Frankreich und die EU: Eine fast ideale Kandidatin
Sylvie Goulard wäre eine perfekte Kommissarin in Brüssel. Macron ist dafür. Doch es gibt ein Risiko – ihr könnte womöglich ein Prozess drohen.
Aufgrund ihrer europäischen Karriere, ihrer fachlichen Kompetenzen und ihres politischen Engagements für Europa stach sie in der engeren Auswahl möglicher KandidatInnen, die Macron in den vergangenen Tagen vorgelegt wurden, klar heraus.
Nach ihren Studien in Frankreichs Eliteschulen mit Abschlüssen in Recht, Politologie und Verwaltung war sie zunächst im Außenministerium, unter anderen in der Kooperation für die deutsche Wiedervereinigung, tätig. Danach wurde sie Beraterin von EU-Kommissionspräsident Romano Prodi und Vorsitzende der Europa-Bewegung in Frankreich. 2009 wurde sie EU-Abgeordnete der zentrumsdemokratischen Partei MoDem, die 2017 bei den Präsidentschaftswahlen mit Macrons République en Marche eine siegreiche Koalition bildete.
Es war keine Überraschung, dass Goulard nach Macrons Wahl als prominentes MoDem-Mitglied neben dem Parteichef und ebenfalls nominierten Justizminister François Bayrou als Verteidigungsministerin in die Regierung einzog.
Rücktritt nach einem Monat
Perplex aber war die französische Öffentlichkeit, als sie einen Monat später ihren Rücktritt einreichte. Gegen sie, Bayrou sowie weitere Ex-EU-Abgeordnete des MoDem war im Zusammenhang mit der Art der Anstellung parlamentarischer Assistenten ein Untersuchungsverfahren eingeleitet worden. Auch Bayrou, Macrons politischer Mentor, musste deswegen aus der Regierung ausscheiden.
Die vermeintlich ideale Kandidatur von Goulard hat darum einen Haken. Heute ist die Untersuchung in dieser politisch brisanten Finanzaffäre immer noch nicht abgeschlossen. Für Goulard wie Bayrou gilt grundsätzlich die Unschuldsvermutung, da es bisher keinen gegenteiligen Gerichtsentscheid gibt.
Ein gewisses Risiko birgt Macrons Vorschlag, den von der Leyen jetzt prüfen muss, trotzdem. Offenbar setzt er darauf, dass es am Ende der Untersuchung nicht zu einem Prozess gegen Goulard kommt. Oder aber er rechnet damit, dass sie ähnlich auf Nachsicht zählen kann wie Christine Lagarde. Sie konnte EZB-Chefin werden, obwohl sie zuvor in der Adidas-Tapie-Betrugsaffäre für schuldig erklärt worden war, aber das Gericht keine Strafe verhängt hatte.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
Emotionen und politische Realität
Raus aus dem postfaktischen Regieren!