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Folgen des Militärputsches in MyanmarWarnung vor „Politizid“

Eine Studie untersucht politische Morde der Militärjunta und der Rebellen. Es gab über 6.000 tote Zivilisten in den 20 Monaten nach dem Putsch​.

25. Juni 2023: Beerdigung von Opfern eines Luftangriffs bei Pasuang im östlichen Kayah-Staat Foto: Foto: ap

Bangkok taz | Drei Monate hielt es der junge Hauptmann nach dem Putsch von Myanmars Generälen gegen die Friedensikone Aung San Suu Kyi am 1. Februar 2021 noch bei der mordenden Armee des südostasiatischen Landes aus. Dann wechselte „Saigon“, so der spätere Deckname des schmächtigen Karrieresoldaten, die Seiten und schloss sich der Gruppe „Warriors of Liberation“ (kurz: Wolf) in der Magwe-Region, einer der gewalttätigsten Regionen des Landes, an.

Rund zweieinhalb Jahre nach dem Putsch büßt Aung San Suu Kyi eine von der Junta verhängte Haftstrafe von 30 Jahren wegen fadenscheiniger Vorwürfe ab. „Saigon“ wiederum wird samt sechs Mitstreitern seiner Wolf-Kampfgruppe seit dem 11. April dieses Jahres von der ethnischen Rebellengruppe „Karen Independence Army“ (KIA) festgehalten.

„Wir haben Beweise, dass er gefoltert wurde und mit Elektroschocks drangsaliert wird“, sagt May (Name geändert), eine Bekannte des früheren Captains, Ende Juni gegenüber der taz. „Es gibt kein ordentliches Verfahren. Das ist Irrsinn. Wir kämpfen in einer Revolution für Gerechtigkeit und wenden die gleichen bestialischen Methoden wie die Militärjunta an.“ Tatsächlich scheinen die Vorwürfe gegen den Captain eher fadenscheinig zu sein.

Wie das Exilnachrichtenportal Irrawaddy, das auch ein Foto des schmächtigen Kommandeurs der Wölfe veröffentlichte, berichtete, verkrachten „Saigon“ und seine Mitstreiter sich mit U Maung Maung Wan, einem Veteranen der nach den Aufständen im Jahr 1988 benannten 88er-Widerstandsbewegung.

Misstrauen, Spionagevorwürfe, politische Morde

Der hatte kurz nach dem Putsch das sogenannte „Peoples Militia Strategy Advisory Bureau“ (PMSAB) gegründet. Von ihm und einem Mann namens Ko Min Maung Maung, einem anderen Deserteur des Juntamilitärs, stammen demnach die Spionagevorwürfe gegen „Saigon“.

Abgrundtiefes Misstrauen, kleinbürgerliches Intrigenspiel innerhalb der Widerstandsbewegung und bloße Verdächtigungen innerhalb der „Volksbefreiungskräfte“ (PDF), der bewaffneten Widerstandsgruppe, passen inzwischen in ein Muster, das Stein Tønnesson und Min Zaw Oo vom Peace Research Institute Oslo (Prio) zur Warnung vor einem „Politizid“ in Myanmar veranlasst. Politizid ist ein Unterbegriff des Genozids und meint Tötungen einer Gruppe, die durch politische Überzeugung miteinander verbunden ist.

Mit zunehmender Dauer des Konflikts und wachsender Stärke der bewaffneten Rebellen glichen sich laut der am 13. Juni veröffentlichten PRIO-Studie „Counting Myanmars Civilian Deaths“ manche Methoden beider Seiten an.

Die oppositionelle Untergrundregierung (NUG) „muss mehr gegen außergerichtliche Tötungen unternehmen, um mehr internationale Anerkennung zu gewinnen“, fordern die Autoren. „Die NUG veröffentlichte Richtlinien, laut denen die Anti-Junta-Kämpfer Zivilisten schützen sollen. Die Tötungen gingen dennoch weiter.“

Rebellen geben keine Hinweise auf transparentes Verfahren

Im Fall „Saigon“ fehlt jeder Hinweis auf ein transparentes Verfahren. Seine Freunde fürchten deshalb das Schlimmste. Weder die Führung der Rebellentruppe KIA noch die Gegenregierung NUG antworteten auf Nachfragen. Laut Diplomaten gebe es auch beim Auswärtigen Amt in Berlin wenig Neigung, der NUG in Myanmar auf die Finger zu schauen.

Dabei gehört politischer Mord beider Seiten in Myanmar zum Alltag. Laut der PRIO-Studie wurden in den 20 Monaten zwischen dem Tag des Putschs und Ende September 2022 mindestens 6.337 Zivilisten in Myanmar getötet.

Rund 3.000 dieser gezielten politischen Morde gehen auf das Konto der Junta, die zudem vier politische Dissidenten hinrichtete. 2.152 Landsleute ermordeten Gegner der Diktatur wegen mutmaßlicher Kooperation mit der Junta, 1.170 Tötungen konnten laut Studie nicht zugeordnet werden.

Die Sicherheitslage in Myanmar gilt mittlerweile als so prekär, dass laut Experten die bewaffneten Kräfte der Junta in etwa der Hälfte des Territoriums keine Bodenoperationen mehr unternehmen können oder die Verwaltung durch das Militär nur noch auf dem Papier besteht. Das Militär greift deshalb verstärkt auf die Luftwaffe zurück.

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