Flüchtlingspolitik in Deutschland: Da ist sie wieder, die Task-Force-Idee
Justizminister Maas nennt Angriffe auf Unterkünfte für Flüchtlinge beschämend. Umweltministerin Hendricks will mehr sozialen Wohnungsbau. Andere eine Task Force.
Deutschland sei in den 20 Jahren seit den Brandanschlägen von Solingen und Mölln weltoffener geworden. „Dieses neue, tolerante Deutschland müssen wir heute mit aller Macht verteidigen“, sagte Maas. „Angesichts der größten Flüchtlingskrise seit Ende des Zweiten Weltkriegs sind wir dabei alle gefragt.“
Mehr als 200 Angriffe auf Flüchtlingsunterkünfte allein in der ersten Hälfte dieses Jahres seien eine schreckliche und für Deutschland beschämende Bilanz. „Jede Attacke auf ein Flüchtlingsheim ist ein Angriff auf unsere Gesellschaft und auf unsere freiheitliche Grundordnung“, schreibt Maas. „Deswegen braucht jede Form von Fremdenfeindlichkeit und Intoleranz Widerspruch – je entschiedener und lauter, desto besser.“
Bundesumweltministerin Barbara Hendricks sagte der Rheinischen Post, bei der menschenwürdigen Unterbringung von Flüchtlingen spiele der soziale Wohnungsbau eine besondere Rolle. „Diesen müssen und wollen wir stärken.“ Der Bund stelle den Ländern jährlich 518 Millionen Euro für neue Sozialwohnungen zu Verfügung. Die Zweckgebundenheit dieser Mittel sei auf Druck der Länder 2007 entfallen. Ziel sei, dass die Länder diese Mittel wieder zweckgebunden in den sozialen Wohnungsbau investieren.
„Das System ist zusammengebrochen“
Der Deutsche Städte- und Gemeindebund sprach sich für eine Task Force aus, die auf Bundesebene die Flüchtlingspolitik in Deutschland steuert. „Das wäre ein wirksames Mittel, um die Reaktionszeiten zu verkürzen und die Koordination zu verbessern“, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg der Neuen Osnabrücker Zeitung. In einer solchen Arbeitsgruppe müsse allerdings der Sachverstand der Kommunen Gehör finden, Bund und Länder müssten die Situation vor Ort stärker als bisher in den Blick nehmen.
Der Präsident des niedersächsischen Städte- und Gemeindebunds, Marco Trips, sagte der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung: „Das System ist schon zusammengebrochen.“ Es gebe auf dem Papier einen klaren Ablauf, „an den sich aber keiner mehr hält, weil die Ressourcen es nicht mehr hergeben“. Die Menschen kämen ohne Gesundheitsprüfungen in überfüllte Erstaufnahmeeinrichtungen, dann würden sie ohne Asylantrag auf die Kommunen verteilt. „Die Bearbeitung der Anträge dauert unglaublich lange“, sagte Trips.
Der Gutachter Dietrich Thränhardt kommt in einem Gutachten zu dem Ergebnis, dass Deutschland derzeit knapp 240.000 unbearbeitete Asylanträge vor sich herschiebt. „Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) kommt nicht hinterher“, sagte Thränhardt auf tagesschau.de. Es gebe zu wenig „Entscheider“ in der Behörde. Der von der Bundesregierung zugesagte Stellenaufbau komme nur sehr zögerlich voran. Der Bearbeitungsstau „ist einmalig in Europa“, sagte der Migrationsforscher.
Sellering sagte dem NDR: „Insgesamt müssen wir möglichst schnell Klarheit schaffen, wenn die Menschen hierher kommen.“ Der nordrhein-westfälische Innenminister Ralf Jäger (SPD) sagte der Welt, das BAMF werde seine Prognose von 450.000 Asylbewerbern für 2015 erhöhen müssen. Länder und Kommunen bräuchten Klarheit für ihre Planungen. Wie die Zeitung unter Berufung auf eine Telefonkonferenz der Innenminister berichtete, wurden in diesem Jahr bereits mehr als 300.000 Asylsuchende registriert.
FDP-Chef Christian Lindner forderte die Übernahme sämtlicher Kosten für Asylverfahren und Unterkunft durch den Bund. „Die Aufnahmeverfahren und die Unterbringung von Flüchtlingen und Asylbewerbern sind eine gesamtstaatliche Aufgabe und nicht Sache von Ländern und Kommunen“, sagte er der Berliner B.Z..
„Sichere Herkunftsländer“ ausweiten
Angesichts steigender Flüchtlingszahlen hatte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) vor kurzem in der Bild-Zeitung eine Flüchtlings-Task-Force ins Spiel gebracht.
Dreyer plädierte unterdessen für die Ausweitung des Kreises „sicherer Herkunftsländer“. „Ich persönlich könnte mir weitere „sichere Herkunftsländer“ vorstellen“, sagte sie der Frankfurter Rundschau. Sie verband die Frage mit der Forderung nach einem Einwanderungsgesetz: „Wenn wir das Einwanderungsgesetz hätten, könnten wir womöglich eine Situation schaffen, in der auch grüne Kolleginnen und Kollegen zu überzeugen wären.“ Hier müsse sich dann aber auch die Union bewegen – CDU und CSU lehnen bislang ein Einwanderungsgesetz mehrheitlich ab, allerdings deutete sich zuletzt Bewegung in der Frage an.
Im vergangenen Jahr waren Bosnien-Herzegowina, Serbien und Mazedonien als „sichere Herkunftsstaaten“ eingestuft worden – im Bundesrat stimmte damals auch der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) nach langer Diskussion zu. Mit der Zunahme von Flüchtlingen aus Albanien und dem Kosovo gab es zuletzt – auch in der SPD – vermehrt Überlegungen, diese Staaten einzubeziehen, um Asylanträge von Menschen aus diesen Ländern schneller ablehnen zu können.
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