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Flughafenausbau in FrankfurtWahlzeit ist Protestzeit

Jahrelang haben die Frankfurter Grünen nicht aufgemuckt, wenn es um die neue Landebahn ging. Doch jetzt will ihre Kandidatin Oberbürgermeisterin werden.

Rosemarie Heilig kann sich vorstellen, die Landebahn zu schließen – wenn sie Oberbürgermeisterin wird. Bild: dpa

FRANKFURT/MAIN taz | Tom Koenigs, Urgestein der Frankfurter Grünen, sagt zu den wachsenden Protesten gegen den Ausbau des Frankfurter Flughafens: "Hätten die, die jetzt protestieren, das früher getan, würde es die neue Landebahn nicht geben." Ob er wohl seine eigene Partei meint?

Einst war es die Pflicht eines jeden Frankfurter Grünen, gegen den Flughafenausbau zu demonstrieren. Doch seit die Partei 2006 im Frankfurter Magistrat in eine Koalition mit der CDU eingetreten ist, "haben sie sich selbst einen Maulkorb verpasst", schimpft Eberhard Centner von der Bürgerinitiative Frankfurt-Nord gegen Fluglärm.

Seither haben sich die Frankfurter Grünen bei wichtigen Abstimmungen über den Flughafenausbau enthalten. 2006 ging es um den umstrittenen Bau der im letzten Herbst eröffneten Landebahn Nordwest, 2008 um eine Klage der Stadt dagegen. Auch bei einem Antrag zur Stilllegung der neuen Landebahn im Januar enthielten sich die Grünen eines politischen Votums - so ist es im Koalitionsvertrag vereinbart.

Nun, wenige Wochen vor der anstehenden Oberbürgermeisterwahl am 11. März, wird die Kritik der Grünen am Flughafenausbau lauter. Deren Spitzenkandidatin Rosemarie Heilig spricht sich gar für eine "Schließung der Landebahn" aus.

Seit die im Oktober 2011 eröffnet wurde, nehmen die Proteste aus der Bevölkerung gegen die zunehmende Lärmbelastung zu. Erst letzten Samstag versammelten sich mehr als 10.000 Menschen im Terminal 1 des Flughafens, auch am Montagabend kamen noch 3.000. Das war die erste Demo am Airport seit Beginn der Proteste, die Heilig laut eigener Aussage verpasst hat. Es sei wichtig, sich solidarisch zu zeigen, sagt sie.

"Kein Rückhalt in der Partei"

Die 55-Jährige wirkt glaubwürdig, wenn sie sagt, sie habe "schon als Studentin gegen die Startbahn West demonstriert." Es scheint, als müsse sie sich rechtfertigen. Doch die passive Haltung ihrer Partei hat viele Flughafenkritiker erzürnt. "Die Grünen haben die Gestaltung von ein paar Radwegen gegen ihr Stillhalten beim Flughafenausbau getauscht", kritisiert BI-Mann Centner.

Und Ursula Fechter, OB-Kandidatin der Wählergemeinschaft Flughafenausbaugegner, meint: "Heilig hat für diese Position keinen Rückhalt in ihrer Partei". Die Skepsis richtet sich also eher gegen die Grünen als gegen Heilig. Die hatte in den letzten Jahren wenig mit politischen Entscheidungen zu tun. Sie ist also nicht vorbelastet wie ihre Partei, der Fechter wahltaktisches Verhalten unterstellt. Das Thema Fluglärm, da ist sie sich sicher, "kann wahlentscheidend sein."

Darauf reagieren auch die anderen Kandidaten. So spricht sich sogar der hessische Innenminister und OB-Bewerber der CDU, Boris Rhein, überraschend für ein Nachtflugverbot aus. Gleichzeitig klagt er mit der schwarz-gelben Landesregierung vor dem Bundesverwaltungsgericht auf Durchsetzung von bis zu 17 Nachtflügen. Deshalb setzen Menschen wie Centner immer noch ihre Hoffnung in die Grünen - "trotz all der Enttäuschung", wie er sagt.

Heilig indes gibt sich kämpferisch: "Ich saß bisher nicht im Magistrat, ich muss mich als Oberbürgermeisterin nicht an Koalitionsbeschlüsse halten." Die Liaison mit der CDU solle aber trotzdem fortbestehen. Das wiederum sieht Ursula Fechter anders: "Wenn es die Grünen ernst meinen mit ihren Forderungen für ein Nachtflugverbot und die Schließung der neuen Landebahn, dann müssten sie aus der Koalition mit der CDU austreten."

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8 Kommentare

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  • ON
    Omid Nouripour

    Mit recht großem Erstaunen habe ich in der heutigen Ausgabe der tageszeitung den Artikel „Wahlzeit ist Protestzeit“ gelesen. Die Politik der Frankfurter Grünen in Sachen Flughafen und Lärmschutz wird dabei kaum zu Kenntnis genommen. Aus einer umfangreichen Dokumentation dieser Politik (http://gruene-fraktion-frankfurt.de/userspace/HE/fraktion_frankfurt/Dateien/dokumentation_flughafen.pdf) wird sehr deutlich, dass die Grünen die Frage des Flughafenausbaus in den letzten fünf Jahren kontinuierlich auf die politische Agenda in Frankfurt gesetzt haben, während das Thema in der öffentlichen Diskussion und in den Medien, auch in der taz, nur sehr selten behandelt wurde. Das war keine Politik des Stillhaltens, sondern des Protests. Die Grüne Handschrift im Koalitionsvertrag führte schließlich dazu, dass sich die Stadt Frankfurt der Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss zum Bau der Landebahn angeschlossen hat, als klar wurde, dass es entgegen dem Beschluss der Mediationsgruppe weiterhin Nachtflüge geben würde.

     

    Wenn es um die Entscheidungen zum Flughafenausbau geht, muss man den Blick vor allem auf den Hessischen Landtag richten. Man wird feststellen: Die Grünen sind auch hier die einzige Partei, die seit Jahren und Jahrzehnten ihre Stimme gegen den Ausbau erhoben haben und von Anfang an auf die Folgen hingewiesen haben, die jetzt der ganzen Region den Schlaf rauben. Sie stehen dort einer Betonkoalition von CDU, SPD und FDP gegenüber, die seit Jahren mit einer Stimme für den Ausbau sprechen und die gut begründeten Warnungen gegen die neue Landebahn geflissentlich ignoriert haben. Es ist zwar begrüßenswert, dass mittlerweile fast alle politischen Parteien Lippenbekenntnisse zum Lärmschutz abliefern, glaubwürdig macht das ihre Position noch lange nicht. Letztlich ist mit einer solchen Politik, die zuerst eine Bürgerbeteiligung vorspielt und sich dann über die Abmachungen der Mediation hinwegsetzt, niemandem gedient: weder den BürgerInnen und ihrem Recht auf Ruhe noch der Planungssicherheit der Wirtschaft.

     

    Das ist der eigentliche Skandal beim Flughafenausbau, und hier muss die Debatte über den Umgang mit der neuen Landebahn wie auch mit zukünftigen Großprojekten ansetzen.

  • SB
    Sabine Bleiler

    Liebe Bürger und Bürgerinnen gegen Fluglärm! Lernt von Stuttgart! Die Grünen schöpfen gerne die Protest-Stimmen ab, um sich dann, wenn in Amt und Würden, an nichts mehr zu erinnern, sich von Konzernen an die Leine nehmen zu lassen und sich hinter einem "oh, da können wir leider gar nichts machen" wegzuducken! Grüne Regierungen oder Amtsträger erfüllen sogar eine kontraproduktive Funktion: sie schwächen und spalten den Protest!

  • F
    FreierBürger

    Genau! Mit hysterischem und fortschrittsfeindlichem Geschreibe, mit Lügen und Falschinformationen und das in Kombination mit der dank jahrlanger Gutmenschenpolitik zunehmenden Verblödung des deutschen Volkes, kann das klappen!

     

    Siehe Baden-Württemberg! Auch dort fruchtete ja ein solcher Wahlkampf.

     

    TAZ und der Rest der rotgrün gleichgeschalteten Presse wird es freuen und werden kräfit helfen, Deutschland weiter zu zerstören und gegen die Wand zu fahren.

     

    Was im beschränkten Weltbild der rotgrünen Extremisten nicht vorkommt ist die Möglichkeit von Wiederstand. Je radikaler das Gutmenschentum, desto mehr Menschen werden erwachen und wieder beginnen zu denken.

  • A
    Alex

    Wieso ist es ein Problem, dass die Grünen sich im Stadtparlament enthalten? Im Gegenzug enthält sich auch die größere CDU! Das hätte fairerweise auch erwähnt werden müssen. Denn so verschieben sich die Mehrheiten zugunsten der Flughafengegner.

     

    Den Frankfurt Grünen kann man in vielen Punkten vorwerfen weichgespült zu sein. In Sachen Flughafen kann ich das aber nicht sehen.

  • B
    Brit

    Und täglich grüßt das Murmeltier. Ja ja die grüne Partei wenns ums wählen geht und sie Stimmen brauchen dann sind sie da, so wie letztes Jahr in Stuttgart. Wenn sie es dann geschafft haben, erinnern sie sich an nichts mehr. Unterscheiden sich für mich nicht von anderen Parteien. Denn "Macht macht Macht"

  • A
    andreas

    Wäre doch gelacht wenn die Grünen mit den Stimmen der "Wutbürger" nicht auch diese Wahl gewinnen ;0)

    Wo es doch so gut in BW geklappt hat ;0)

  • B
    Benny

    Das einzige was die Grünen ernst meinen ist der Kampf um der Macht. Der Rest ist nur strategisches Geplänkel. Inhalte sind willkürlich. Siehe das Verhalten der Grünen bei S21. Nachdem sie an der Macht sind - hochgespült durch eine famose Bürgerbewegung zählen alle Argumente gegen das Projekt nicht mehr und selbst juristisch anfechtbare Punkte des Projektes sind plötzlich so doch eigentlich ganz ok. Lasst euch nicht vereinnahmen und verraten - bleibt eine Bürgerbewegung. Haltet die Parteien draussen - das kostet euch am Ende eure ganze Kraft der Bewegung. Die wissen genau wie sie euch ruhig stellen können, am besten wissen das die Grünen.

  • R
    routier

    Das ist doch schon seit Anfangan so. Die sagen entweder nichts, oder nur dass in der Oposition wo Sie genau wissen es passiert eh nichts. Die größten Luschen weit und breit. Bewegen tun die nichts Alle früher am kiffen und koksen aber nicht dafür eintreten.

    Da fällt die Wahl leicht