Flüchtlingshilfe aus Berlin: „NGOs wissen, was gebraucht wird“
Levin Schmidt und Lorenz Schmidt unterstützen Flüchtlings-NGOs auf Samos. Ziel sind Verbindungen zwischen Inselbewohnern und Geflüchteten.
taz: Mit Ihrem „Project Elpida“ sammeln Sie beide Spenden, um lokale Hilfsorganisationen auf Samos zu unterstützen, die sich für Geflüchtete engagieren. Wie kam es dazu?
Levin Schmidt: Die Idee wurde im September 2020, nach dem Feuer im Flüchtlingslager Moria auf Lesbos, geboren. Wir dachten uns, das kann eigentlich nicht sein. Jedes Jahr gibt es die gleichen Meldungen von Feuern in den Lagern, von Ratten, von Überschwemmungen. Das ist die vergessene Krise von Europa. Wir haben dann im privaten Rahmen Geld für Geflüchtete auf Samos gesammelt.
Levin Schmidt (24) und Lorenz Schmidt (27) aus Berlin haben denselben Nachnamen, kennen sich fast ihr ganzes Leben, sind aber nicht verwandt. Levin studiert Global Studies in Wien, Lorenz Sport- und Eventmanagement in Berlin.
Project Elpida Mit ihrem Verein Project Elpida wollen Levin Schmidt und Lorenz Schmidt Geflüchteten helfen – auf der Insel, auf der sie früher ihre Sommerurlaube verbrachten.
Die griechische Insel Samos nah der türkischen Küste ist seit Jahren eines der ersten Ziele für Geflüchtete in Europa. Im September 2021 wurde dort das erste „geschlossene Zentrum mit kontrolliertem Zugang“ eröffnet. (taz)
Lorenz Schmidt: Wir haben mit dieser ersten Aktion in zwei bis drei Wochen mehrere tausend Euro zusammenbekommen. Daher wollten wir das unbedingt weiterführen.
Levin Schmidt: Aber es ergab für uns keinen Sinn, sich selbst vor die Eingangstore des Camps zu stellen und da Seife und Brot zu verteilen. Die Organisationen, mit denen wir arbeiten, machen das seit Jahren. Die wissen, was gebraucht wird, die wissen, wie es vor Ort aussieht. Und es macht keinen Sinn, wenn wir zwei weißen Typen da ein Büro aufmachen und sagen, einmal pro Woche kochen wir jetzt Suppe.
Wieso haben Sie sich entschieden, auf Samos zu helfen?
Levin Schmidt: Es ist die Sommerinsel unserer Kindheit. Der Bezug besteht schon seit Generationen. Unsere Großväter waren beide Archäologen auf Samos. Deshalb war für uns klar, dass Samos der erste Ort sein wird. Zudem spreche ich Griechisch und bin in Griechenland zur Schule gegangen, bevor ich zum Studium zurück nach Berlin kam.
Mit Ihrer ersten Kampagne haben Sie ungefähr 5.000 Euro gesammelt und unterstützen gezielt lokale NGOs.
Lorenz Schmidt: Levin war vergangenes Jahr für ein paar Monate als Helfer bei einer NGO auf Samos und so bestand schon Kontakt. Wir haben dann drei Organisationen ausgesucht, mit denen wir zusammenarbeiten wollen. Sie melden uns, was sie am dringendsten benötigen. Und wir gehen dann mit dem gespendeten Geld vor Ort in die Läden und arbeiten die Einkaufsliste ab. Ab und an war auch jemand von den Partnerorganisationen mit dabei, etwa als es um Baumaterialien ging, wo wir jetzt nicht die super Spezialisten sind.
Sie kaufen vor Ort ein?
Ja, so wollen wir auch die lokalen Geschäfte und kleinen Supermärkte unterstützen. Wir hoffen, dadurch eine Verbindung zwischen den Besitzer*innen der Supermärkte und den Geflüchteten zu schaffen. Und es stand auch fest, dass wir persönlich hinfahren und die Spender*innen darüber informieren, was mit ihrem Geld passiert. Wir denken, dass so auch Leute zum Spenden animiert werden, die eher zögern, größeren Organisationen zu spenden, da dort die Wege oft nicht so transparent sind.
Ihre Posts auf Instagram sind auf Englisch geschrieben. Hat das einen besonderen Grund?
Lorenz Schmidt: Uns ist es wichtig, dass sich auch Geflüchtete und unsere Partnerorganisationen über uns informieren können. Da bietet sich Englisch eher an als Deutsch oder Griechisch.
Dennoch haben Sie sich für die Gründung eines deutschen Vereins entschieden?
Levin Schmidt: Berlin ist einfach unser privater Dreh- und Angelpunkt. Außerdem hat es auch Vorteile, nicht vor Ort in Griechenland registriert zu sein. Mit den aktuellen Regeln für NGOs in Griechenland ist der bürokratische Aufwand immens. Gleichzeitig gibt uns das auch eine andere Freiheit, wenn wir Kritik äußern. Einige der Organisationen haben uns bestätigt, dass sie sich da zurückhalten, um ihre Arbeit nicht zu gefährden.
Im Herbst vergangenen Jahres wurde ein neues Camp auf Samos eröffnet. Wie ist die Situation für die Geflüchteten dort seitdem?
Levin Schmidt: Die Lebensumstände sind besser. Die Geflüchteten müssen nicht mehr in Zelten oder Hütten schlafen, stattdessen gibt es Container mit Betten und einer Kochecke drin. Das Problem ist, dass das dazu führt, dass Leute weiter unsichtbar gemacht werden. Das neue Lager ist von doppeltem Nato-Stacheldrahtzaun umgeben. Zwischen der ersten und der zweiten Reihe Stacheldraht fahren Polizeistreifen und es gibt Flutlicht. Es sieht aus wie ein Gefangenenlager. Die Geflüchteten dürfen das Lager nur von acht Uhr morgens bis acht Uhr abends verlassen. Und der Hauptort der Insel ist nun anderthalb Stunden Fußweg entfernt.
Deshalb haben Sie auch Bustickets gekauft?
Lorenz Schmidt: Genau. Die standen auf unserer Liste ganz oben. Mit den Tickets haben die Geflüchteten die Möglichkeit, den Bus vom Camp in die Stadt zu den NGOs zu nehmen und wieder zurückzukommen.
Wie geht es für Sie und Ihr Projekt weiter?
Lorenz Schmidt: Wir planen aktuell drei, vier Kampagnen pro Jahr. Der Schwerpunkt soll auf Samos liegen. Es gibt derzeit auch erste Ansätze, Organisationen in Athen zu unterstützen.
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