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Frankreichs Parlament stimmt abKlares Votum für Palästina

Eine klare Mehrheit der französischen Nationalversammlung ist für die Anerkennung eines palästinensischen Staats. Doch die Abstimmung ist nicht bindend.

Mitglieder der Jewish Defense League protestieren während der Abstimmung vor dem französischen Parlament. Bild: dpa

PARIS taz | Die französische Nationalversammlung hat sich am Dienstag in einer Resolution für die Anerkennung des palästinensischen Staates ausgesprochen. Mit 339 gegen 151 Stimmen fordern die Abgeordneten darin die Pariser Regierung auf, in diesem Sinne in der Nahost-Diplomatie zu agieren und politisch zusammen mit den EU-Partnern Druck auf Israel zu machen.

Nach Schweden und Großbritannien soll laut dieser Resolution auch Frankreich Palästina offiziell als Staat anerkennen. Dieser parlamentarische Vorstoß hat vor allem symbolische Bedeutung – er ist für die Regierung nicht verbindlich, denn die Diplomatie ist in Frankreich eine exklusive Domäne der Exekutive.

Der Abstimmung war am Freitag bereits eine hitzige Grundsatzdebatte über die Opportunität dieser politischen Resolution und einer Anerkennung Palästinas überhaupt vorausgegangen. Die Opposition hegt den Verdacht, die Sozialisten wollten mit dem Thema Palästina in Wirklichkeit Innenpolitik machen und mit ihrem plötzlichen Eifer verlorene muslimische Wähler zurückgewinnen.

Der Fraktionssprecher der konservativen UMP, Christian Jacob, bezeichnete es vor dem Votum noch einmal als „großen Fehler“, sich jetzt für den palästinensischen Staat auszusprechen. Wer Palästina heute anerkenne, billige damit den Terrorismus der „Hamas“, wurde aus den Reihen der UMP kritisiert.

„Ihr importiert einen Konflikt“, hatte ein UMP-Vertreter der Auslandsfranzosen, der in Israel lebende Meyer Habib, seine Landsleute in Paris gewarnt. Unter einigen Buhrufen machte er geltend: „Die Verabschiedung des Antrags bedeutet nichts anderes, als den Terrorismus als legitimes politisches Druckmittel anzuerkennen. Mit der Anerkennung des palästinensischen Staates sagt man der Hamas: ,Ihr könnt weiter töten'!“

Und um die Propalästinenser im Saal erst recht zu provozieren, fügte er an: „Jerusalem ist seit 3.000 Jahren die Hauptstadt des jüdischen Volks." Gilbert Collard sagte im Namen des Front National: Wer unter den gegebenen Umständen Palästina als Staat anerkenne, „küsse“ die Hamas.

Es geht nur noch um die „Modalitäten“

Außenminister Laurent Fabius hatte zu diesen Einwänden erklärt, es gehe letztlich weniger ums Prinzip, da fast alle grundsätzlich für einen palästinensischen Staat wären, sondern um die „Modalitäten“ und den Zeitpunkt der Anerkennung. Die Regierung möchte sich das Tempo und die Taktik nicht von den Parlamentariern diktieren lassen.

„Man wird immer sagen, es sei nicht der richtige Moment“, meinte dazu der Sozialist Razzy Hammadi. Er ist wie seine ParteikollegInnen überzeugt, dass der Zeitpunkt für diese Initiative gerade darum gut sei, weil die Situation im Nahen Osten verfahren und der Friedensprozess blockiert ist.

Der Vorschlag der Sozialisten wurde fast geschlossen von den Grünen, Kommunisten und Linkspartei unterstützt, die Vertreter der rechten Opposition stimmten mehrheitlich dagegen oder enthielten sich der Stimme.

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10 Kommentare

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  • Die Gewalt gegen Juden in Frankreich nimmt stetig zu. Das uneingeschränkte französische Votum für Palästina wird diese Gewalt noch mehr beflügeln und die Zahl der französischen Juden, die Frankreich den Rücken kehren, erhöhen. Europa tut sich damit keinen Gefallen.

    04122014; 15:00

  • 4G
    4932 (Profil gelöscht)

    Kompliment für Ihr historisches Wissen. Ich fürchte nur, daß die bald fällige Neuwahl der Regierung eine israelische Protestwahl sein wird. Die allmähliche Neigung der Europäer, Palästina als Staat anzuerkennen wird warscheinlich zu einer ultrarechten Regierung führen und alles wird noch viel schlimmer werden. Und ob sich Israel dann 'eine von der UNO geschützte Bildung eines palästinensischen Staates' aufdrücken läßt, wage ich sehr zu bezweifeln. Ich hätte gehofft, daß sich Europa recht geschlossen zu einer Anerkennung Palästinas entscheidet und Israel endlich einmal zu verstehen geben würde, daß es so nicht weiter gehen kann. Israel versteht und akzeptiert dies noch nicht.

    • @4932 (Profil gelöscht):

      die ultra-rechte, also messianisch-revisionistisch-zionistische regierung nach den neu-wahlen in Israel gibt's sowieso. egal wie das französische parlament abgestimmt hat.

      aber vielleicht begreift jetzt die eine oder andere europäische regierung, dass parlamentarierinnen nicht mehr dabei mitspielen, zionismus zur staatsräson zu machen.

    • @4932 (Profil gelöscht):

      "Israel versteht und akzeptiert dies noch nicht."

       

      Israel versteht und akzeptiert nicht, dass die Europäer das Pferd von hinten aufzäumen. Die Europäer machen es sich sehr einfach. Sie erkennen ein noch gar nicht vorhandenes Land an und glauben, dass sich damit alle Probleme von alleine lösen. Den Palästinensern wird es gut gehen und die Israelis werden in Ruhe und Frieden leben können. Mitnichten. Die Gewalt der Araber gegen Juden in Israel ist nicht damit begründet, dass es keine Zweistaatenlösung gibt, sondern dass es keine Einstaatenlösung gibt und diese Einstaatenlösung heißt für die Hamas und andere radikale Gruppierungen nunmal Palästina - ohne Juden.

  • 1G
    1393 (Profil gelöscht)

    "Mit der Anerkennung des palästinensischen Staates sagt man der Hamas: ,Ihr könnt weiter töten'!“

     

    Nein, dass ist doch absoluter Schwachsinn. Mit der Anerkennung sagt man:

     

    "Ihr braucht nicht mehr töten, um für eure Menschenrechte und gegen die an euch begangenen Verbrechen zu kämpfen"

     

    Wenn auch die USA endlich aufhört, eure UN Anerkennung zu blockieren, und nicht mehr Israel bei der Ausübung seiner Menschenrechtsverbrechen davor schützt, dass die PÜalästinenser beim IGH gegen diese Verbrechen angehen, könnt ihr endlich nach 40 Jahren Israelischer Ausbeutung und Raubgewalt beim IGH euer Recht durchsetzen.

     

    Leider ist es ja so, dass die USA (leider mit der polit. Unterstützung Deutschlands) immer noch dafür sorgen, dass die Paläöstinenser Schutzlos israelischen Verbrechen ausgeliefert sind und einzig den Kampf wählen können, anstatt die Verbrechen Israels beim IGH ahnden zu lassen.

    • @1393 (Profil gelöscht):

      Wer glaubt, dass die Palästinenser ab sofort nur noch in juristische Schamützel ziehen werden ist nicht mal mehr Naiv..

       

      ..hinter dem Ruf nach Frieden verstecken sich halt die Mörder.

       

      Wenn Sie was für "die" Palästinenser tun wollen, stellen Sie erstmal Geschlechtergleichheit her, das und nur das ist das Hindernis auf dem Weg zum Frieden.

      • @Lee Thompson:

        Das Problem ist wohl etwas vielschichtiger als sie es hier beschreiben. Die Palästinenser werden von israel. Seite wirtschaftlich klein gehalten, haben deutlich weniger Wasser pro Kopf zur Verfügung und werden systematisch ausgegrenzt und enteignet (Stichwort Siedlungsbau). Es gibt keinerlei rechtliche Handhabe auf Seiten der P. dies zu stoppen, da Sie eben kein anerkannter Staat sind. Sollte dies jetzt bald geschehen, und das ist längst überfällig, haben die Palästinenser auch eine rechtliche Alternative zur Gewalt. Übrigens würde ich vorsichtig sein mit Verallgemeinerungen, nicht alle P. sind Attentäter und nicht alle Israelis sind Enteigner. Also Ball flach halten und Lösungsansätze liefern und da ist die Anerkennung P. ein sehr guter Schritt. Das sich Deutschland da nicht anschliesst war zu erwarten, dazu ist das Duckmäusertum hierzulande viel zu ausgeprägt.

        • @desertsand:

          Duckmäusertum würde ich es nicht nennen. Sondern Verantwortung für Israel aufgrund dessen, was das frühere Deutschland den europäischen Juden angetan hat. Wollen Sie wirklich, dass das heutige Deutschland ohne Wenn und Aber ein Land Palästina akzeptiert, dessen Führung eine Einstaatenlösung (Palästina) anstrebt und die Existenzberechtigung Israels an Ort und Stelle nicht anerkennt?

          04122014; 14:55

  • Israel und Palästina sollten nach dem 2. Weltkrieg zu eigenständigen Staaten erklärt werden. Der Völkerbund hatte dies schon in den 30er Jahren beschlossen, denn vorher war das Gebiet eine türkische Provinz des Osmanischen Reiches. Vor 100 Jahren teilten sich Großbritannien und Frankreich das Gebiet. Charles de Gaulle plädierte für einen Staat mit allen religiösen Gruppen und so kam der Libanon zustande. Die einzige Volksgruppe ohne einen selbständigen Staat waren die in Palästina lebenden semitischen Araber. Erst unter jordanischer Herrschaft, danach 1967 als Besatzungsgebiet Israels.

    Als ich im vergangenen Monat mit einer Friedensgruppe in Israel war, christliche Friedensschulen, Einrichtungen wie Neve Shalom und diverse Kibbutzim besuchte, wurde mir besonders deutlich, dass die Konflikte im Westjordanland nur gelöst werden können, wenn es eine von der UNO geschützte Bildung eines palästinensischen Staates gibt, der auch die wirtschaftlichen Ressourcen des Landes nutzt, Arbeitsplätze schafft und mit der Hilfe von Israel, den USA und Europa die Lebensqualität seiner Bürger erhöht. Nur dadurch kann der Terrorismus verhindert werden. Nicht durch Gewalt, und Isolation, wie sie dort tatsächlich geschieht. Ich konnte dieses Drama mit eigenen Augen sehen. Ich hätte solches Elend nicht für möglich gehalten.

    • @Johannes Spark:

      Sehr guter Beitrag!