Flughafen-Attentäter Arid Uka verurteilt: Höchststrafe für US-Soldaten-Mord
Den Frankfurter Flughafen-Attentäter Arid Uka muss wegen Doppelmordes lebenslang ins Gefängnis. Der Einzeltäter hatte sich in nur wenigen Monaten radikalisiert.
Regungslos, mit verschränkten Armen, so nahm der Frankfurter Flughafenattentäter Arid Uka das über ihn gesprochene Urteil hin, am Ende lächelte er sogar kurz. Dabei hatte Uka gerade die höchste Strafe bekommen, die das deutsche Gesetz vorsieht.
Zu lebenslanger Haft wegen Doppelmordes und dreifachen versuchten Mordes hat das Frankfurter Oberlandesgericht den 22-Jährigen am Freitag verurteilt und darüber hinaus noch die "besondere Schwere der Schuld" festgestellt. Damit ist ausgeschlossen, dass Uka nach 15 Jahren vorzeitig aus der Haft entlassen wird. "Wir haben es mit dem ersten vollendeten islamistisch motivierten Terroranschlag auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu tun", sagte der Vorsitzende Richter Thomas Sagebiel.
Am 2. März 2011 hatte Uka am Frankfurter Flughafen zwei US-Soldaten erschossen. Sie warteten auf einen Bus, der sie zur Luftwaffenbasis Ramstein in der Pfalz bringen sollte – von wo aus es nach Afghanistan gegangen wäre, in den Kriegseinsatz.
Uka ließ fast alle GIs in den Bus einsteigen, dann schoss er los, ermordete Nicholas Alden und Zachary Cuddeback mit Schüssen in den Kopf; zwei weitere Soldaten verletzte er schwer. Nur eine Ladehemmung verhinderte ein noch größeres Blutbad. "Er wollte Vergeltung für den andauernden Afghanistaneinsatz", sagte Richter Sagebiel.
Kein Teil einer Terrorzelle
Teil einer Gruppe oder gar einer Terrorzelle war der im Kosovo geborene Frankfurter aber nicht. Gerüchte über ein Schießtraining in einem bosnischen Sommercamp ließen sich nicht erhärten. Er handelte allein – fanatisiert durch Propaganda aus dem Internet.
Auf seinen Rechnern und seinem iPod fanden die Ermittler hunderte dschihadistische Dateien, darunter Vorträge des Radikalenpredigers Anwar al-Awlaki und eine deutsche Übersetzung des Buchs "Die Verteidigung der muslimischen Länder" vom Bin-Laden-Mentor Abdallah Azzam. Doch auch die von Wikileaks veröffentlichten Videos über US-Soldaten, die im Irak aus einem Hubschrauber heraus Zivilisten erschießen, sollen Ukas Hass auf die Amerikaner verstärkt haben.
Konkreter Auslöser für Ukas Tat war ein Propagandavideo, das er sich am Abend vor der Tat im Internet anschaute. Der kurze Clip zeigte die Vergewaltigung einer Muslimin durch US-Soldaten. Uka hielt die Szene für echt – dass sie von den Dschihadpropagandisten aus dem Kinofilm "Redacted" herauskopiert worden war, wusste er nicht.
Es ist nur schwer zu verstehen, wie sich Uka innerhalb weniger Monate derart radikalisieren konnte, dass er zum Mörder wurde. Als höflich, nicht aggressiv und introvertiert beschrieben ihn Angehörige, frühere Freunde und sein ehemaliger Arbeitgeber, ein Pflegedienst in Frankfurt.
Sexueller Missbrauch als mögliches Motiv
Im Prozess traten die Brüche in Ukas Leben zutage. So fehlte Uka, der ein guter Schüler war, wegen psychischer Probleme häufig in der Schule und schmiss das Gymnasium schließlich, verheimlichte das aber seinen Eltern. Den Kontakt zu seinen alten Kumpels kappte er in den letzten Monaten vor der Tat fast vollständig, und über das Internet tauchte er tief in die Welt des Online-Dschihad ab.
Der renommierte Gerichtsgutachter Norbert Leygraf berichtete im Prozess, dass Uka mit sechs oder sieben Jahren sexuell missbraucht wurde. Möglicherweise, so der Psychiater, hatte das angebliche Vergewaltigungsvideo, das er sich vor der Tat im Netz angesehen hatte, auch deshalb eine so folgenreiche Wirkung. Doch an Ukas Schuldfähigkeit zweifelte Leygraf nicht.
Uka habe damit gerechnet, bei seinem Attentat selbst den Tod zu finden und als "Märtyrer" zu sterben, sagte Richter Sagebiel am Freitag. "When death becomes a wedding" hieß ein zweites Video, das er sich am Abend vor der Tat ange schaut hatte: Wenn der Tod zur Hochzeit wird.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Haftbefehl gegen Netanjahu
Sollte die deutsche Polizei Netanjahu verhaften?
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
#womeninmalefields Social-Media-Trend
„Ne sorry babe mit Pille spür ich nix“
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Vorschläge für bessere Schulen
Mehr Führerschein wagen