Förderung des Wissenschaftstransfers: Hemmschwellen abbauen

Mit dem Förderprogramm „Innovative Hochschule“ soll auch der Kontakt zwischen Wissenschaft und Bürgern gefördert werden.

Campus der Ruhruniversität in Bochum

Universitäten suchen verstärkt den Kontakt zu ihrem regionalen Umfeld Foto: imago/Jochen Tack

BERLIN taz | „Blue Square“ nennt die Ruhr-Uni Bochum den fünfstöckigen Wissens-Bau in der Innenstadt, dessen Fenster abends bläulich schimmern. Mark Frömmrich spricht lieber von der „Universität zum Anfassen“, denn hier soll auch sprachlich ein, wie er sagt, „niedrigschwelliger Zugang zur akademischen Welt“ geboten werden. Frömmrich ist für die Wissenschaftskommunikation der RUB zuständig und „Blue Square“ ist das Bochumer Leitprojekt für die sogenannte „Dritte Mission“, mit der Hochschulen sich stärker dem gesellschaftlichen und regionalen Umfeld zuwenden wollen.

Inzwischen ist ein landesweiter Öffnungsprozess in Gang gekommen, der neben den beiden Hauptmissionen jeder Hochschule, die Lehre und die Forschung, auch als dritte Aktivität den Transfer in die Wirtschaft und den Kontakt zur Bürgerschaft fördert. Vor Kurzem fand in Berlin die Auftaktveranstaltung für die Bund-Länder-Initiative „Innovative Hochschule“ statt, die dafür in den nächsten fünf Jahren 550 Millionen Euro bereitstellt. Das Thema beschäftigt auch den Wissenschaftsrat, der in seiner letzten Sitzung im Januar ein Papier zu den „regionalen Kooperationen wissenschaftlicher Einrichtungen“ (pdf-Datei) verabschiedete.

Bochum, nach Nokia- und Opel-Wegzug mitten im wirtschaftlichen Strukturwandel, braucht dringend wissenschaftliche Auffrischung für die nachindustrielle Ökonomien. Mark Frömmrich ist mit seinem Kommunikationsansatz zufrieden, der seit 2013 an die 5.600 Besucher zu Vorträgen und Veranstaltungen in den „Blue Square“ gelockt hat. „Besonders gut besucht sind aktuelle Themen, etwa zur Digitalisierung“, sagt er. 59 Prozent der Besucher kommen aus der Stadt, nur 31 Prozent sind Uni-Angehörige. Die ältere Generation schätzt die Gratis-Vorlesungen: 70 Prozent der Besucher sind über 50, die unter 30-jährigen sind nur zu 20 Prozent dabei.

Die 29 Projekte von insgesamt 48 Hochschulen und 23 außerwissenschaftlichen Partnern hatten zum Programmstart allerdings überwiegend konventionellen Technologietransfer und gewohnte Innovationslyrik im Angebot. Die Technische Hochschule Wildau will sieben neuen „Transferscouts“ durch die Labore schicken, die zudem „Testbeds“ und „Showrooms“ für neue Technikanwendungen anbieten sollen. Die Pädagogische Hochschule Heidelberg will sich im „bidirektionalen Transfer von Bildungsinnovationen im außerschulischen Bereich“ engagieren. Wo Projekte konkret beschrieben werden, wirken sie mitunter schräg.

Die Hochschule Anhalt arbeitet mit 35 regionalen Partnern an der Digitalisierung der Lebenswissenschaften. Im Kontext von „Smart Farming“, der digitalisierten Landwirtschaft, sollen Drohnen entwickelt werden, die im Kornfeld die Brutplätze von Singvögeln ausfindig machen, und die Daten dem Mähdrescher meldet, bevor Unheil geschieht. Die „innovative Hochschule“ ist erkennbar ein Programm mit Suchprozess, das sein Profil noch finden muss.

Virtuelle Super-Uni

In der Theorie ist der Wissenschaftsrat schon einen Schritt weiter. Zwar stellt sein Papier Fortschritte in den letzten Jahren fest und nennt dabei konkret die „Universitätsallianz Ruhr“, der virtuellen Super-Uni aus Bochum, Dortmund und Duisburg-Essen, dem „Forschungscampus Mittelhessen“ und den Spitzencluster Ostwestfalen-Lippe („It’s OWL“). Ein Verbund neueren Typs ist die „Mainzer Wissenschaftsallianz“, deren Netzwerk aus der Beteiligung am Wettbewerb des Stifterverbandes „Stadt der Wissenschaft“ entstand.

Der Wissenschaftsrat empfiehlt mehr „Initiativen zur gesellschaftlichen Verankerung von Wissenschaft“ in der Region. „Viele wissenschaftliche Einrichtungen nehmen den Doppelcharakter der Region als Gelegenheits- und Verantwortungsraum noch nicht hinreichend wahr“, schreibt das Gremium. Im Austausch mit der Zivilgesellschaft werde der Wissenschaft dabei „ein besonderes Maß an Kommunikationsfähigkeit abverlangt“. Nicht zuletzt benötige die neue Vernetzung einen intensiveren Erfahrungsaustausch. „Es fehlt insbesondere“, bemängelt der Wissenschaftsrat, „ein übergreifender Dialog darüber, welche Formen der Koordination welchen Zielen besonders dienlich sind.“

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