Frankreichs neuer Premierminister: Monsieur Sowohl-als-auch
Jung und erfahren, langjähriger Sozialist und respektiert bei den Rechten. Gabriel Attal verkörpert die urspüngliche Macron'sche Regierungspolitik.
Alles soll jetzt rasch gehen: Die Amtsübergabe zwischen Élisabeth Borne und Gabriel Attal erfolgte drei Stunden nach der Ankündigung der Nominierung des Premiers, der nun so schnell wie möglich ein Ministerkabinett zusammenstellen soll, das den Segen von Präsident Macron erhält und dem Look einer Erneuerung entsprechen soll. Die Verfassung lässt ihm dazu alle Zeit. Letztlich wird erst die Zusammensetzung der neuen Regierung Aufschluss über eine allfällige Kursanpassung geben.
Attal wurde erst im Juli 2023 zum Erziehungsminister ernannt und galt als das populärste Regierungsmitglied. Als bekannt wurde, dass Élisabeth Borne ihren Rücktritt einreicht, zirkulierte sein Name sogleich als Favorit für die Nachfolge. Schließlich entsprach er dem Profil, das Macron vom Wunschnachfolger seiner bisherigen Regierungschefin durchsickern ließ: ein politisch völlig loyaler und hochqualifizierter Politiker, der mit seinem Image einen Neubeginn verkörpern könnte und gleichzeitig mit allem Bisherigen gut auskommt.
Der im Pariser Vorort Clamart 1989 geborene Attal kennt sich im Staatsapparat bereits gut aus. Er war Sprecher des Präsidentschaftskandidaten Macron, später Staatssekretär und Regierungssprecher, Staatshaushaltsminister und zuletzt Erziehungsminister. Zehn Jahre lang war er Mitglied des Parti Socialiste, bevor er sich 2016 der von Macron gegründeten Bewegung „En marche“ anschloss.
Homosexualität von Attal spielt keine Rolle
Nicht zuletzt wegen des Verbots des als religiös interpretierten Überkleids Abaya in den Schulen und seiner ministeriellen Kampagne gegen Mobbing unter Jugendlichen genießt er auch unter Rechten gewisse Sympathien. Die ersten Reaktionen auf seine Ernennung aus den Reihen der Konservativen (LR) klingen zurückhaltend bis erwartungsvoll. Der Vorsitzende der LR-Fraktion im Senat, Bruno Retailleau, meinte, er wolle Attal aufgrund seiner Tätigkeit beurteilen.
Öffentlich kein großes Thema ist es, dass Frankreich einen Premierminister bekommt, der offen dazu steht, sein Privatleben mit einem Mann, dem EU-Abgeordneten und Ex-Präsidentenberater Stéphane Séjourné, teilt. Dies darf als Zeichen eines Fortschritts im Kampf gegen die Homophobie in Frankreich gewertet werden.
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