piwik no script img

Frankreichs Sozialisten in BedrängnisAffäre bedroht Regierungsführung

Alles Lüge: Ex-Haushaltsminister Jérôme Cahuzac hat zugegeben, doch ein illegales Auslandskonto zu besitzen. Der Imageschaden für Präsident Hollande ist enorm.

Jérôme Cahuzac (l.) nach seiner Abdankung als Haushaltsminister. Bild: ap

PARIS taz | Der frühere französische Haushaltsminister Jérôme Cahuzac hat am Dienstagabend auf seinem Webblog gestanden, seit zwanzig Jahren ein vor dem Steueramt verheimlichtes Bankguthaben zu besitzen, wie dies das Online-Magazin Mediapart behauptet hatte, ohne bisher wirklich schlüssige Beweise zu liefern.

Cahuzac hatte zunächst die Existenz eines solchen Kontos monatelang vehement und kategorisch abgestritten. Nachdem vor zwei Wochen die Staatsanwaltschaft dennoch eine gerichtliche Voruntersuchung anordnete, reichte Cahuzac seinen Rücktritt ein, um – wie er sagte – die Regierung nicht unnötig zu belasten und sich ganz der Verteidigung seiner Ehre widmen zu können.

Offenbar wusste er, dass ihm die Justiz auf die Schliche kommen würde. Auf Anraten seines Anwalts ging er von sich aus zum Untersuchungsrichter, um ein volles Geständnis abzulegen. Er bestätigte dabei, dass er dem Fiskus die Existenz von rund 600.000 Euro vorenthalten hat, die sich derzeit in Singapur befinden.

Bei Präsident François Hollande und den Regierungskollegen versuchte er sich für den absehbaren politischen Imageschaden, den er angerichtet hat, zu entschuldigen. Er sei in eine ausweglose „Lügenspirale“ geraten und wäre jetzt von Selbstvorwürfen und Reue am Boden zerstört, teilte er mit.

Es drohen fünf Jahre Haft

Gegen Cahuzac wird nun wegen Geldwäscherei im Zusammenhang mit Steuerbetrug ermittelt. Er riskiert bei einer Verurteilung eine Gefängnisstrafe von bis zu fünf Jahren. Seine Karriere als Politiker dürfte ohnehin beendet sein, denn Steuerbetrug durch einen Mann, der als Minister für die Jagd auf Steuerflüchtlinge zuständig war, ist schon schlimm genug, aber noch weit gravierender ist es für die französische Öffentlichkeit, dass er die ganze Nation belogen und betrogen hat.

Am Fernsehen sagte Premierminister Jean-Marc Ayrault am Dienstagabend, er sei wie die anderen aus allen Wolken gefallen. Der Schock in Frankreich ist gewaltig. In einem Communiqué sprach Präsident Hollande von einem unverzeihlichen moralischen Fehler. Er weiß nur zu gut, dass der Skandal auf ihn und seine Regierung zurück fallen wird.

Im Namen der Opposition verlangte der frühere Parlamentspräsident Bernard Accoyer eine offizielle Entschuldigung durch Hollande. UMP-Parteichef Jean-François Hollande meinte, der Präsident sei entweder naiv gewesen oder aber er habe in sträflicher Weise bei der Kontrolle des von ihm nominierten Ministers versagt.

Cahuzac präsentierte sich als Opfer

Dass Lügen kurze Beine haben, das hätte auch Jérôme Cahuzac wissen müssen. Und zwar nicht erst, als er im Juni 2012 bei der Regierungsbildung von seinem langjährigen Parteifreund und neuen Präsidenten Hollande das Amt des Haushaltsministers akzeptierte und dabei wie alle Kabinettsmitglieder eine Erklärung unterzeichnete, in der er seine Unbescholtenheit bescheinigte und versprach, sich als Minister beispielhaft zu verhalten.

Die letzte Chance sich noch einigermaßen ehrenhaft aus der Affäre zu ziehen, hatte Cahuzac, als dank Enthüllungen des Online-Magazins Mediapart ruchbar wurde, dass er möglicherweise bis 2010 über ein verheimlichtes Bankkonto bei der UBS in Genf verfügt habe. Er dachte wohl, die Beweise, über die Mediapart verfügte, seien zu dünn. Und er protestierte, er sei Opfer einer Verleumdung und beteuerte schließlich vor Kameras in allen Medien und vor den Abgeordneten der Nationalversammlung, er habe zu keinem Zeitpunkt ein nicht deklariertes Bankguthaben im Ausland gehabt.

Vergleich mit dem Fall Strauss-Kahn

Er spielte seine Rolle des zu Unrecht Verfolgten so gut, dass ihm Präsident Hollande, Premierminister Jean-Marc Ayrault und alle Parteifreunde, aber auch ein großer Teil der öffentlichen Meinung Glauben schenkte. Man begann bereits aufgrund der Quellen der Anschuldigungen zu vermuten, dass gewisse Oppositionspolitiker oder die Scheidungsanwältin und übereifrige Privatdetektive seiner Ex-Gattin hinter der Intrige stecken könnten.

Gegen Cahuzac sprach eine Tonbandaufnahme, auf der eine dem Ex-Minister zugeschriebene Stimme von einem lästigen Konto bei der UBS sprach, dann gab es Gerüchte über eine dubiose Reise nach Genf 2010 und den Verdacht eines ehemaligen Steuerinspektors.

Vielleicht wäre Cahuzacs Rechnung sogar aufgegangen, wenn nicht Mediapart seiner Sache zu sicher gewesen und hartnäckig geblieben wäre. Jetzt aber muss er für Spott und Häme nicht sorgen. Wegen seiner faustdicken Lügen wird er schon als „Pinocchio“ karikiert. Die Zeitung Midi Libre zog aber auch schon einen Vergleich mit der Affäre um den EX-IWF-Chef Dominique Strauss-Kahn: „Zwei Lügen, zwei von der Justiz belangte Politiker, zwei enorme Pleiten und eine vom Verrat erniedrigte politische Führung.“

Die Zeitung L'Alsace prophezeit, dass Cahuzac mit seinem Skandal die Staatsspitze in seinen Fall mit reißen werde: „Diese Wende (im Fall Cahuzac) ist dennoch vernichtend für den Präsidenten, der diesem verwundbaren Mann sein Vertrauen geschenkt hatte.“

Inzwischen haben die Sozialisten Cahuzac aus der Partei ausgeschlossen. Am Mittwoch erklärte Parteichef Harlem Désir, „Er hat sich de facto aus der sozialistischen Partei ausgeschlossen. Er ist von nun an kein Mitglied mehr." Désir forderte den Ex-Minister auch auf, seine Abgeordnetenmandate niederzulegen. Gleichzeitig warnte er die Opposition davor, den Fall für Attacken auf Präsident François Hollande zu instrumentalisieren.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!