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Folgen der rassistischen MordserieFriedrich will Register für Neonazis

Daten sammeln gegen den rechten Terror: Bundesinnenminister Friedrich will gefährliche Neonazis in einer gemeinsamen Datei erfassen. Und Beate Z. will offenbar am Mittwoch aussagen.

Uwe Böhnhardt (l.) und der spätere stellvertretende NPD-Landesvorsitzende Ralf Wohlleben (r.), aufgenommen im Herbst 1996. Gefährliche Neonazis sollen künftig in einer Datei gesammelt werden. Bild: dapd

MÜNCHEN afp/dpa | Nach Aufdeckung der rechtsextremen Zwickauer Zelle will Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) gefährliche Neonazis in einem neuen Zentralregister erfassen. Wie Friedrich der Süddeutschen Zeitung sagte, sollten in der Datei "Daten über gewaltbereite Rechtsextremisten und politische rechts motivierte Gewalttaten zusammengeführt werden". Sie solle ähnlich wie die Datensammlung zu Islamisten aufgebaut sein und vom Verfassungsschutz und den Polizeibehörden gespeist werden.

Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Peter Schaar, hat vor zu schnellen Schlussfolgerungen aus der Mordserie von Neonazis und dem übereilten Aufbau neuer Strukturen bei den Sicherheitsbehörden gewarnt. Schon jetzt sei ein Informationsaustausch zwischen Verfassungsschutz und Polizei möglich, "wenn Hinweise auf bevorstehende oder auch stattgefundene terroristische Aktivitäten vorliegen", sagte Schaar. "Diese Befugnis ist schon längst da. Daran würde irgendein neues Zentrum oder eine gemeinsame Datei überhaupt nichts ändern."

Die Bundesanwaltschaft könnte bei ihren Ermittlungen zu der Neonazi-Mordserie unterdessen am heutigen Mittwoch deutliche Fortschritte machen. Das mutmaßliche Mitglied der Zwickauer Terrorzelle, Beate Z., will nach Informationen der Stuttgarter Nachrichten eine umfassende Aussage machen. "Sie will auspacken und berät sich deshalb mit ihrem Anwalt", zitierte das Blatt einen Beamten aus Ermittlerkreisen.

Zs. gehörte laut Bundesanwaltschaft gemeinsam mit ihren inzwischen toten Komplizen Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos zur Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund". Die Gruppe soll für Morde an neun Geschäftsleuten türkischer und griechischer Abstammung sowie an einer Polizistin in Heilbronn verantwortlich sein.

Wegen möglicher Verstrickungen stellen Koalition und Opposition V-Leute des Verfassungsschutzes in der rechtsextremen Szene immer stärker infrage. Zudem wird weiter kontrovers über einen neuen Anlauf für ein NPD-Verbotsverfahren diskutiert, den Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) prüfen will.

Der Vorsitzende des Innenausschusses im Bundestag, Wolfgang Bosbach (CDU), kritisiert die Debatte. "Der Staat wirkt saft- und kraftlos, wenn Politiker alle drei Monate ein NPD-Verbot fordern, der Verbotsantrag dann aber doch nicht gestellt wird", sagte er der Neuen Osnabrücker Zeitung. Es sei nach wie vor ein unvertretbares Risiko, Informanten für die Dauer eines Verbotsverfahrens aus der Partei abzuziehen.

FDP-Generalsekretär Christian Lindner fordert vor einem neuen NPD-Verbotsverfahren eine Klärung der Rolle von V-Leuten. Ein neuerliches Verbotsverfahren werde "nur dann erfolgreich sein können, wenn Ungereimtheiten beim Verfassungsschutz, gerade beim Einsatz von V-Leuten, vollständig aufgeklärt sind", sagte er der Welt.

Der Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, André Schulz, kritisierte derweil den Thüringer Verfassungsschutz. Er gehe davon aus, dass man dort wesentlich mehr über die Zwickauer Zelle weiß als bislang bekannt, sagte Schulz dem Hamburger Abendblatt. "Ich glaube nicht, dass das Trio 13 Jahre lang unbeobachtet seine Kreise ziehen konnte und bei all seinen Taten - Bankrauben, Morden, Attentaten - keine einzige Spur hinterlassen haben soll.

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11 Kommentare

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  • W
    Webmarxist

    Der Thüringer Vefassungsschutz muss etwas gewußt haben.

  • NH
    Norbert Hauser

    Ein Zentralregister für Neonazis und deren Anhänger ist längst überfällig. Weiterhin ist zu überlegen ob die Verfassungsschutzpräsidenten und einige Innenminister bei Bund und Ländern nicht vorsorglich in diese Datei aufgenommen werden sollten.

    N.H. Berlin

  • H
    HoboSapiens

    Statt einen neuen Datenmonster zu schaffen sollten die dafür zur Verfügeung gestellten Gelder lieber genutzt werden um Jugendlichen eine Alternative zu bieten, gerade im ländlicheren Raum ist Rattenfängern doch die Tür offen.

    Eine "wehrhafte Demokratie" sollte nicht nur reagieren sonder agieren. da ist Prevention doch um einiges sinniger als Daten zu sammeln. Ausser natürlich wenn man in aller Regelmäßigkeit von den eigentlichen Problemen ablenken möchte.

    Das funktioniert nämlich super wenn man sich die Nazis selber ranzieht und dann gegen die "bösen" linken wettert die verständlicher Weise ein Problem mit menschenverachtender Meinung und Taten haben.

    Da diese Meinung nicht nur "Am rechten Rand" zu finden ist sondern es genug Bsp. gibt wo "Volksvertreter" sich rechten Parolen bedienten. ist es mitlerweile auch gängig das der "Extremismusbegriff" mehr als überholt ist.

     

    Demokratie hat etwas mit Beteiligung zu tun, wenn diese Beteiligung sich darauf reduziert das man evtl. alle 4-5 Jahre seine "Stimme abgibt" muss man sich nicht wundern das Menschen sich ein anderes Organ zum handeln suchen.

     

    Leider müssen erst Menschen sterben das dei medien und die Politik aufwacht und sieht das es Täglich menschen gibt die von menschenverachtenden Schlägern und Rattenfängern bedroht und verfolgt werden. Was sich jetzt als Spitze offenbar wurde ist Alltag in Deutschland, leider.

  • SS
    @ Stefan

    yeah...extremismus-theorie!!! lies erstmal forschungsergebnisse von hoch angesehenen soziologen und psychologen. dein extremismus-quatsch basiert auf gefährlichem halbwissen und populistischem gequatsche von politikern die von mitte links bis ganz rechts stehen. du willst ernsthaft 160 morde (seit 1990) von neonazis mit einigen brandanschlägen(sachbeschädigungen!!!) und steinwürfen gleichsetzen???!!! du willst ernsthaft eine ideologie des hasses und der menschenverachtung, des rassismus und des faschismus mit einer ideologie der freiheit( auch wenn es nicht unbedingt die freiheit des luxus´ist) gleichsetzen?! zuviel springer-presse gelesen?!

  • RK
    radi karl

    @ stefan: Dass du mit deinem stumpfen konservativen logorrhö immernoch in der taz rumspammst erstaunt mich immer wieder... vermute fast du bist ein online-V-mann, bezahlt von frau christina schröder...? du willst doch nicht allen ernstes behaupten, dass linke mit neofaschisten gleich zu setzen wären? nur mal die statistik für die BRD seit 1980: 0 morde von links, aber über 130 von rechts... Es ist echt krass, wie zivilcourage und gesellschaftliches engagement mittlerweile als links "extremismus" kriminalisiert werden! aber das kennen wir ja - alles was euch CDUler_innen nicht passt, gehört verboten... von daher: selber extremist!

  • S
    suswe

    Erinnert sich noch jemand an die Nachrichten über die ausgehobenen Waffenlager der Neonazis in den Achtzigerjahren des letzten Jahrhunderts?

    Es gibt kein Register über Neonazis, aber über Islamisten? Von den Linken ganz zu schweigen? Wundert sich noch jemand darüber, dass der VS Thüringen nicht vor dem parlamentarischen Kontrollausschuss erscheinen wollte?

  • RH
    Ron Hard

    Nicht nur eine Zentralregistrierung wird "angedacht", auch ein NPD-Verbot ist wieder im Gespräch.

     

    Sicher, man darüber diskutieren, ob es sinnvoll ist die NPD endgültig zu verbieten. Nur, was wäre mit einem solchen Verbot gewonnen? Werden die rechtsextremen Hohlköpfe dadurch weniger? Wohl kaum. Sie werden nur schwerer kontrollierbar. Solange sie sich in bekanntem Rahmen bewegen, dürfte es den Verfassungsorganen leichter fallen sie zu beobachten und zu kontrollieren. Wenn sie denn ihre Arbeit machen und nicht weiterhin auf dem rechten Auge mit Blindheit geschlagen sind, diese unsere Verfassungsorgane, die momentan nur dafür sorgen, dass eine verständnislose Bevölkerung um Fassung ringt.

     

    Weit wichtiger, als über Parteiverbote nach zu denken ist, endlich eine effiziente Aufklärungsarbeit zu leisten. Insbesondere bei den Jugendlichen. Jungen Menschen eine Perspektive zu geben und sie damit vom Einfluss braunen Gedankengutes fern zu halten.

     

    Hier ist in erster Linie die Politik gefordert. Die von uns, dem Volk, in das Parlament gewählten Politiker. Diese haben aber in der Hinsicht genauso kläglich versagt, wie der desolate Verfassungsschutz bei der Überwachung von Naziterroristen.

     

    Auf eine interessante Sichtweise der Dinge bin ich hier gestoßen: http://tinyurl.com/7tlkulw

     

     

    In diesem Sinne, und immer wachsam bleiben,

     

    Ron Hard

  • LK
    Lukas Klemenz

    Leider muss immer erst etwas passieren, damit eine öffentliche Debatte entsteht und die Verantwortlichen zu (halbherzigen) Reaktionen gezwungen werden. Zwei Reaktionen fallen besonders auf. So fordert Hans-Peter Uhl von der CSU mal wieder eine Neuregelung der Vorratsdatenspeicherung. Totgeglaubte leben länger! Sein Parteikollege Bundesinnenminister Friedrich hingegen fordert ein Zentralregister für Neonazis und lückenlose Aufklärung.

     

    Eine Vorratsdatenspeicherung schränkt die Grundrechte von Millionen von Bürgern ein. Solche Eingriffe bedürfen einer Rechtfertigung. Die jetzt bekannt gewordenen Terrorakte hätten aber auch mit Vorratsdatenspeicherung nicht verhindert werden können, da die Behörden keinen rechtsradikalen Hintergrund vermuteten, stattdessen den Terroristen in die Hände spielten. Kein guter Vorschlag.

     

    Und das Zentralregister? Vorbild dafür soll das bereits existierende Register für Islamismus sein. Warum erst jetzt? Es ist doch wohl das allermindeste, dass das Versagen der Behörden aufgeklärt wird und dass rechter Terror die gleiche Aufmerksamkeit erhält. In der Vergangenheit wurde Gewalt von rechts zu lange kleingeredet.

  • D
    detlev

    Frau Beate Z. ist jetzt offensichtlich die, welche sich Sorgen muss. Würde es uns wundern, das ein -nennen wir es mal- tragischer unfall geschehen würde, um belastende aussagen bezüglich des verfassungsschutzes zu vermeiden?

  • O
    olaf

    nach dem er polemisch vorher immer vor linksterrorismus gewarnt hatte, will sich der bock populistisch mit seiner herde jetzt selbst zum gärtner machen.

  • R
    RedHead

    Solche Datenbanken existieren doch schon längst und das ist schlimm genug. Ich finde den Gedanken ziemlich übel, dass der Staat in einer Datei speichert, wer welche politische Einstellung hat (es glaubt doch nicht ernsthaft jemand, dass nur Rechtsradikale gespeichert werden?!). Die Einstellung ist ja wohl irgendwie auch egal, wenn sich jetzt beispielsweise eine VAF (Vegane Armee Fraktion) Gründen würde und Terroranschläge gegen Leute verübt die mit Massentierhaltung in Verbindung gebracht werden, dann ist wäre das auch nicht besser! Würde man in diesem Fall ein Bundesregister für Veganer fordern?

    Gut, der Vergleich hinkt insofern, dass Nazis regelmäßig durch Gewaltverbrechen auffallen, das ist gewissermaßen das Hauptproblem, wenn sie es dabei belassen würden, am Stammtisch Ausländer, schwarze, Juden etc. für ihre Probleme verantwortlich zu machen, könnte man das belächeln und gut ist. Aber ich bin mir sicher, eine Datei für bekannte Gewaltverbrecher gibt es erst recht! Friedrichs Datensammelwut macht mir mehr Sorgen als irgendein Dorfnazi, der halt zusammen mit den anderen über Ausländer hetzt, um sozialen Anschluss zu finden, aber ansonsten harmlos ist. Diese Datensammelei ist gewissermaßen Nazimethodik!

    Eine sinnvolle Maßnahme wäre beispielsweise, wenn Deutschland aufhören würde, Massenmördern ihren Lebensunterhalt zu bezahlen und den Nazis personell und finanziell zu helfen ihre Infrastruktur zu erhalten! Die NPD wäre ohne Verfassungsschutz möglicherweise schon längst verboten und selbst wenn nicht, wäre sie eventuell gar nicht in der Lage, irgendwelche Politik zu machen.

     

    übrigens, @taz: Es ist nicht besonders schlau auf einem Foto 2 Personen abzubilden und dann im Text unter dem Bild die Person in der Mitte zu referenzieren. Das ergibt nur bei einer ungeraden Anzahl von Personen, die irgendwie geordnet abgebildet sind einen Sinn, 2 Personen nebeneinander ist das extreme Gegenteil dieser Situation.