Frankreich nach den Banlieue-Krawallen: „Ordnung, Ordnung, Ordnung!“
Frankreichs Präsident Macron lässt auch im Rückblick auf die Krawalle keine Kritik an der Polizei zu. Staat und Familien bräuchten wieder Autorität.
Da in den Medien der Eindruck aufkam, der Staatschef wisse vielleicht effektiv nichts zu sagen, wuchs der Druck. Mit einer Distanz von Tausenden von Kilometern zur Pariser Aktualität meldete er sich nun aus Neukaledonien auf seiner mehrtägigen Rundreise im Südpazifik in einem organisiert wirkenden Fernsehinterview ohne kritische Rückfragen zu Wort.
Auf die unvermeidliche Frage, was er zu den gewaltsamen Unruhen von Ende Juni meine, antwortete er mit strenger Miene: „Die (erste) Lehre, die ich daraus ziehe, lautet: Ordnung, Ordnung, Ordnung. Die zweite ist, dass unser Land eine Rückkehr zur Autorität auf allen Ebenen braucht, und vor allem in der Familie.“
Der Präsident macht in seiner Stellungnahme die Familien mitverantwortlich für die Gewalt und Plünderungen von zum Teil sehr jungen Minderjährigen nach dem Tod des 17-jährigen Nahel in Nanterre. Zu den sozialen Problemen in gewissen Vorortsquartieren möchte er zu bedenken geben, gewisse strukturelle Schwierigkeiten seien halt während langer Zeit in der „Banlieue“ konzentriert worden, statt sie ein wenig „besser zu verteilen“.
Mit Samthandschuhen gegen Polizeigewalt
Keinerlei Kritik will er an den Polizeieinsätzen während der Krawallnächte in zahllosen Städten und namentlich in Marseille zulassen. Dort ist ein junger Mann, der auf einem Roller unterwegs war, vermutlich nach einer Verletzung durch ein Hartgummigeschoss gestorben. Ein anderer wurde ebenfalls von einem solchen Kaliber getroffen und angeblich von vier Polizeibeamten anschließend noch so schwer verprügelt worden, dass er während mehrerer Tage im Koma lag.
In diesem zweiten Fall hat die Justiz gegen vier Polizisten in Marseille ein Ermittlungsverfahren eröffnet, einer der vier befindet sich weiterhin in Haft. Das wiederum empört seine Kolleg*innen so sehr, dass sich Hunderte von ihnen zum Wochenbeginn krank schreiben, da sie kein Streikrecht haben.
Der Chef der nationalen Polizei, Frédéric Veaux, hat sich mit ihnen solidarisiert und gesagt: “Der Platz eines Polizisten ist nicht im Gefängnis, selbst wenn er im Rahmen seiner Arbeit einen Fehler gemacht oder schweren Irrtum begangen hat.“ Haben denn in Frankreich Polizeibeamte, die einer schweren Misshandlung beschuldigt sind, ein Recht auf Sonderbehandlung, wollte einer der beiden beiden Interviewer von Macron wissen?
Dieser wich aus und sprach lieber von der Unschuldsvermutung für alle, ohne sich im konkreten Fall festzulegen oder den Polizeichef, der ungeniert einen Richterentscheid attackiert, zur Respektierung der Unabhängigkeit der Justiz zu mahnen. Grundsätzlich aber stehe in Frankreich „niemand“ über dem Gesetz, räumte er zuletzt ein.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Macrons Krisengipfel
Und Trump lacht sich eins
Maßnahmenkatalog vor der Bundestagswahl
Grünen-Spitze will „Bildungswende“
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
USA und Russland besetzen ihre Botschaften wieder regulär
Frieden in der Ukraine
Europa ist falsch aufgestellt
Die Neuen in der Linkspartei
Jung, links und entschlossen
Gentrifizierung in Großstädten
Meckern auf hohem Niveau