Flüchtlingsprojekt vor dem Aus: Zu sozial für die Deutsche Wohnen

In Berlin-Hellersdorf muss ein Vorzeige-Flüchtlingsprojekt schließen. Die Deutsche Wohnen sieht vor Ort bereits zu viele soziale Träger.

Die ehemalige Schule in der Carola-Neher-Straße in Hellersdorf ist seit 2013 Flüchtlingsunterkunft. Weil es von Anwohnern und Nazis viele Proteste gab, wurde das LaLoka gegründet Foto: dpa

BERLIN taz | Am Boulevard Kastanienallee war die Welt bislang noch in Ordnung für die Deutsche Wohnen. Während der Immobilienkonzern, zu dessen Enteignung mittlerweile selbst eine der drei Regierungsparteien aufruft, überall sonst in Berlin zum Synonym für Profitgier geworden ist, genießt das Unternehmen hier einen guten Ruf: Bei dem Vorhaben, die heruntergekommene Einkaufsmeile wiederzubeleben, ziehen die Deutsche Wohnen, der seit 2012 ein Großteil der Wohnungen und Gewerbeflächen hier gehören, und andere Akteure im Bezirk an einem Strang.

Doch damit könnte es jetzt vorbei sein: Das LaLoka, ein selbstverwalteter Treffpunkt von und für Flüchtlinge, musste in diesem Monat schließen. Der Vertrag zwischen dem bisherigen Trägerverein und der Deutschen Wohnen endete Ende November, gern hätte der aktuelle Betreiber, die Initiative Refugees Emancipation, den Vertrag übernommen.

Doch das lehnte die Deutsche Wohnen ab: „Da wir vor Ort bereits viele soziale Träger haben, haben wir uns entschieden, in diesen Räumlichkeiten künftig Nahversorgung anzusiedeln“, sagt Unternehmenssprecher Marko Rosteck der taz. Denkbar sei etwa eine Drogerie oder anderer Einzelhandel. „Für die Quartiersentwicklung brauchen wir an diesem Standort mehr Mischung“, begründet Rosteck die Enscheidung.

Das LaLoka wurde im August 2014 von der Initiative Hellersdorf Hilft ins Leben gerufen, die sich in Reaktion auf die monatelangen rechtsextremen Anwohnerproteste gegen ein Flüchtlingsheim in der Carola-Neher-Straße gegründet hatte. Das Heim liegt gleich um die Ecke vom Kastanienboulevard, das LaLoka war von Anfang an als Begegnungsort für Heimbewohner und Hellersdorfer gedacht.

Ein Konzept, das erstaunlich gut funktionierte, insbesondere seitdem der Verein Refugees Emancipation in den Räumen ein selbstorganisiertes Internetcafé von und für Geflüchtete eröffnete. Die bereits seit 2003 bestehende Initiative baut Internetcafés in Brandenburger und Berliner Flüchtlingsheimen auf, das LaLoka war der erste Standort außerhalb einer Unterkunft.

Bezirk hofft auf Lösung

Im Sommer habe es ein erstes Treffen zwischen dem Verein und der Deutschen Wohnen gegeben, sagt Chu Eben, Gründer und Sprecher von Refugees Emancipation, der taz. „Es war ein sehr freundliches, positives Gespräch, am Ende bat man uns, unser Konzept noch mal schriftlich einzureichen, aber eher als Formsache.“ Nachdem das geschehen sei, habe Refugees Emancipation dann nichts mehr von der Deutschen Wohnen gehört, Anrufe und E-Mails seien unbeantwortet geblieben.

Die Deutsche Wohnen möchte lieber Einzelhandel ansiedeln

Über das Quartiersmanagement Boulevard Kastanienallee haben die Vereinsmitglieder schließlich erfahren, dass der Immobilienriese keinen Vertrag mit ihnen abschließen wolle. „Die Deutsche Wohnen selbst stand uns für keinerlei Gespräche mehr zur Verfügung“, sagt Eben.

Für den Bezirk ist das LaLoka, das in den letzten Jahren mehrfach ausgezeichnet wurde, ein Vorzeigeprojekt, gerade weil es dem Bild des braunen Marzahn-Hellersdorf etwas entgegensetzt. In einer Pressemitteilung hat Bezirksbürgermeisterin Dagmar Pohle (Linke) ihre Unterstützung für Refugees Emancipation im Konflikt mit der Deutschen Wohnen erklärt: „Ich hoffe sehr, dass sich zügig eine einvernehmliche Möglichkeit ergibt, um das erfolgreiche Projekt ‚LaLoka‘ fortführen zu können“, heißt es dort. Sie hoffe, so Pohle weiter, dass die Deutsche Wohnen „ihrer gesellschaftspolitischen Verantwortung gerecht wird“.

Lieber Kunst als Flüchtlinge

Es knirscht also zwischen Bezirk und Unternehmen, die hier eigentlich bisher ähnliche Ziele verfolgten: Die Außenstelle der nGbK etwa, die im Mai am Boulevard eröffnete, begrüßten Bezirk und Deutsche Wohnen gleichermaßen. „Uns gegenüber verhält sich die Deutsche Wohnen sehr kooperativ“, sagt Lilian Engelmann von dem Kunstverein mit Hauptsitz in der Kreuzberger Oranienstraße.

Den Umgang mit dem LaLoka nehme man allerdings auch sehr verwundert zur Kenntnis: „Wir fragen uns schon, inwiefern dieser unterschiedliche Umgang mit unterschiedlichen Institutionen etwas mit deren Zusammensetzung zu tun hat“, sagt Engelmann. Behandelt die Deutsche Wohnen eine Galerie eben anders als ein Flüchtlingsprojekt?

Klar ist jedenfalls: Als die nGbK selbst vorschlug, das LaLoka könne die eigenen Räumlichkeiten übernehmen – es hatte vorübergehend so ausgesehen, als müsse die Hellersdorfer Außenstelle 2019 mangels Finanzierung schließen –, lehnte die Deutsche Wohnen auch das ab. Den Vertrag für die Galerie verlängerte sie dann jedoch ohne Probleme. Dass es sich auch bei diesem Mieter nicht um ein Angebot der Nahversorgung handelt, stört das Unternehmen offenbar nicht.

„Wir sind jetzt erst mal auf der Suche nach Übergangsräumlichkeiten, aber eigentlich wollen wir sehr gern an den Kastanienboulevard zurück“, sagt Eben von Refugees Emancipation. Vom Bezirk fühle sich die Initiative ausreichend unterstützt. Nur die Deutsche Wohnen, die scheint nun auch in Hellersdorf ihre ganz eigenen Pläne zu verfolgen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.