Frankreichs Kandidat für EU-Kommission: Macrons zweite Wahl
Der französische Präsident schlägt Ex-Finanzminister Thierry Breton als EU-Kommissar für Industriepolitik vor. Breton gilt als Costkiller.
Er hat sowohl in der staatlichen als auch privaten Wirtschaft Karriere gemacht und den Ruf, die von ihm geführten Unternehmen modernisiert zu haben. Die Gewerkschaften verweisen darauf, dass Breton bei Thomson oder France Télécom auch als Costkiller in Erscheinung getreten sei.
Auch als Wirtschafts- und Finanzminister unter Präsident Jacques Chirac von 2005 bis 2007 trat er für eine Senkung der Staatsausgaben ein. Bei seinem Amtsantritt 2005 hatte er erklärt: „Frankreich lebt über seine Verhältnisse.“ Die EU, die auf die Einhaltung der Maastricht-Kriterien drängte, applaudierte.
Breton ist kein Buchhalter, sondern ein Elektronikingenieur, der sich für die zukunftsgerichtete Entwicklung der Informatik und die Digitalisierung der Kommunikation und Dienstleistungen für Unternehmen interessiert. Eine seiner frühesten Aufgaben bestand in der Konzeption des Technologie-Vergnügungspark „Futuroscope“ in Poitiers. Danach war er an der Sanierung von Informatikfirmen (CGI, Bull, Thomson) beteiligt und leitete 2004 die Privatisierung des Staatsunternehmens France Télécom (heute Orange).
Posten sichern
Seit 2009 ist er Vorsitzender des Software- und Service-Unternehmens Atos, in das er sukzessive Siemens IT Solutions, den früheren Computerkonzern Bull oder Bereiche von Xerox integriert und ein Programm zur Entwicklung von Quantencomputern gestartet hatte. Breton wäre zweifellos qualifiziert, um die Digitalisierung der EU-Kommission zu organisieren.
Was für Macron aber am meisten zählt, ist eine Kandidatur, die es ihm erlaubt, diesen ursprünglich für Goulard maßgeschneiderten Schlüsselposten in der Kommission mit den weitgehenden Kompetenzen für Frankreich zu sichern. Es geht ihm dabei auch um seinen Einfluss. Ein geschrumpfter Sitz in der Kommission für Frankreich wäre für ihn nach dem Scheitern von Goulard eine zweite und noch schlimmere Niederlage.
Die Gefahr eines solchen Desasters dürfte für Macron dank der Nominierung von Breton gebannt zu sein. Zu Breton gab es nicht viele Alternativen: Der heutige Wirtschaftsminister Bruno Le Maire wollte nicht und der derzeitige Brexit-Chefunterhändler Michel Barnier war Macron zu sehr mit der konservativen Fraktion in Frankreich und der EU liiert.
Bevor er sein Amt in Brüssel antreten kann, muss der 64-jährige Breton den Vorsitz des seit 2009 von ihm geführten französisch-deutschen Unternehmens Atos niederlegen. Die Tatsache, dass bei Atos bereits die Nachfolge organisiert worden ist, deutet darauf hin, dass Breton Macrons Vorschlag, nach Brüssel zu gehen, akzeptiert hat.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nahost-Konflikt
Alternative Narrative
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu
Wanted wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen
Nach der Gewalt in Amsterdam
Eine Stadt in Aufruhr
+++ Nachrichten im Nahost-Krieg +++
IStGH erlässt Haftbefehl gegen Netanjahu und Hamas-Anführer
Gespräche in Israel über Waffenruhe
Größere Chance auf Annexion als auf Frieden
Krieg in der Ukraine
USA will Ukraine Anti-Personen-Minen liefern