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Fluggäste ziehen vor GerichtViel Grund zur Klage

Wegen ausgefallener oder verspäteter Flüge gibt es immer mehr Klagen, 2023 waren es über 125.000. Reisende finden Unterstützung bei Portalen.

Was tun, wenn die Flieger nicht abheben? Foto: Sebastian Willnow/dpa

BERLIN dpa | Fluggäste ziehen immer öfter wegen verspäteter oder ausgefallener Flüge vor Gericht. Bundesweit gab es laut Deutschem Richterbund (DRB) im vergangenen Jahr mehr als 125.000 Klagen von Reisenden, die fliegen wollten und gar nicht oder später als geplant an- oder loskamen oder sonstige Beschwerden hatten – das sind so viele wie noch nie. Im Vergleich zum Vorjahr sei die Zahl der Fälle bundesweit rund 80 Prozent gestiegen, so die Vereinigung.

Das für den Hauptstadtflughafen BER zuständige Amtsgericht Königs Wusterhausen etwa verzeichnete 2023 nach eigenen Angaben rund 14.000 Flug- und Reiseklagen, doppelt so viele wie 2022. Bei dem Gericht in Brandenburg machen die Verfahren von Passagieren des BER inzwischen 93 Prozent aller Zivilklagen aus, wie es hieß.

Königs Wusterhausen gehört damit zu den besonders belasteten Gerichten in Deutschland, wie eine Umfrage der Deutschen Richterzeitung bei den Gerichten an den Standorten der 20 größten Flughäfen in Deutschland ergab. Die Zeitung wird vom Richterbund herausgegeben. Nach dessen Angaben landet Königs Wusterhausen auf Platz drei hinter den Amtsgerichten Köln (knapp 37.300 Verfahren) und Frankfurt am Main (gut 15.000 Fälle).

Die Kun­d:in­nen verlangen meist Entschädigungen für ausgefallene oder verspätete Flüge. Der Verband sieht Portale, mit denen Fluggäste ihre Ansprüche schnell und einfach durchsetzen können, als einen wesentlichen Grund für die Entwicklung bei den Gerichten.

KI soll Gerichte unterstützen

In Königs Wusterhausen wird laut Amtsgerichtsdirektor Stephan Lehmann das Personal verstärkt, um die Verfahren zu bewältigen. Zudem werde über den Einsatz künstlicher Intelligenz nachgedacht. In Frankfurt wurde ein KI-Assistenzprogramm erprobt, das in Brandenburg auf Interesse stößt. Nach der erfolgreichen Entwicklung des Prototyps „Frauke“ in Hessen vereinbarten die beiden Länder im vergangenen November eine Zusammenarbeit.

„Bislang ist daraus aber noch keine Standardsoftware entwickelt worden, die im Regelbetrieb der Gerichte durch die Klageflut helfen könnte“, sagte DRB-Bundesgeschäftsführer Sven Rebehn der Deutschen Presse-Agentur. Er erneuerte seine Kritik an mangelnden Ausgaben für die Justiz: „Mit einem auf 50 Millionen Euro jährlich eingedampften Minibudget der Bundesregierung wird sich die Justiz-Digitalisierung in Deutschland allerdings nicht spürbar beschleunigen lassen.“

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