piwik no script img

Folgen des Abgasskandals bei VWWinterkorn lehnt Rücktritt ab

Der Druck steigt, doch VW-Chef Martin Winterkorn will nicht zurücktreten. Unterdessen setzt Verkehrsminister Dobrindt eine Untersuchungskomission ein.

Winterkorn (r.) will bleiben. Der „Tagesspiegel“ hatte berichtet, dass Porsche-Chef Matthias Müller (l.) ihn ablösen solle. Foto: reuters

BERLIN/Wolfsburg dpa | Im Skandal um Abgas-Manipulationen des Volkswagen-Konzerns setzt Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) eine Untersuchungskommission ein. Die Kommission unter Leitung von Verkehrs-Staatssekretär Michael Odenwald werde noch diese Woche nach Wolfsburg reisen, sagte Dobrindt am Dienstag in Berlin.

Sie soll nach seinen Worten untersuchen, „ob die betreffenden Fahrzeuge konform der deutschen und der europäischen Regeln gebaut und auch geprüft worden sind“. Dazu wollen die Experten Gespräche führen und Einblick in Unterlagen erbitten.

VW-Vorstandschef Martin Winterkorn bat am Dienstag in einer Videobotschaft öffentlich um Entschuldigung und versprach Aufklärung und Wiedergutmachung. Er betonte: „Auch ich habe zum jetzigen Zeitpunkt nicht die Antworten auf alle Fragen.“ Er entschuldigte sich bei Kunden, bei den Behörden und der gesamten Öffentlichkeit für das „Fehlverhalten“.

Berichte über eine Ablösung bestätigte er nicht. Der Tagesspiegel hatte zuvor unter Berufung auf Aufsichtsratskreise berichtet, das Kontrollgremium wolle den 68-Jährigen an diesem Freitag von seinen Aufgaben an der Konzernspitze entbinden und dafür den bisherigen Porsche-Chef Matthias Müller zum Nachfolger küren.

Verkehrsminister Dobrindt sagte, Volkswagen habe die Unterstützung aller Maßnahmen zugesagt. Es werde auch Gespräche mit der US-Umweltbehörde EPA und anderen deutschen Herstellern geben. In der Kommission sitzen Fachleute des Ministeriums und des Kraftfahrt-Bundesamtes. Ihre Arbeit wird den Angaben zufolge auch wissenschaftlich begleitet.

Die EPA wirft VW die Manipulation von Schadstoffmessungen bei Dieselfahrzeugen vor, es drohen milliardenschwere Strafzahlungen. Die Wolfsburger haben das Fehlverhalten bereits eingeräumt und einen Verkaufsstopp für die betreffenden Modelle in den USA erlassen.

Grüne und Linke fordern Konsequenzen

Unterdessen sieht die Opposition auch Dobrindt am Zug. Grüne und Linkspartei im Bundestag forderten am Dienstag Konsequenzen für die gesamte Autobranche und Aufsichtsbehörden.

„Herr Dobrindt ist jetzt gefragt, dafür zu sorgen, dass diese Mauschelei zwischen Bundesregierung, zwischen Behörden, zwischen Politik und Konzernen beendet wird“, erklärte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter. Es müsse dafür gesorgt werden, dass auch große Konzerne sich an Umwelt- und Abgasvorschriften halten.

Caren Lay von der Linkspartei warf Dobrindt vor, der Automobilindustrie viel zu lang blind vertraut zu haben. „Jetzt muss er schnell umfassende Pläne vorlegen, damit solch ein Betrug von vornherein unterbunden wird“, erklärte die stellvertretende Fraktionsvorsitzende. Alle Autokonzerne müssten gezwungen werden, ihre Schadstoff- und Verbrauchswerte offen zu legen: „Wir brauchen bei allen Herstellern, und nicht nur bei VW, stärkere Kontrollen.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • Alle Diskussionen haben sich erledigt. Auf Phjoenix habe ich gegen 18 Uhr eine Pressekonferenz gesehen in der mitgeteilt wurde das Herr Winterkorn seinen Posten räumt.

    Also ist das Zurücktreten wegen persönlicher Fehler noch nicht ganz aus der Mode gekommen.

    Wessen er sich nun schuldig gemacht hat, Unfähigkeit weil er so eine Manipulation nicht gemerkt hat. Oder ob er schlicht davon wusste und sich strafbar machte, sollen jetz die Ermittlungsbehörden klären.

  • Winterkorn hält offensichtlich an der Überzeugung der eigenen Gottgleichheit fest, wider alle Tatsachen. Ab heute heißt er für mich Martin Blatter.

  • VW hatte jahrelang offenbar kein Problem damit, die berühmten aktuellen Standards von Gesetzen und Vorschriften nicht nur zu missachtenund nicht nur trickreich, sondern ganz einfach vorsätzlich frech zu umgehen. Niemand weiß, welche anderen Firmen die gleiche Software eingesetzt haben, niemand weiß, welche anderen Tricks von großen Konzernen auch in anderen Branchen eingesetzt werden, um die kaum noch vorhandene staatliche Aufsicht zu auszuhebeln..

     

    Man rechnet offenbar damit, dass entweder die staatliche Kontrolle viel zu dünn besetzt ist oder das im Ernstfall wohlgesonnene Politiker ihren Einfluss geltend machen und Untersuchungen wegen Verletzung der "Standards" abblasen.

     

    Damit gesetzliche Einschränkungen beim Geschäftemachen gar nicht mehr stören, versuchen die großen Konzerne von EU und USA, die Freihandelsverträge TTIP , CETA und TISA durchzusetzen und die noch bestehenden "Standards" und Normen weitgehend abzubauen.

     

    Denn die noch bestehenden Gesetze und Vorschriften, die für die Konzerne heute angeblich ein "Handelshemmnis" darstellen, sollen mit TTIP "dereguliert" werden, und Kommissionen aus Wirtschaft und Politik sollen in "regulatorischer Kooperation" dafür sorgen, dass die Firmen ihre eigenen Standards durchsetzen können.

     

    Skandale wie bei VW wird es in dieser schönen neuen Freihandelswelt gar nicht mehr geben, weil die an Gewinnen orientierte "Wirtschaft" mit diesen Verträgen dafür sorgen will, dass der kontrollierende demokratischen "Staat" und die kritische Öffentlichkeit irreversibel ausgeschaltet werden.

     

    Nur ein rechtzeitiger breiter baldiger Protest dagegen kann die EU-Kommission und unsere wirtschaftshörigen Gewählten davon abhalten, diese verhängnisvolle Veränderung der Lebenswirklichkeit in USA und EU durchzusetzen.

  • 7G
    774 (Profil gelöscht)

    VW beim Tricksen erwischt? Und was ist mit all den anderen "Test-Laboren", die ebenfalls geschönte Werte für die Hochglanzprospekte liefern? Jeder weiß schon lange Bescheid. Also wozu diese scheinheilige Aufregung?

  • Wieso ist es Winterkorns Entscheidung? Festnehmen und in den Knast zur U- und Beugehaft, fertig. Solches wird mitunter wegen Lappalien praktiziert, warum nicht bei Kapitalverbrechen?

    • @DR. ALFRED SCHWEINSTEIN:

      Eben aus diesen Gründen. Dem Kapital das dahintersteht.