Fragen zur Seitenwende #1 : Mein lieber Plümpe
Monatlich setzen wir uns hier bis zur Seitenwende im Oktober 2025 mit Ihren LeserInnenbriefen dazu auseinander.
Über diese Anrede, „mein lieber Plümpe“, – wir sind, würdig, wie wir zu sein beanspruchen, ja nie über das schöne „Sie“ hinausgekommen bzw. wollten es auch nicht – wird sich die taz-LeserInnenschaft wundern: Dabei sind wir doch einander fast in Freundschaft stets gewogen.
So sehr, dass Sie für unsere „aus der taz“-Seite seit vielen Jahren eine Kolumne schreiben. Und zwar auch, weil Ihre Urteile, Bemerkungen und Sottisen geärgert haben, sich so lasen, als seien Sie ein taz-Leser der ersten Stunde. Der Sie ja auch sind, gut so!
Wie Assamtee ohne Milch
Nun schrieben Sie unserer Chefredakteurin Ulrike Winkelmann und mir dieses: „Zeitungen und Bücher ohne Papier sind wie Assamtee ohne Milch.“ Und weiter: „Der Wochenendtaz werde ich treu bleiben.“
Denn diese sei ja als Papierausgabe zu haben und also zu abonnieren. Mein Lieber: Das war eine enttäuschende Nachricht auf unsere Ankündigung, dass wir am 17. Oktober 2025 letztmals an einem Werktag in der Papierfassung auch Sie erreichen werden.
Was ist die Seitenwende und warum machen wir das? Unser Info-Portal liefert ihnen weitere Hintergründe, Einblicke und Ausblicke: taz.de/seitenwende
Enttäuschend scheint mir Ihre Reaktion, weil es die Form – das Papier – über den Inhalt – den taz-Journalismus – stellt.
Neulich wollte ich Ihnen noch antworten und Sie als Papierfetischisten beschimpfen. Also mehr an altmodischem Papiergekruschel zu hängen als an unseren Texten:
Haben wir deshalb, mein lieber Plümpe, über all die Jahrzehnte unserer Zeitung alle Loyalität gegeben, Sie als Leser der ersten Stunde, ich selbst als Redakteur? Ist Ihnen also, Ihren Vergleich ernst genommen, die Assamteetasse wichtiger als das Getränk selbst, für mich irritierenderweise mit einem Schuss Milch?
taz bleibt
Ich weiß, Sie sind ein Wesen von Geschmack, Ihrem Geschmack. Sie halten sich selbst im Lot und lassen sich auf keine Debatte ein: was man tun soll und was angeblich nicht.
Das mochte ich an Ihnen immer, diesen Eigensinn, dieses Beharren, ja Störrische auf dem, was Ihnen einleuchtet – und was nicht.
Doch was sollen wir machen? Ist Ihnen das Papier an Werktagen wichtiger als das, was auf diesem gedruckt ist? Schätzungsweise sind Sie bei aller Liebe zur Ästhetik des Traditionsbehafteten in ihre eigene Falle des Argumentierens gelaufen. Ist verzeihlich, kennen wir alle.
Aber: Dass Ihnen an unserem Journalismus liegt, darauf gehe ich jede Wette ein. Ihretwegen würde ich mich sogar daran gewöhnen, einen jeden Tee ungenießbar machenden Esslöffel fette Milch auf diese Weise zu trinken. Wollen Sie es sich nicht noch einmal überlegen?
Herzlich
Ihr Jan Feddersen