Forscher bauen Chromosom nach: Die Erbgut-Designer

Forscher der John Hopkins University in Baltimore haben ein Chromosom der Bäckerhefe nachgebaut. Mit Hilfe der Methode könnten bald künstliche Lebewesen entstehen.

Das fertige „snyIII“ ist mit gut 272.000 Bausteinen etwas kleiner als sein natürliches Gegenstück. Bild: dpa

BALTIMORE dpa | Chromosomen tragen die Erbinformationen von Lebewesen – Wissenschaftlern ist es nun gelungen, eine solche Struktur aus der Bäckerhefe künstlich nachzubauen. Das Designer-Chromosom sei voll funktionsfähig, Hefezellen mit ihm unterschieden sich nicht von natürlichen Hefezellen, berichten die Forscher im Fachblatt Science. Ziel der Methode sei es, künftig gezielt Lebewesen zu entwerfen, die bestimmte Kraftstoffe, Arzneimittel oder andere Substanzen herstellen.

Als Chromosomen werden die Strukturen in den Zellen bezeichnet, die die Gene – die Erbinformationen – des jeweiligen Lebewesens enthalten. Menschen haben 23 Chromosomen-Paare, die gewöhnliche Bäckerhefe (Saccharomyces cerevisiae) hat 16. Dank der raschen technologischen Fortschritte und der sinkenden Kosten bei der Synthese von DNA haben Wissenschaftler in den vergangenen Jahren bereits einige bakterielle Chromosomen und Erbgut von Viren im Labor nachgebaut.

Mit dem Chromosom der Hefe sei nun erstmals ein Chromosom eines sogenannten eukaryotischen Lebewesens synthetisch hergestellt worden, schreiben die Forscher. Unter diesem Begriff werden Lebewesen mit einem Zellkern in den Zellen zusammengefasst – etwa Pflanzen, Tiere oder Pilze.

Sie werden in der Biologie von den Prokaryoten unterschieden, zu denen Bakterien und Archaebakterien gehören. Das Forscherteam um Jef De Boeke von der Johns Hopkins University in Baltimore (US-Staat Maryland) baute das Chromosom III der Hefe nach, das drittkleinste der 16 Chromosomen. Die Abfolge seiner Bausteine – insgesamt besteht es aus mehr als 316.000 solchen Basenpaaren – ist bereits seit über 20 Jahren bekannt.

Konstruktion dauerte sieben Jahre

Die Forscher entfernten zunächst im Computer aus dieser Sequenz alle überflüssigen oder sich wiederholenden Abschnitte. Sie fügten aber auch einige Basenpaare zu der ursprünglichen Abfolge hinzu. Diese dienten als Markierung oder dazu, bestimmte Gene später zu löschen oder zu verändern. Anschließend machten sie sich daran, das Chromosom basierend auf dieser Sequenz zu synthetisieren. Die gesamte Konstruktion dauerte sieben Jahre.

Das fertige „snyIII“ ist mit gut 272.000 Bausteinen etwas kleiner als sein natürliches Gegenstück. Es funktioniert allerdings offenbar genauso: Hefezellen mit dem synthetischen Chromosom unterschieden sich nicht von den rein natürlichen Vorbildern. „Wenn man das Genom verändert, ist das ein Glücksspiel. Eine falsche Veränderung und die Zelle stirbt“, sagte De Boeke. „Wir haben über 50.000 Veränderungen in dem Chromosom vorgenommen und unsere Hefe lebt immer noch. Das ist bemerkenswert.“

In weiteren Versuchen testeten die Wissenschaftler, welche der Gene unter bestimmten Bedingungen für das Überleben der Hefe notwendig sind. Dies gehört zu den Grundfragen beim Nachbau von Lebewesen in der synthetischen Biologie. „Rasche Fortschritte in der synthetischen Biologie in Kombination mit den sinkenden Kosten der DNA-Synthese lassen es bald möglich erscheinen, neue eukaryotische Genome – inklusive Genome von Pflanzen und Tieren – mit synthetischen Chromosomen zu bauen“, schreiben die Wissenschaftler.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.