Forderung von Datenschützern: Ein Grundgesetz fürs Web
Der oberste Verbraucherschützer und der oberste Datenschützer verlangen klarere Grenzen für Datensammler im Netz. Die Ideen des Innenministers seien zu lasch.
BERLIN taz | Einen Tag vor dem IT-Gipfel in Dresden haben der Vorstand des Verbraucherzentrale-Bundesverbands und der Bundesdatenschutzbeauftragte schärfere Gesetze zum Schutz persönlicher Daten im Netz gefordert. Nötig sei eine Art "Grundgesetz fürs Internet", sagte der oberste Verbraucherschützer Gerd Billen. "Bevor man Autos auf die Straße lässt, sollten die Leitplanken stehen."
Der Bundesdatenschutzbeauftragte Peter Schaar sagte: "Wenn Daten erst mal im Internet sind, ist es schwierig, sie wieder herauszubekommen." Zuletzt hatten Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) und Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) angekündigt, den Datenschutz dem Internetzeitalter anpassen zu wollen.
Regelungsbedarf sehen Billen und Schaar bei Internetfirmen, die Daten der Nutzer zusammenführen und sie zu Verbraucherprofilen verknüpfen. Eine Erstellung solcher Profile soll nur ausnahmsweise und mit Zustimmung der Betroffenen zulässig sein, finden die beiden.
Transparenter gemacht werden müsse dabei auch der Einsatz sogenannter Cookies. Mithilfe dieser Datenschnipsel, die auf den Festplatten von Internetnutzern gespeichert werden, können Webseitenbetreiber und die Werbewirtschaft das Surfverhalten und somit auch Verbraucherinteressen ausspähen. "Wir brauchen klare Regeln, was die Erhebung und Verarbeitung von Daten anbelangt", sagte Billen.
Datenschützer Schaar will zudem erreichen, dass soziale Netzwerke ihre Voreinstellungen "datenschutzgerecht" gestalten und neue Nutzer solcher Dienste nicht erst selbst dafür sorgen müssen, dass ihre privaten Infos nur von einem engen Kreis an Nutzern eingesehen werden können. Bisher ließen die Voreinstellungen vieler Betreiber zu wünschen übrig, so Schaar, auch beim Marktführer Facebook.
Wenig anfangen können Billen und Schaar mit den Vorschlägen von Innenminister de Maizière. Der hatte vergangene Woche "rote Linien" für das Internet angekündigt. Die Opposition kritisierte die Ideen als zu unkonkret, auch Rechtsexperten konnten nicht viel erkennen, das über geltendes Recht hinausgeht. Einzelne Punkte - etwa die Idee, Gesichtserkennung per Foto-Handy einzuschränken - sind bisher noch nicht ausformuliert.
Gleichzeitig mit de Maizières Vorstoß hatte die Internetwirtschaft nach langen Diskussionen um den Straßenbilderdienst Google Street View eine Selbstverpflichtung im Umgang mit Geodaten präsentiert. So soll es von Mitte 2011 an ein zentrales Portal aller Anbieter geben, über das Bürger der Abbildung ihrer Hausfassade widersprechen können.
Verbraucherschützer Billen und Datenschützer Schaar finden den Kodex der Wirtschaft nicht schlecht, er ersetze aber kein einklagbares Recht der Bürger auf Widerspruch - und zwar schon bevor die Ansichten der Häuser im Netz stehen. Ähnlich hatte sich auch Justizministerin Leutheusser-Schnarrenberger in einem Zeitungsbeitrag geäußert, in dem sie eine umfassende Modernisierung des Datenschutzes anmahnte.
Dass über diese Themen am Dienstag auf dem fünften IT-Gipfel ausführlich gesprochen wird, darf bezweifelt werden. Dort reden Wirtschaft und Politik erfahrungsgemäß vor allem über die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Computerwirtschaft - und weniger über einen strengeren Datenschutz.
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