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Folter statt Fußball

Der togoische Flüchtling Tidjani Shaibu soll nächste Woche abgeschoben werden, weil niemand seine Sprache versteht  ■ Von Lisa Schönemann

Als Tidjani Shaibu 1989 in einer Februarnacht im Hamburger Freihafen vom Schiff schlich, wußte er nicht, auf welchem Kontinent er sich befand. Mit seinem bruchstückhaften Französisch oder auf Kotokoli konnte er keine Fragen stellen. Diese Sprache wird selbst in Togo nur von sieben Prozent der Bevölkerung verstanden. Seine Verständigungsprobleme sollten ihm in Deutschland zum Verhängnis werden: Nächste Woche läuft die Duldung des Westafrikaners ab. Ihm droht die Ausweisung – obwohl die Häscher von Staatsoberhaupt Gnassingbé Eyadéma nach ihm suchen.

Tidjani Shaibu hatte sich 1989 zu einer Flüchtlingsunterkunft durchgeschlagen. Dort erfuhr er, daß er sich in Deutschland befand. Als begeisterter Fußballspieler sah er darin ein gutes Omen – schließlich handelte es sich um die Heimat von „Bayern München“. Das war das einzige, was er über Europa wußte.

Bei der Anhörung vor dem Bundesamt in Nürnberg konnte er sich nicht verständlich machen – die Dolmetscher waren auf andere der insgesamt 40 Sprachen Togos spezialisiert. So wurde der Abtransport Shaibus von einem Platz der Hauptstadt Lomé wegen regierungsfeindlicher Äußerungen im Asylverfahren nicht erörtert. Auch von den Narben, die nach den Mißhandlungen durch die Soldaten zurückblieben, war in der Anhörung nicht die Rede. Der Asylantrag wurde 1991 abgelehnt. Auch ein Folgeantrag und eine Petition blieben ohne Erfolg. Zur Zeit hat er nicht einmal einen Rechtsanwalt.

„Wer ohne entsprechende Sprachkenntnisse oder Dolmetscher zum Bundesamt geht, hat von vornherein verloren“, sagt Anna Bruns, migrationspolitische Sprecherin der GAL, „zudem schweigen die Flüchtlinge oft über ihre Foltererfahrungen, weil sie sich schämen.“Tidjani Shaibu wird seit dem Vorfall in Lomé von den togoischen Sicherheitskräften gesucht. Polizisten erkundigen sich regelmäßig bei seiner Familie nach seinem Verbleib.

„Ich verstehe die Bundesrepublik Deutschland nicht, daß abgelehnte Asylbewerber in dieses Terrorregime zurückgeschickt werden. Was Eyadéma auch tut, er bleibt ein Diktator und ein Mörder“, sagt Tidjani Shaibu, „man redet in Togo nur noch über das Wetter, alles andere ist zu gefährlich“. In Telefonaten hat Shaibu erfahren, daß dort noch immer Menschen verschwinden und gefoltert werden. „Ich weiß, daß sie auch mit mir etwas Schlimmes machen werden“, beschreibt er seine Angst. Der UNHCR, das Flüchtlingskommissariat der UNO, geht davon aus, daß Asylanträge in Deutschland eine Gefährdung von Flüchtlingen bei ihrer Rückkehr darstellen. Togoische Staatsangehörige, die im Ausland durch Kritik an der Regierung in Lomé auffallen, werden gemeinhin als Verräter eingestuft.

Politische Versammlungen wie die mit dem Bürgerrechtler Maitre Dovi, an denen Tidjani Shaibu teilgenommen hat, wurden im Auftrag von Regierungskreisen in Togo gefilmt. Der Westafrikaner ist außerdem Gründungsmitglied einer politischen Exilorganisation („ARTA“, Verein der togoischen Flüchtlinge), die es sich zur Aufgabe gemacht hat, das Regime zu bekämpfen.

„Wir machen uns große Sorgen um ihn“, sagt Gisela Teich vom Runden Tisch in Blankenese, die den Flüchtling seit Jahren betreut. Die dortigen Kirchengemeinden haben über 400 Unterschriften für Shaibus Verbleib gesammelt. Offenbar vergeblich.

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