Folgen von Böhmermanns #verafake: Ups, ein „Fehler“
Jan Böhmermann führt mit Schauspielern die RTL-Sendung „Schwiegermutter gesucht“ vor. Jetzt tauscht der Sender das Team aus.
Er hat es wieder einmal geschafft. Natürlich. Nach vier Wochen Pause meldete sich Jan Böhmermann am Donnerstagabend mit einer neuen Folge „Neo Magazin Royale“ zurück und hat mit einem einzigen Video einen ganzen Sender durcheinandergeworfen.
Nach dem #varoufake (dem scheinbar gefakten Mittelfinger von Gianis Varoufakis bei „Günther Jauch“) folgt nun der #verafake: Böhmermann und sein Team haben zwei Schauspieler in die RTL-Sendung „Schwiegertochter gesucht“ eingeschleust: den „einsamen Eisenbahnfreund Robin“, 21, Schildkrötenliebhaber, leicht vertrottelt und auf der Suche nach einer Frau. Und seinen Vater, Biertrinker und Fußballfan. Ihre inszenierte Suche nach einer Frau für Robin lief am 10. April bei RTL. Weil die Sendung von Vera Int-Veen moderiert wird, nannte Böhmermann die Aktion „verafake“. Gestern enttarnte er den Fake im „Neo Magazine Royale“.
Direkt nach der Sendung twitterten RTL-Mitarbeiter: „Wir schauen uns #verafake an und sprechen mit dem Produzenten von #Schwiegertochtergesucht Update folgt!“ Nun, am Freitagnachmittag folgt die offizielle Stellungnahme.
„Bei der Produktion einer Folge von ‚Schwiegertochter gesucht‘ sind Fehler im Bereich der redaktionellen Sorgfaltspflicht gemacht worden“, schreibt RTL-Unterhaltungschef Tom Sänger. Wer sich die Aufnahmen der versteckten Kamera im „Neo Magazin“ allerdings ansieht, der kann kaum an „Fehler“ glauben. Fehler passieren aus Versehen. Fehler passieren ausnahmsweise.
So routiniert, wie die RTL-Redakteurinnen aber die beiden „Neo Magazin“-Schauspieler instruiert, sieht das nicht nach Fehlern, sondern nach Arbeitsalltag aus: Die beiden Teilnehmer bekommen ihren Text vorgeschrieben – „das war genau genommen falsch“, heißt es nun in der Stellungnahme. Sie bekommen ein rosa Puzzle vorgesetzt, dass sie vor der Kamera puzzeln sollen – „es handelt sich um Gastgeschenke, nicht um gezielte Manipulation oder Verdrehung von Tatsachen“. Für 30 Drehtage erhalten sie eine „Aufwandsentschädigung“ von 150 Euro – „bei einer höheren Summe“ würden ihnen „die Bezüge wie das Arbeitslosengeld gestrichen“, lässt RTL nun mitteilen.
Noch interessanter ist allerdings die Reaktion des Geschäftsführers der Produktionsfirma René Jamm. „Respekt an Herr Böhmermann“, schreibt er. „Wir sind ihm komplett auf den Leim gegangen, denn er hat uns einen sympathischen Schwiegersohn präsentiert.“ Nun kann man gerne zugeben, dass der #verafake eine ziemlich gelungene Aktion ist. Nur geht es in Böhmermanns Satire eben nicht nur um die Unterhaltung. Er zeigt damit, wie menschenverachtend das RTL-Format ist, wie die Redakteure ihre journalistische Sorgfaltspflicht missachten, für die gute Quote. Diesem Vorwurf zu begegnen mit einem „Respekt Herr Böhmermann, da haben Sie sich aber was Lustiges überlegt“, geht an den Vorwürfen vorbei und drückt sie auf ein „Höhö, guter Witz“-Niveau.
Über die vielen anderen TeilnehmerInnen der Sendung, die in den vergangenen zehn Jahren von RTL vorgeführt wurden, steht in der Stellungnahme kein Wort. Respekt für Böhmermann, aber keine Entschuldigung an all die anderen. Oder an deren Familien, die RTL mit durch den Dreck zieht. Stattdessen reagiert der Sender mit dem einfachsten Schachzug: Das Team der Sendung soll ausgetauscht werden, die neue Staffel wird von anderen Mitarbeitern realisiert, damit „sich die Fehler nicht wiederholen“. Redakteure weg – Problem gelöst. Aber so einfach ist das nicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Tod des Fahrradaktivisten Natenom
Öffentliche Verhandlung vor Gericht entfällt
Energiewende in Deutschland
Erneuerbare erreichen Rekord-Anteil
Lateinamerika und Syrien
Assads Freunde
Wahlprogramm der FDP
Alles lässt sich ändern – außer der Schuldenbremse