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Frankreich steht im ViertelfinaleÜberragendes Ensemble

Im Spiel gegen die Niederlande zeigen die Französinnen Klasse: Großer Zusammenhalt und erstklassige Besetzungen auf jeder Position.

Alle für eine, eine für alle – Frankreich punktet mit Teamspirit Foto: imago

In einer ewig langen Reihe fassten sich die Französinnen nach der Partie alle an der Hand, der gesamte Kader. Und sie rannten auf ihre euphorisierten Fans hinter dem Tor zu. Trainer Laurent Bonadei dürfte das gefallen haben. Die Bedeutung von Gemeinsinn hebt er gern hervor, so auch am Sonntagabend in Basel: „Das ist die Basis, Fußball ist kein Individualsport.“

Er strich heraus, wie alle Spielerinnen auf der Ersatzbank jeweils die Tore gefeiert hatten. An diesem Teamgeist habe man auch jenseits des Spielfelds gearbeitet. Sie hatten wahrlich viel zu feiern an diesem Abend. Im letzten Gruppenspiel überrannte das französische Team die Niederländerinnen beim 5:2-Erfolg geradezu. Dabei lagen sie zur Halbzeit noch zurück (1:2).

Spiele drehen bei dieser Europameisterschaft können die Französinnen also auch noch. Und wie! Diese Zusatzqualifikation rundet die ohnehin formidable Bilanz bislang bei diesem Turnier bestens ab. Denn Frankreich geht nach drei Spielen und drei Siegen als Erster aus der sogenannten Todesgruppe hervor. „Darauf können wir stolz sein“, sagte Bonadei. Mit Blick auf das Viertelfinale, das nächsten Samstag ebenfalls in Basel ausgetragen wird, erklärte er: „Wir sind sehr ambitioniert und hervorragend vorbereitet auf Deutschland.“

Wir sind hervorragend vorbereitet auf Deutschland

Laurent Bonadei

Der deutsche Bundestrainer Christian Wück musste sich das im St.-Jakob-Park selbst mit ansehen. Vielleicht hat ihm in der ersten Hälfte eine gewisse Anfälligkeit des französischen Teams Hoffnung gemacht, die durch die langen Bälle der Niederländerinnen und deren intensiven Einsatz ab und an in Schwierigkeiten gerieten und sich dann mit einem unglücklichen Eigentor durch Selma Bacha obendrein selbst in Bedrängnis brachten. „In der zweiten Hälfte haben wir das korrigiert“, sagte die zweifache Torschützin Delphine Cascarino, die nun furios aufspielte. Eine größere Aggressivität und Präsenz hatte der Trainer eingefordert. Dem Schwung, der dann entstand, waren die Niederländerinnen bei Weitem nicht gewachsen.

Kreisgespräche und Balance

Während des Spiels kommunizieren die Französinnen auffällig viel in Kreisgesprächen. Über außergewöhnliche Fußballerinnen verfügte Frankreich in der Vergangenheit auch, aber diese kreisten häufig um sich selbst. Im aktuellen Kader bekommt jede einzelne Spielerin von Trainer Bonadei vorgeführt, wie austauschbar sie ist. Cascarino, beispielsweise, die nun schon zweimal zur Spielerin des Spiels gewählt wurde, hat nur 133 von 270 möglichen Turnierminuten gespielt. Es wird fleißig rotiert. Gegen die Niederlande tauschte Bonadei wieder sechs neue Spielerinnen in die Startelf ein. Ihm scheint die Balance der Einsatzzeiten im Kader genauso wichtig zu sein wie die von ihm häufig betonte Balance zwischen Offensive und Defensive. Nebenbei hat das den Vorzug, dass die französische Elf wenig Abnutzungserscheinungen zu beklagen hat. Cascarino weiß die Entwicklungen der letzten Monate zu schätzen: „Ich glaube, dass wir sehr gewachsen sind als Team“

Ausgespielt: Die Niederländerin Danielle van de Donk und die Französin Sakina Karchaoui Foto: Stephane Mahe/reuters

Wer will diesem Drang der Französinnen die Stirn bieten? Die Deutschen etwa mit ihrem luftigen Abwehrverhalten? Für Frankreichs Trainer Laurent Bonadei geht Deutschland tatsächlich als Favorit ins Spiel, wie er am Sonntagabend ernsthaft versicherte. Um Favorit zu sein, erklärte er, müsse man erst einmal einen Titel gewonnen haben. Der fehlt Frankreich in der Tat erstaunlicherweise bis heute. Deutschland dagegen ist achtmaliger Europameister. Das ist schon etwas gemein. Als seien die gegenwärtigen Probleme nach dem 1:4-Debakel gegen Schweden nicht schon Belastung genug, soll die DFB-Elf jetzt noch aus historischer Verantwortung die Favoritenbürde tragen. Aber der freundliche französische Coach hatte auch etwas Aufbauendes zum kommenden Gegner zu sagen: „Die haben einen sehr guten Trainer und hervorragende Spielerinnen.“ Der Offensivgeist von Wück imponiert ihm womöglich.

„Fußball ist ja eine Show und soll Emotionen kreieren“, sagte Bonadei in Basel. Im Showgeschäft sind immer auch viele Blender unterwegs, aber die Darbietungen der Französinnen sind fraglos von besonderer Güte.

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