Folgen des US-Einreiseverbots: Trumps Dekret löst Chaos aus
Tagelang weiß keiner, wer unter den Muslim-Bann fällt. Einige legale US-Bewohner wurden im Flugzeug überrascht und in Gewahrsam genommen.
Am Freitagabend und am Samstag waren etwa unter den vielen, die entweder an US-Flughäfen an der Einreise gehindert wurden oder schon am Abflughafen gar nicht erst ihr Flugzeug Richtung USA besteigen durften, auch Menschen, die seit Jahren in den USA leben, dort einen vollkommen legalen Aufenthaltsstatus und eine Arbeitserlaubnis haben, eine Green Card.
Konservative Kommentatoren wie John Hayward von Breitbart News – der rechten Plattform von Trumps Chefstrategen Stephen Bannon – schrieben zur Begründung, viele jener, die während der Obama-Jahre in den USA Anschläge verübt hätten, wären eben gerade im Besitz einer Green Card gewesen – und da sei es doch nur logisch, dass man die rechtliche Möglichkeit ausschöpfe, sie nach einer Ausreise nicht wieder in die Vereinigten Staaten zu lassen.
Trumps Stabschef Reince Priebus hingegen sah das ganz anders und fühlte sich am Sonntag bei mehreren Fernsehauftritten genötigt, Trumps Anordung klarzustellen: „Das Dekret bezieht sich nicht auf Green-Card-Besitzer,“ sagte Priebus, auch wenn sie womöglich ein wenig befragt würden. Es sei im Übrigen gut möglich, dass zu den sieben Ländern noch weitere hinzugefügt würden, sagte Priebus.
Bestenfalls ein Teilerfolg
Erst am Sonntagabend schritt dann Heimatschutzminister John Kelly zur Klärung: „Unter Anwendung der Bestimmungen des Dekrets des Präsidenten erkläre ich es hiermit zum nationalen Interesse, dass Menschen mit ständigem legalen Aufenthaltsstatus [in die USA] einreisen dürften“, heißt es in seiner Erklärung. Ansonsten habe man inzwischen dafür gesorgt, dass niemand, der nach den neuen Bestimmungen nicht mehr einreisen dürfe, überhaupt erst ein Flugzeug besteigen könne.
Über einhundert Reisende waren vom Inkrafttreten des Dekretes am Freitagabend in der Luft überrascht worden, nachdem sie mit gültigen Einreisepapieren die Maschinen bestiegen hatten. Einige von ihnen – die genaue Zahl war unklar – waren auch am Montag noch in US-Gewahrsam.
In mehreren Eilentscheidungen hatten amerikanische Bundesgerichte am Samstag verhindert, dass an US-Flughäfen aufgehaltene Personen direkt zurückgeschickt wurden. Anwälte der Bürgerrechtsorganisation ACLU hatten das geschafft – aber es ist bestenfalls ein kleiner Teilerfolg.
Zu Recht sagte Trumps Sprecherin Kellyanne Convay am Sonntag, die Entscheidungen setzten nicht den Kern der Anordnungen außer Kraft. Tatsächlich bezogen sich die Entscheidungen nur auf die Härtefälle jener, die aufgrund des plötzlichen Inkrafttretens des Dekrets kalt erwischt worden waren.
Republikaner kritisierten das Dekret
Trumps Dekret in Gänze aufheben wollen nun demokratische Abgeordnete und Senatoren. Sie planen, im Kongress Gesetzesentwürfe einzubringen, die Trumps Anordnungen zurückdrehen und gleichzeitig die Befugnisse der Exekutive beschneiden. Auch die republikanischen Senatoren Lindsay Graham und John McCain kritisierten das Dekret – und wurden umgehend von Trump auf Twitter attackiert. Dass so im Kongress Mehrheiten gegen Trump entstehen, erscheint derzeit dennoch unwahrscheinlich.
Mehr beeindrucken lassen könnten sich republikanische Politiker hingegen von einer ungewohnten Kritik: Auch Charles Koch, mit seinem Bruder einer der wichtigsten Finanziers republikanischer Wahlkämpfe und der Tea Party, stellt sich gegen Trumps Migrationspolitik und den „autoritären Stil“ des Präsidenten.
Im ganzen Land hatten am Wochenende Tausende Menschen an Flughäfen, aber auch in zahlreichen Innenstädten, gegen Trumps Dekrete und für eine offene Gesellschaft demonstriert. Allein in New York City kamen etwa 10.000 Menschen zusammen. Trump machte per Twitter Computerprobleme als Hauptgrund für die Verzögerungen in der Abfertigung an einigen Flughäfen verantwortlich.
Am Montag rechtfertigte der US-Präsident, wiederum über Twitter, sein Vorgehen, das von vielen Beobachtern als vollkommen überhastet, schlecht geplant und mangelhaft kommuniziert kritisiert worden war: „Würde man das Einreiseverbot eine Woche im Voraus ankündigen, würden die ,Bösen' ganz schnell ins Land strömen. Viele böse ,Buben‘ da draußen!“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
„Eine Schockstarre, die bis jetzt anhält“
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Rechtsextreme instrumentalisieren Gedenken
Bundestagswahl 2025
Parteien sichern sich fairen Wahlkampf zu
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Bundestagswahl am 23. Februar
An der Wählerschaft vorbei
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund