piwik no script img

Forscherin über sensationelle Entdeckung„Etwa 60 Millionen Fische“

Größte Eisfischkolonie der Welt: Lilian Böhringer vom Forschungsschiff „Polarstern“ berichtet über den Fund in der Antarktis.

Rund 10.000 Nester der größte jemals beschriebene Fischkolonie hat die Polarstern gefunden Foto: PS124, AWI OFOBS team
Henrike Notka
Interview von Henrike Notka

taz: Frau Böhringer, wie war die Stimmung an Bord, als Sie die Brutkolonie der Eisfische gefunden haben?

Lilian Böhringer: Zu Beginn der Expedition wussten wir nicht, was wir genau entdeckt haben, weil es vorher bekannt war, dass die Eisfische Nester bilden. Es war daher nicht wirklich besonders. Aber den gesamten Tauchgang lang waren überall diese Fischnester. Mit der Zeit starrten wir immer gespannter auf den Monitor und dachten: „Wann hört es auf? Hört es überhaupt auf? Sehen wir ein Ende?“ Da wurde uns bewusst, dass es etwas Sensationelles ist, obwohl man eigentlich die ganze Zeit nur diese Eisfische gesehen hat. Aber auf das Ausmaß kam es an. Daher war es schon eine sehr besondere Stimmung!

Was macht den Fund so besonders?

Beobachtungen aus vorherigen Jahren berichten von ca. 100 Eisfischnestern in einem Gebiet. Die Brutkolonie, die wir entdeckt haben, zählt schätzungsweise 60 Millionen! Außerdem sind die Nester üblicherweise nicht so dicht zusammen. Beides kennt man bisher von keinem anderen Fisch. Als Wissenschaftlerin frage ich mich dann, welchen Vorteil sie davon haben oder welche Umweltbedingungen an dieser Stelle geeignet sind. Das Wedellmeer ist schließlich groß.

Wie hängt der Eisfisch mit dem Ökosystem Weddellmeer zusammen?

Messungen an Wedellrobben, an die ein Tracker angebracht wurde, zeigen, dass sie eine erhöhte Aktivität über dieser Kolonie aufweisen. Die Fische bewegen sich an dieser Stelle wenig und sind für die Robben leichte Beute. Wenn die Fische gestorben sind, werden die Kadaver von Seesternen und Oktopussen gefressen. Außerdem strukturieren die Nester, die eher Mulden sind, dort den Meeresgrund und so den gesamten Lebensraum anderer Spezies.

Bild: privat
Im Interview: Lilian Böhringer

geboren 1995, studiert Meeresbiologie an der Uni Bremen im Master und war als Hilfswissenschaftlerin an Bord der „Polarstern“.

Die „Polarstern“ ist seit 1983 in der Antarktis unterwegs: Welche Auswirkungen der Klimakrise sind seither zu beobachten?

Konkret auf den Eisfisch bezogen, ist es noch schwierig zu sagen. Allerdings gibt es bereits Veränderungen hinsichtlich der Eisbedeckung, die zunehmend schmilzt. Die neuen und auch wärmeren Wassermassen wirken sich, je nachdem wo sie lang fließen werden, wahrscheinlich auf die Eisfische aus und ebenso darauf, wo sich sie sich ansammeln werden. Um diese Entwicklung die nächsten Jahre zu verfolgen, wurde bereits eine Kamera mit einem Sensor heruntergelassen. Es bleibt daher weiter zu beobachten und abzuwarten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!