Flugzeugunglück in Frankreich: Nur ein Pilot im Cockpit
Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf hat bestätigt, dass nur ein Pilot im Cockpit der Germanwings-Maschine war. Der zweite versuchte vergeblich, zu ihm zu gelangen.
SEYNES-LES-ALPES/BERLIN dpa/rtr | Zum Zeitpunkt des Absturzes des Germanwings-Jets in den französischen Alpen hat sich nach Angaben der Staatsanwaltschaft Düsseldorf nur ein Pilot im Cockpit des Airbus aufgehalten. Dies ergebe sich aus den Ermittlungen der Behörden in Frankreich, bestätigte Christoph Kumpa von der Staatsanwaltschaft Düsseldorf am Donnerstag einen Bericht der Financial Times. Er könne allerdings nicht sagen, ob sich der Kapitän oder sein Copilot im Cockpit aufgehalten habe. Weitere Informationen werde es von seiner Behörde auf absehbare Zeit nicht geben.
Die New York Times und die französische Nachrichtenagentur AFP hatten zuvor unter Berufung auf anonyme Ermittler berichtet, dass einer der Piloten das Cockpit vor dem Absturz verlassen und die Tür bei seiner Rückkehr nicht mehr öffnen habe können. Dies solle aus den Aufnahmen des bereits gefundenen Sprachrekorders hervorgehen. Sowohl die Lufthansa als auch Germanwings konnten die neuesten Enthüllungen am frühen Donnerstagmorgen zunächst nicht bestätigen.
Kurz vor dem Crash des Airbus A320, bei dem am Dienstag alle 150 Menschen an Bord ums Leben kamen, müssen sich offenbar dramatische Szenen in dem Flugzeug abgespielt haben. Nach Angaben der mit den Untersuchungen vertrauten Ermittler soll einer der Piloten vor dem Sinkflug das Cockpit verlassen und anschließend vergeblich versucht haben, die Tür zu öffnen, um wieder ins Cockpit zu kommen.
„Der Mann draußen klopft leicht an die Tür, aber es gibt keine Antwort“, zitiert die Zeitung einen Ermittler. „Dann klopft er stärker an die Tür, und wieder keine Antwort. Es gibt keine Antwort. Und dann kann man hören, wie er versucht, die Tür einzutreten.“
Warum er das Cockpit verließ und warum das Flugzeug in den Sinkflug ging, sei unklar. „Sicher ist, dass ganz zum Schluss des Fluges der andere Pilot allein ist und die Tür nicht öffnet“, sagt der Ermittler laut New York Times. Nach AFP-Informationen höre man zu Beginn des Fluges eine normale Unterhaltung auf dem Sprachrekorder.
Keine offizielle Bestätigung
„Dann hört man das Geräusch, wie ein Sitz zurückgeschoben wird, eine Tür, die sich öffnet und wieder schließt, Geräusche, die darauf hindeuten, dass jemand gegen die Tür klopft. Und von diesem Moment an bis zum Crash gibt es keine Unterhaltung mehr“, sagt der Ermittler. Zuvor hätten sich die beiden Piloten auf Deutsch unterhalten.
„Wir haben derzeit keine Informationen vorliegen, die den Bericht der New York Times bestätigen“, sagte ein Lufthansa-Sprecher am frühen Donnerstagmorgen der Deutschen Presse-Agentur. Man werde sich bemühen, weitere Informationen zu bekommen und „sich nicht an Spekulationen beteiligen“. Nahezu wortgleich äußerte sich auch Germanwings in einer schriftlichen Erklärung. „Die Ermittlung der Unfallursache obliegt den zuständigen Behörden“, hieß es zudem. Von der französischen Untersuchungsbehörde BEA war in der Nacht zunächst keine Stellungnahme zu erhalten.
Beim Crash der Germanwings-Maschine in einer unwegsamen Bergregion in den französischen Alpen waren am Dienstag alle 150 Menschen an Bord ums Leben gekommen. Am Mittwoch wurden die ersten Opfer geborgen. Sterbliche Überreste der Getöteten seien am späten Mittwochnachmittag von der Unglücksstelle weggebracht worden, bestätigte ein Polizeisprecher in Digne. Zugleich ging die Suche nach dem zweiten Flugschreiber in dem Trümmerfeld weiter. Ohne dessen Daten dürfte die Ermittlung der Absturzursache äußerst schwierig werden.
Bergung fortgesetzt
Der Polizeisprecher in Digne ließ offen, wie viele Leichen geborgen wurden. Kleinteilige Trümmer des Airbus A320 lagen weit verteilt in dem abgelegenen Tal bei Seyne-les-Alpes. Die Suche nach den Getöteten war am Abend mit Einbruch der Dunkelheit eingestellt worden und soll am Donnerstag weitergehen. Neben der Suche nach dem zweiten Flugschreiber arbeiten die Bergungskräfte an der Ortung der Opfer.
Auch die Trümmer der Maschine sollen soweit möglich geborgen werden – auch sie könnten Aufschluss geben über die Ursache des Unglücks. Die Helfer sollen am Donnerstag erneut mit Helikoptern in das schwer zugängliche Gebiet starten, sofern das Wetter dies zulässt.
In der Nacht sollten erneut einige Spezialkräfte am Unfallort die Stellung halten und den Ort absichern. Im Laufe des Tages wurden Angehörige von Opfern aus Deutschland in dem Gebirgsort erwartet.
Nach Angaben von Germanwings-Chef Thomas Winkelmann waren 75 Bundesbürger an Bord der Unglücksmaschine. Aus Spanien stammten nach Angaben aus Regierungskreisen in Madrid 51 Opfer. Die Maschine war auf dem Weg von Barcelona nach Düsseldorf, als sie minutenlang an Flughöhe verlor und schließlich an dem Bergmassiv zerschellte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Wahlprogramm der Union
Scharfe Asylpolitik und Steuersenkungen
Krise bei Volkswagen
1.000 Befristete müssen gehen
Scholz stellt Vertrauensfrage
Traut mir nicht
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Neue israelische Angriffe auf Damaskus