das für die Bewältigung gemeinsamer Herausforderungen unabdingbar ist“, sagte Franziskus bei einem Treffen mit Präsident Joko Widodo und nannte als gemeinsames Ziel von Christentum und Islam den Kampf gegen „Extremismus und Intoleranz“. Die versuchten, „sich mithilfe von Täuschung und Gewalt durchzusetzen, indem sie die Religion verfälschen“.
Kathedrale und Moschee stehen sich in trauter Nachbarschaft gegenüber und sind jetzt durch einen eigens zum Papstbesuch erbauten „Tunnel der Freundschaft“ verbunden. Fährt der gebrechliche und im Rollstuhl sitzende Franziskus am Donnerstag durch den Tunnel zur Moschee? „Das wird noch diskutiert“, sagt ein Sprecher des Organisationskomitees.
Von hohem Symbolwert wird das Dokument der religiösen Harmonie für die säkulare und multireligiöse Republik Indonesien sein, das Papst und Großimam am Donnerstag unterzeichnen wollen.
Tradition religiöser Harmonie mit aktuellen Fragezeichen
Indonesiens Verfassung garantiert Religionsfreiheit für die sechs offiziell anerkannten Religionen Islam, Buddhismus, Hinduismus, Konfuzianismus, Katholizismus und Protestantismus. Nicht anerkannt sind indigene Religionen mit etwa 20 Millionen Gläubigen. Die 24 Millionen Christen, darunter sieben Millionen Katholiken, sind eine Minderheit.
Yahya Cholil Staquf, Vorsitzender der rund 80 Millionen Mitglieder zählenden islamischen Massenorganisation Nahdlatul Ulama (NU) beschreibt gegenüber der taz Indonesien als Nation religiöser Toleranz und Harmonie.
Das stimmt einerseits, andererseits wurden in Indonesien laut dem Setara Institute for Democracy and Peace in Jakarta von 2007 bis 2023 mehr als 570 Fälle gewaltsamer Auflösung von Gottesdiensten, Einschüchterungen von Angehörigen religiöser Minderheiten und Vandalismus und Brandstiftungen an Gotteshäusern durch Islamisten registriert.
Betroffen waren vor allem Christen, aber auch die als Abtrünnige geltenden islamischen Minderheiten der Schiiten und Ahmadiya.
Islamisten der militanten Islamischen Verteidigungsfront (FPI) und der salafistischen Hizb ut-Tahrir wurden unter Präsident Susilo Bambang Yudhoyono (2004–2014) einflussreich, infiltrierten Politik und islamische Organisationen. Ihr größter Erfolg war die Kampagne gegen Jakartas christlichen Gouverneur „Ahok“ Basuki Tjahaja Purnama wegen angeblicher Blasphemie. Das kostete ihn 2017 die Wiederwahl und brachte ihm zwei Jahre Haft.
Machtkämpfe mit Islamisten
Die vorerst letzte Machtdemonstration der Islamisten war 2019 ihr Bündnis mit dem damaligen Oppositionskandidaten Prabowo Subianto. Wiedergewählt wurde Joko Widodo, der seine zweite und letzte Amtszeit für das Zurückdrängen der Islamisten nutzte. FPI und Hizb ut-Tahrir wurden verboten. Die durch die Terroranschläge in Bali bekannte Gruppe Jemaah Islamiyah (JI) erklärte im Juli 2024 ihre Selbstauflösung.
Vertreter eines moderaten Islams gelangten an die Schalthebel von Politik und Religion. Darunter ist der Großimam, den Andreas Harsono von Human Rights Watch als „progressiven Muslim“ beschreibt, der sich unter anderem für Frauenrechte einsetzt. „Das ist vielen konservativen Muslimen ein Dorn im Auge“, so Harsono.
Vertreter des moderaten indonesischen Islam prägten den Begriff des „Islam Nusantara“ (Islam des indonesischen Archipels). Das sei ein in die alten Traditionen Indonesiens eingebetteter Islam und kein „konservativer Islam“ saudi-arabischer Prägung, sagt Yahya Cholil Staquf.
Im Oktober tritt der im Februar gewählte Ex-General Prabowo die Nachfolge von Widodo als Präsident an. Prabowo belastet nicht nur seine frühere Nähe zum Diktator Suharto, sondern auch die zu einem sehr konservativen Islam. Harsono mahnt: „Die Islamisten sind vielleicht im Moment zum Schweigen gebracht worden, aber sie können jederzeit wiederaufleben.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Vorsicht mit psychopathologischen Deutungen
Kochen für die Familie
Gegessen wird, was auf den Tisch kommt
Insolventer Flugtaxi-Entwickler
Lilium findet doch noch Käufer
Polizeigewalt gegen Geflüchtete
An der Hamburger Hafenkante sitzt die Dienstwaffe locker
Lohneinbußen für Volkswagen-Manager
Der Witz des VW-Vorstands
US-Interessen in Grönland
Trump mal wieder auf Einkaufstour