Fotografien aus Kuba: Ein sozialer Sammler
Michael Horbach ist Kunstmäzen und Multimillionär, aber auch Linkspartei-Wähler und taz-Genosse: ein Treffen in seiner Finca auf Mallorca.
„Der ganze Ruhm dieser Welt passt in ein Maiskorn“, sagt Michael Horbach auf unserem Weg ins mallorquinische Hinterland. Wir sitzen in seinem Auto, der erfolgreiche Finanzberater im Ruhestand, Multimillionär, Kunstmäzen und taz-Genosse Horbach zitiert den kubanischen Nationalhelden José Martí. Der 66-Jährige gibt sich bescheiden: „Dieser Spruch sagt mir, dass es mir bei meiner Stiftung und der Sammlungstätigkeit nicht um mich, sondern vor allem um die Künstler gehen soll!“ Und schon sind wir bei den Lieblingsthemen des gebürtigen Aacheners: die im Jahr 2000 gegründete Stiftung, mit der er – zusammen mit seinem Sohn Tim – gesellschaftliche und kulturelle Projekte unterstützt sowie Kuba, Lieblingsreiseland und immer wieder Gegenstand seiner Fotoausstellungen. Sein Faible für Kunst pflegt Horbach, der selbst fotografiert, nicht erst seit 2000. 1986 eröffnete er in Köln eine Galerie für zeitgenössische Malerei und fuhr zweigleisig, bis er sich vor 17 Jahren komplett aus dem Geschäftsleben zurückzog.
Horbachs Finca entspricht durchaus den Vorstellungen, die man landläufig von solch einem Anwesen im „17. Bundesland“ der Deutschen hegt: Fernab vom Massentourismus erstrecken sich am Ende einer großzügigen Auffahrt ein geräumiger restaurierter Bauernhof, daneben ein Pool unter Palmen. Nicht protzig, aber überaus gediegen. Freundlich bittet der Hausherr zu Tisch.
Nach dem Mittagessen fahren wir mit dem Rad zum Kaffee ins nahe gelegene Dorf. Horbach fühlt sich wohl im mediterranen Ambiente der Balearen. Unterwegs grüßt er mit freundlichem Hallo die Frau von Miquel Frontera Serra, dem nächsten Preisträger von Horbachs biennalem Fotopreis. „Mir gefallen Miquels Stillleben, weil sie die Schönheit der Welt in ihrer ganzen Einfachheit zeigen. Ich zeichne ihn aus, weil er lebt, was er fotografiert – der Kerl ist mir sympathisch.“
Der mallorquinische Fotograf und Biologe Miquel Frontera Serra macht sich für Umweltbelange stark. Zusammen mit dem Kubaner Alfredo Sarabia Fajardo jr. erhält er im November das mit 10.000 Euro dotierte Preisgeld der Michael Horbach Stiftung. Miquel Frontera ist in der aktuellen Ausstellung „sehnsucht – anhelo“ in Horbachs Kunsträumen in Köln mit fünf Fotos vertreten. Bei unserem Besuch in Fronteras Wohnhaus und Atelier schildert der Künstler, wie er mit poetisch wirkenden Detailaufnahmen von Salinen und Gewächshäusern das Augenmerk auf die schützenswerte Natur der Balearen richten möchte.
Für die Fachwelt ein gewagtes Statement
Nachhaltigkeit ist für Frontera ein gesellschaftlich relevantes Thema, das er eindringlich ins Bild umzusetzen versteht. Weitab von der Avantgarde der konzeptionellen Fotografie. Umso mehr berühren Fronteras Fotos des Sammlers Seele. Horbach hält es dabei mit der in Fachkreisen bekannten Kunstautorin Erika Billeter, die über südamerikanische Fotokünstler sagt, sie experimentierten nicht, sie „sehen“.
Der Arbeitersohn, der zu seiner einfachen Herkunft steht, bekennt sich zur humanistischen Fotografie in der Tradition eines Edward Steichen. Mit dessen Ausstellung „Family of Man“ von 1955 setzte sich der US-amerikanische Fotograf für mehr Mitmenschlichkeit und Menschenwürde ein. Der Philosoph Roland Barthes wies Steichens Ansatz als zu simplistisch, gar sentimental zurück. Dazu der Sammler: „Ich versteh’ den nicht und es ist mir auch egal, was der Barthes sagt. Mir geht es um Empathie.“ Für die Fachwelt ein gewagtes Statement.
Dessen ist sich Horbach bewusst und bleibt sich auch mit seiner zweiten Entscheidung zum diesjährigen Fotopreis an Alfredo Sarabia jr. treu: Der 1986 geborene Kubaner wird ebenfalls dem Genre der sozial engagierten Dokumentarfotografie zugeordnet. Sarabia jr. ist aktuell mit vier Fotos aus seiner Serie „José Marti“ in „sehnsucht – anhelo“ vertreten. Der 41-Jährige verzichtet bei seinen Abbildungen von Büsten des im Aufstand gegen die Spanier 1895 verstorbenen Freiheitskämpfers und Dichters Martí auf technische Experimente. Die während einer Rundreise durch Kuba entstandenen Schwarz-Weiß-Fotos dokumentieren die ideologische Omnipräsenz Martís auf der Karibikinsel. Sie hinterfragen beispielsweise durch extreme Untersicht oder ironische Parallelführung von Statue und Wolkengebilden (gerade wie im „Gleichnis vom Sämann“ – so der Untertitel der Reihe), ob die „Saat“ des wohl wichtigsten politischen Visionärs der kubanischen Revolution ab 1959 auf Kuba aufgegangen ist.
Horbach sichert Künstlern die Existenz
„Alfredo ist früh verwaist, für ihn hege ich fast väterliche Gefühle“, so Horbach im weiteren Verlauf unseres Gesprächs. Wir sitzen mittlerweile im Schatten einer großen Sommerlinde im Garten und diskutieren über die gegenwärtige politische Situation Kubas. Mit Sarabia fördert er einen Kubaner, der ihm während dessen dreimonatigen Atelierstipendiums in Horbachs Kunsträumen ans Herz gewachsen ist. Aber es ist nicht nur das persönliche Moment, das Horbach dazu veranlasst, junge, meist noch unbekannte Künstler durch direkte Ankäufe regelmäßig zu unterstützen. Natürlich zählt Horbach auch politische Ikonen der Revolutionsära, wie das berühmte Che-Porträt von Alberto Korda, zu seiner 1.200 Fotos umfassenden Sammlung.
Als wir im Katalog zur Ausstellung auf ein Foto des mittlerweile arrivierten spanischen Fotografen und Filmemacher Pep Bonet stoßen, reagiert Horbach zurückhaltend. Auch Bonet kennt der Sammler persönlich und schätzt ihn wegen dessen „fast übermenschlicher Leistungen“ als Fotograf in Kriegs-und Krisengebieten. „Bonet selbst meinte dazu, dieses Foto wäre fast schon zu bekannt“, so der Mäzen bei unserer Betrachtung von Bonets Foto aus der Strecke „One Goal“ mit beinamputierten Kriegsversehrten aus Sierra Leone, die am Strand Fußball spielen. „Unfassbar, wie die jungen Männer das als Freude empfinden, was wir als Leid interpretieren.“
Trotz allem Respekt vor der Abbildung der „Wunden“, Horbachs Favoriten sind die stilleren, „schönen“ Bilder, häufig von unbekannteren Fotografen. Zum Beispiel die des Kubaners Raúl Cañibano, der mit „Tierra Guajira“ das arme, ländliche Kuba zeigt. Auch dieser Fotograf ist Stiftungspreisträger und erlaubt dem Betrachter mit seinen Fotos einen teilnehmenden Blick. In Cañibanos Bildern liegt möglicherweise eine Menge Marktpotenzial für die Zukunft. Doch Horbach setzt nicht auf die Steigerung von Marktpreisen. Sowieso überlässt er jeden Verkaufserlös zu 100 Prozent den Künstlern.
„sehnsucht – anhelo“. Bis 31.7., Michael Horbach Stiftung, Köln. Katalog 39,90 Euro. Im Frühjahr 2018 kommt die Schau ins Willy-Brandt Haus, Berlin.
Darüber hinaus „sucht“ er Momente einer menschlichen Wahrheit, die nur in dieser Art von Bildern zu „sehen“ seien. Gemäß Horbachs Maxime „Glücklich durch Teilen – eine gerechte Welt ist möglich“ ist der philanthropische Anteil an seiner Sammelleidenschaft nicht zu unterschätzen. Nicht nur auf Kuba und Mallorca sichert er so vielen Künstlern die Existenz. Die „soziale“ Rendite sei ihm dabei wichtiger als die finanzielle, weswegen ihn viele aus seiner Schicht für „völlig bekloppt“ hielten. Und das nicht nur, weil der bekennende Linke-Wähler seit Jahren eine Reichen- sowie eine Vermögenssteuer fordert und seit Kurzem auch das bedingungslose Grundeinkommen.
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