Frankfurter Buchmesse: Unterwürfiger Chef
Jürgen Boos ist der Chef der Frankfurter Buchmesse. Er muss taktieren zwischen den Interessen des Gastgeberlandes, der Menschenrechtler und seinem Arbeitgeber, dem Börsenverein.
Juergen Boos, Direktor und "Alleingeschäftsführer" der Frankfurter Buchmesse, hat sich entschuldigt. Weil zwei chinesische Oppositionelle auf einer Veranstaltung nicht nur anwesend waren, sondern zudem das Wort ergriffen, war die offizielle China-Delegation erbost ausgezogen. Boos bat wegen mangelnder Absprachen um Verzeihung. Ein Kotau vor Vertretern einer Diktatur?
Der 48-jährige Boos wurde 2005 auf den Buchmessen-Chefposten berufen, zuvor war er Verkaufsleiter bei diversen Verlagen. Boos ist ein vernunftgeleiteter Mann - die krisengeplagte Buchmesse hat sich unter ihm beruhigt, und selbst die Hotelriege, die anlässlich jeder Buchmesse neue Fantasiepreise ausruft, scheint von Boos zumindest ein wenig gezügelt worden zu sein. Er droht nicht in der Presse, sein Auftreten ist freundlich, zurückhaltend und dennoch entschieden.
Allerdings ist er, ein in der Wolle gewaschener Buchhändler, zugleich auch studierter Betriebswirt, somit jemand, der vor allem die wirtschaftliche Dimension im Blick hat. Und wie wir wissen, sind Fragen der Moral nicht unbedingt jene, die der Wirtschafter zu stellen pflegt.
China ist ein gigantischer Markt, die Buchmesse soll helfen, ihn für deutsche Verlage zu erschließen. Boos, dies ist seine Aufgabe, soll die Chinesen gewogen machen. Denn der Direktor ist beileibe nicht sein eigener Herr. Der Börsenverein, sein Arbeitgeber, will moralisch auftreten und Menschenrechte in China anmahnen, zugleich aber soll der Buchmessedirektor unbeirrt seine wirtschaftliche Aufgabe erfüllen. Das ist nicht zu schaffen; daher gerät Boos plötzlich ins Schwimmen. Seine Auftraggeber aber können weiter munter Sonntagsreden halten. Sie stehen ja nicht im Zentrum der Kritik. Dafür haben sie Boos.
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