Kommentar Rassistische Morde: Die Fähigkeit zu trauern

Ein öffentlicher Staatsakt für die Opfer der rechtsextremen Mordserie wäre ein richtiges Signal. Merkel hat nun die Chance, es besser zu machen als ihr Vorgänger Kohl.

Auf das Erschrecken folgt der Aktionismus. Nun überbieten sich die Politiker mit Ideen, welche Konsequenzen aus der rechten Mordserie zu ziehen sind: ein Zentralregister für gefährliche Neonazis, wie es bereits für Islamisten existiert? Ein genereller Verzicht auf V-Leute beim Verfassungsschutz? Oder ein neuer Anlauf zu einem Verbot der NPD, den nun sogar die Bundeskanzlerin für bedenkenswert hält?

All diese Vorschläge haben eines gemeinsam: Sie sind eher technischer Natur. Als gelte es nur, einen Fehler im System zu reparieren, damit sich so ein monströses Verbrechen nicht wiederholen kann. Aber das reicht nicht aus.

Denn das Versagen der Ermittlungsbehörden hat nicht nur das Zeug, Deutschlands "Ansehen in der Welt" zu schaden, wie Außenminister Guido Westerwelle jüngst zu Recht beklagte. Es ist auch geeignet, das Vertrauen in den deutschen Staat zu erschüttern - insbesondere, aber nicht nur bei Einwanderern aus der Türkei. Die Bundesregierung muss deshalb jetzt ein Zeichen setzen, dass alle Menschen in Deutschland den gleichen Schutz genießen und sie den Kampf gegen rechte Gewalt ernst nimmt. Die immer neuen, ungeheuerlichen Details, die in diesem Fall ans Licht kommen, nähren die Zweifel daran, ob das in der Vergangenheit immer der Fall war.

Ein öffentlicher Staatsakt für die Opfer der rechtsextremen Mordserie wäre ein richtiges Signal. Was für die durch die Tsunami-Katastrophe im Indischen Ozean im Winter 2004 getöteten Deutschen recht war, wäre auch für von rechten Verbrechern Ermordete angemessen.

Angela Merkel hat nun die Chance, es besser zu machen als ihr Vorgänger Helmut Kohl. Der weigerte sich einst, nach dem Brandanschlag von Solingen 1993 zur Trauerfeier für die Opfer zu fahren. Damit nahm er in Kauf, viele Einwanderer aus der Türkei auf Jahre von Deutschland zu entfremden. Merkel kann nun zeigen, dass sie die Fähigkeit zum Trauern besitzt - und damit ein wichtiges integrationspolitisches Signal setzen.

Natürlich können solche symbolischen Gesten des Mitgefühls keine bessere Integrationspolitik ersetzen. Aber die Bundesregierung kann damit deutlich machen, dass ein Angriff auf eine Minderheit immer auch ein Angriff auf unser ganzes Gemeinwesen ist. Dieses Bewusstsein ist hierzulande noch immer unterentwickelt. Ein Mentalitätswandel wäre hier wichtiger als jedes neue Gesetz.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Daniel Bax ist Redakteur im Regieressort der taz. Er schreibt über Politik und Popkultur – inbesondere über die deutsche Innen- und Außenpolitik, die Migrations- und Kulturpolitik sowie über Nahost-Debatten und andere Kulturkämpfe, Muslime und andere Minderheiten sowie über die Linkspartei und das neue "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW). 2015 erschien sein Buch “Angst ums Abendland” über antimuslimischen Rassismus. 2018 folgte das Buch “Die Volksverführer. Warum Rechtspopulisten so erfolgreich sind.”

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.