Folgen der Wirtschaftskrise: Entlassungen sollen verhindert werden
Großunternehmen wollen trotz Krise versuchen, auf Kündigungen im kommenden Jahr zu verzichten. Gewerkschaften setzen auf kürzere Arbeitszeiten als Alternative.
BERLIN taz Die Ankündigung großer deutscher Unternehmen, mit der Bundesregierung über einen Verzicht auf Kündigungen im Jahr 2009 zu verhandeln, ist bei Gewerkschaften auf positive Resonanz gestoßen. Die Opposition hält die Pläne hingegen für substanzlos. Beim Treffen im Kanzleramt am Sonntagabend hatte Siemens-Chef Peter Löscher angeboten, im nächsten Jahr unter bestimmten Bedingungen auf betriebsbedingte Kündigungen zu verzichten. Andere Topmanager und die großen Wirtschaftsverbände signalisierten Unterstützung. Um die Umsetzung zu prüfen, wurde eine Arbeitsgruppe eingesetzt. Am Montag kündigte Regierungssprecher Ulrich Wilhelm an, dass sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU) im Januar mit den Vorstandschefs der 30 deutschen DAX-Unternehmen treffen will, um zu "prüfen, welche Selbstverpflichtung möglich ist, um betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden". CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla forderte, zur Unterstützung der Unternehmen, beim Kurzarbeitergeld einen Teil der Sozialbeiträge zu erlassen.
SPD und Gewerkschaften begrüßten die Ankündigung der Unternehmen. "Das ist ein gutes Signal", sagte SPD-Generalsekretär Hubertus Heil. Der IG-Metall-Vorsitzende Berthold Huber sieht damit eine wichtige Gewerkschaftsforderung erfüllt. "2009 darf kein Jahr der Entlassungen werden", forderte Huber im ZDF. Die Menschen, die den Aufschwung erwirtschaftet haben, dürfe man jetzt nicht "von einem auf den anderen Tag rausschmeißen". Stattdessen setzt die Gewerkschaft auf Arbeitszeitverkürzungen ohne vollen Lohnausgleich. In der Metallindustrie ist es nach dem Beschäftigungssicherungs-Tarifvertrag bereits jetzt möglich, die wöchentliche Arbeitszeit auf betrieblicher Ebene auf 29 Stunden zu reduzieren, erklärte IG-Metall-Sprecher Jörg Köther. Auch Arbeitszeitkonten könnten genutzt werden, um Entlassungen zu verhindern. Bisher werden diese vor allem eingesetzt, um zusätzlich geleistete Stunden von Arbeitnehmern gutzuschreiben. Bei fehlenden Aufträgen könne man die Arbeitszeitkonten auch "ins Minus fahren", so Köther. Angestellte würden dann heute für Stunden bezahlt, die sie nach Ende der Krise abarbeiten müssten.
Ein solches Modell hält auch Gustav Horn vom gewerkschaftsnahen Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) für machbar. "Schon jetzt ist die Zahl der Arbeitsstunden rückläufig, ohne dass es zu Entlassungen kommt", sagte Horn der taz. "Das zeigt, dass die interne Flexibilisierung funktioniert." Die Ausweitung von Arbeitszeitkonten seien ein "Mittel, mit dem die Unternehmen in der Krise Zeit gewinnen können".
Ganz anders sieht das die Partei Die Linke. "Die Zusage der Unternehmen ist nichts als heiße Luft", sagt Werner Dreibus, gewerkschaftspolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion. Als politische Orientierung sei eine Jobgarantie zwar richtig. "Aber die Krise wird sich nicht über Appelle lösen lassen." Kurzarbeit sei als Instrument bereits weitgehend ausgeschöpft, und negative Arbeitszeitkonten bedeuteten hohe Kosten für die Unternehmen. Auch die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Grünen, Brigitte Pothmer, hält die Debatte um die freiwillige Selbstverpflichtung für "einen Ausdruck von Hilflosigkeit". Statt solcher "Symbolpolitik" sei ein umfangreiches Programm für Arbeit und Qualifizierung notwendig.
Selbst die FDP sieht die Ankündigungen der Wirtschaft mit großen Zweifeln. Mit solchen Zusagen werde den Bürgern Sand in die Augen gestreut, sagte Parteichef Guido Westerwelle. "Wenn die Wirtschaft im nächsten Jahr abschmiert, wird es auch Entlassungen geben."
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