Folgen des Militärputsches in Myanmar: Verdoppelung der Armut befürchtet
Ein UN-Bericht sieht bis 2022 die Hälfte von Myanmars Bevölkerung von Armut bedroht. Neben der Pandemie hat das auch mit dem Putsch zu tun.
Am schlimmsten dürfte es demnach Frauen und Kinder treffen. Covid-19 und die anhaltende politische Krise bildeten sich gegenseitig verstärkende Schocks, die die Schwächsten noch tiefer in die Armut zurückdrängten, sagte die für den Asien-Pazifikraum zuständige UNDP-Regionaldirektorin Kanni Wignaraja der Nachrichtenagentur Reuters.
Die Entwicklungsfortschritte, die in dem Jahrzehnt während des demokratischen Übergangs erzielt worden seien, würden „innerhalb weniger Monate ausgelöscht“. Lieferketten funktionieren nicht mehr richtig, die Landeswährung steht unter Druck, Preise für Energie steigen und das Bankensystem ist gelähmt, wird in dem UNDP-Bericht ausgeführt wird.
Womöglich könne das Land auf den Stand von 2005 zurückfallen, als in Myanmar ebenfalls das Militär herrschte und die Hälfte der Bevölkerung arm war, sagte Wignaraja. Das Ausmaß der Krise erfordere eine dringende und internationale Reaktion.
Kaum noch Bekämpfung der Coronapandemie
Im Zuge des Putsches vom 1. Februar und der seitdem anhaltenden massiven Proteste lähmen Dauerstreiks viele Bereiche der Wirtschaft und des öffentlichen Lebens. Dabei ist die Bekämpfung der Coronapandemie völlig in den Hintergrund getreten, zumal auch viele Krankenhäuser bestreikt werden.
So wird derzeit kaum noch auf Covid-19 getestet und kaum noch gegen Corona geimpft. Leitende Ärzte, die gegen die Junta protestieren, wurden verhaftet oder werden steckbrieflich gesucht. Gesundheitspersonal wird von Militär und Polizei verprügelt und Krankenwagen zerstört, weil ihre Besatzungen verletzte Demonstrant:innen versorgen.
Inzwischen haben viele Hilfsorganisationen ihre Projekte zunächst eingestellt, ebenso liegen viele wirtschaftliche Investitionen auf Eis. Die exportorientierte Textilindustrie liegt völlig brach. Einige westliche Firmen haben bereits ihren Rückzug aus Myanmar angekündigt, hinzu kommen Sanktionen westlicher Regierungen gegen zwei Konglomerate des Militärs sowie Kreditsperren durch Entwicklungsbanken.
Der Außenhandel leidet, weil kaum noch Schiffe Myanmar anlaufen. Auch innerhalb des Landes stocken die Transporte. Und Überweisungen aus dem In- und Ausland werden wegen des effektiven Streiks im Banksektor kaum noch bearbeitet. Hinzu kommt, dass das Militär jetzt Geldflüsse überprüft, um den Widerstand auszutrocknen.
Schwere Bankenkrise
Sobald eine Bankfiliale überhaupt öffnet, bilden sich große Schlangen. Angesichts der Knappheit von Bargeld versuchen Kund:innen verzweifelt an Geld zu kommen. Teilweise stehen sie schon ab 4 Uhr vor Filialen an. Diese fertigen aber nur eine sehr begrenzte Zahl an Kund:innen pro Tag ab. Und sie dürfen nur maximal 1 Million Kyat (580 Euro) pro Konto pro Woche auszahlen. In Mawlamyaing gab die Polizei am Donnerstag sogar Warnschüsse auf Wartende vor einer Filiale der KBZ-Bank ab, berichtete Eleven Media.
Die Junta hofft auf Erleichterungen durch die am Donnerstag erfolgte Wiederaufnahme mobiler Bezahlsysteme bei zunächst fünf Banken. Die von der Junta aus politischen Gründen verhängten Internetsperren hatten auch den Zahlungsverkehr getroffen und die Bankenkrise noch verstärkt.
Das Militär will jetzt die lokale Menschenrechtsorganisation AAPP (Assistance Association for Political Prisonsers) ausschalten. Diese dokumentiert akribisch die Verbrechen der Militärherrschaft gegen die Bevölkerung und veröffentlicht dazu täglich die neuesten Zahlen, die von Medien in aller Welt zitiert werden. Der Stand am Donnerstag: mindestens 759 Tote, 3.461 Inhaftierte und 1.276 per Haftbefehl Gesuchte.
Trotz dieser erschreckenden Zahlen gehen die Proteste auch nach inzwischen fast drei Monaten weiter. So wurde am Freitag wieder in den Städten Monya und Bago demonstiert. Und in der Metropole Yangon ging bei strömendem Regen ein großer Flashmob auf die Straße.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Wahlverhalten junger Menschen
Misstrauensvotum gegen die Alten
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Donald Trump zu Ukraine
Trump bezeichnet Selenskyj als Diktator