Fortschritte im Irak: Sunniten zurück im Kabinett
Nach einem Boykott kehrt die größte Sunnitenpartei in die irakische Regierung zurück. Derweil begrüßt Regierungschef Maliki Obamas Pläne für einen baldigen Abzug.
KAIRO taz Auf dem schwierigen Weg zu einer nationalen Versöhnung im Irak ist ein wichtiger Fortschritt erreicht worden. Sechs Mitglieder der Einigungsfront, der wichtigsten sunnitischen Partei im Parlament, kehren nach einer fast einjährigen Abwesenheit in die von Schiiten und Kurden dominierte Regierung von Ministerpräsident Nuri al-Maliki zurück. Zuvor hatte das Parlament deren Kandidaten für unbesetzte Kabinettsposten bestätigt. Diese würden bereits an der nächsten Sitzung des Ministerrats teilnehmen, kündigte ein Mitglied der sunnitischen Einigungsfront an.
"Dies ist ein wirklicher Schritt in Richtung politischer Reform", erklärte der Sprecher der Einheitsfront, Salim al-Dschanburi. Auch der Oberkommandierende der US-Truppen im Irak, General David Petraeus, begrüßte die Rückkehr als "sehr wichtigen Schritt nach vorne". Die Sunniten sollen unter anderem das Amt des Vizepremiers sowie fünf Ministerien besetzen, darunter die Ministerien für höhere Bildung und Kommunikation.
Die Einigungsfront war im August vergangenen Jahres aus der Regierung ausgetreten. Sie warf Regierungschef Maliki damals vor, den Einfluss der Sunniten einzuschränken und nichts gegen die schiitischen Milizen unternommen zu haben, die den Sicherheitsapparat unterwandert hatten. Seitdem hat sich die Lage verändert, nachdem die Sicherheitskräfte im Frühjahr erstmals in der zweitgrößten irakischen Stadt Basra und in Sadr-City im Norden der Hauptstadt Bagdad Offensiven gegen die schiitischen Milizen gestartet hatten. Außerdem wurden im Februar viele ehemalige sunnitische Aufständische in einer Amnestie wieder auf freien Fuß gesetzt. Beides waren wichtige Voraussetzungen für die Rückkehr der Sunniten ins politische System.
Auch das Thema eines Abzugs der US-Truppen ist bei den großen sunnitischen und schiitischen Parteien weniger umstritten. Maliki unterstützte am Wochenende in einem Spiegel-Interview Pläne des demokratischen US-Präsidentschaftsbewerbers Barack Obama, der vergangene Woche angekündigt hatte, die US-Truppen binnen 16 Monaten abzuziehen. "Das, finden wir, wäre der richtige Zeitraum für den Abzug, geringe Abweichungen vorbehalten", erklärte Maliki. Er wolle keine Empfehlung für den US-Wahlkampf abgeben, aber wer im Irak "mit kurzen Fristen" rechne, "sei näher an der Wirklichkeit".
Doch kurz darauf ruderte die Regierung zurück. Maliki stehe persönlich nicht hinter einem konkreten Zeitrahmen für den Abzug der US-Soldaten, sagte ein Sprecher. Anfang Juli war es Maliki gewesen, der im Zusammenhang mit einem neuen Sicherheitspakt mit den USA erstmals die Forderung eines Truppenabzugs ins Spiel brachte, was wiederum von Obama aufgegriffen worden war. Obama wird in diesen Tagen im Irak erwartet.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!