Flüchtlingsunterkünfte in Hotels: Comeback der Ehemaligen
In Hamburg haben Catering-Unternehmen im Auftrag der Stadt zwei ehemalige Hotels zu Flüchtlingsunterkünften umgebaut. Es herrscht Aufbruchsstimmung.
In der Lobby ist es ruhig, nur vereinzelt sitzen Menschen an den Tischen. „Täglich kommen zwischen 100 und 150 Geflüchtete hier an“, erzählt Moritz Crone-Rawe, der die Unterkunft mit Elke Nüstedt leitet. Weil die meisten selbst anreisen und nicht in Reisebussen hier ankommen, bleibt die Lage an der Rezeption meist entspannt. Crone-Rawe ist Geschäftsführer des Catering-Unternehmens „Rolling Taste“. Den Auftrag, das Hotel zu betreiben, haben er und seine Kolleg:innen vor zwei Wochen von der Stadt erhalten.
In Zukunft soll das Sofitel, das im vergangenen Sommer schloss, abgerissen werden, aber bis jetzt stand es leer, keine fünf Minuten vom Rathaus entfernt. Das Mobiliar war in Teilen noch vorhanden, vieles aber auch defekt oder verschmutzt.
Das Gebäude in zwei Wochen zu einer Erstaufnahmeunterkunft umzugestalten, war für das rund 20-köpfige Team hinter „Rolling Taste“ ein Kraftakt im Eiltempo. Schon 2015 hatte die Firma im Auftrag der Stadt in Aufnahmeeinrichtungen gekocht, einige Geflüchtete sind zu Mitarbeitenden geworden.
Dutzende Stockbetten hat das Team Möbelhäusern in ganz Norddeutschland abgekauft und in den Zimmern mithilfe der freiwilligen Feuerwehr aufgebaut, um die Kapazität im Haus zu verdoppeln. Die meisten Räume haben vier Schlafplätze, einige zwei, die ehemaligen Suiten sogar acht. Die Kapazität wuchs so auf 850 Plätze. Jedes Zimmer hat ein eigenes Bad, einen Tisch, Stühle und eine abschließbare Tür. All das hebt die Unterkunft von notdürftig hergerichteten Turnhallen oder dem Bettenlager in den Messehallen ab.
Elke Nüstedt behält den Überblick über die Lage. „Als wir vor zwei Wochen hier angekommen sind, hat man sich so manches Mal gefühlt wie in einem Lost Place“, schildert sie ihre ersten Eindrücke vom Hotel. Eigentlich ist sie Küchenchefin, jetzt managt sie eine der größten Unterkünfte für Geflüchtete in Hamburg. Zum Glück habe man schon einige Mitarbeitende, die entweder ukrainisch oder russisch sprechen, erzählt Nüstedt. Sogar Geflüchtete, die vor ein oder zwei Wochen in Hamburg angekommen seien, würden sich jetzt bewerben. Dass sich außerdem bereits über 100 Menschen für ehrenamtliche Mitarbeit gemeldet haben, freut sie sehr.
In einem ehemaligen Konferenzraum des Hotels hat das Team eine Spielwiese eingerichtet und, weil unter den Spenden so viele Bobbycars abgegeben wurden, dahinter auch gleich noch eine kleine Rennstrecke. Im Raum davor reihen sich Dutzende Brettspiele aneinander. Heute spielen nur wenige Kinder hier. Viele Familien seien bei Behörden, die Lage in der Unterkunft auch generell noch entspannt, erzählt Crone-Rawe, den hier alle Moe nennen.
Die ehemaligen Konferenzräume des Hotels sind weitestgehend in Aufenthaltsräume umfunktioniert und ermöglichen soziale Begegnungen. Auch für die medizinische Versorgung stehen Räume bereit. Ob die Stadt allerdings eine erste Anlaufstelle für die Gesundheitsversorgung in der Unterkunft einrichten wird, ist noch offen.
Ebenfalls vor zwei Wochen startete in St. Pauli am Neuen Pferdemarkt die „Kochfabrik“ damit, das in die Jahre gekommene Hotel „Pacific“ fit zu machen, um bis zu 180 Geflüchtete unterzubringen. Die 60 Zimmer des einfachen Hotels, das seinen Betrieb zum Jahreswechsel eingestellt hatte, sind kleiner als jene im Sofitel, haben oft auch kein eigenes Bad. Doppelbetten wurden gegen Stockbetten ausgetauscht, die allerdings online bestellt werden mussten – die Bestände der Möbelhäuser in der Region gingen an „Rolling Taste“ und das Sofitel. Gemeinschaftsräume stehen im Hotel „Pacific“ bis auf das alte Restaurant nicht zur Verfügung. Die Küche ist klein, viele Küchengeräte haben Helfer:innen von zu Hause mitgebracht.
Kinderspielzeug und Kinderbetten haben Nachbar:innen gespendet. Doch neben ehrenamtlicher Hilfe muss auch neues Personal eingestellt werden, um die Arbeit zu bewältigen.
Die ersten Bewohner:innen werden am Montag erwartet. Die Stadt möchte möglichst schnell eine Vollbelegung erreichen, um die Kosten gering zu halten. Für ein Jahr sind die ehemaligen Hotels vorerst angemietet.
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