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Flüchtlingsdrama vor LampedusaNapolitano fordert würdigere Gesetze

Italiens Staatspräsident wünscht sich mehr Menschlichkeit und Solidarität. Nach der Schiffskatastrophe müsse die Gesetzeslage überprüft werden, insistiert er.

Gerettete Flüchtlinge am 3. Oktober in Lampedusa. Bild: ap

ROM dpa | Angesichts des Flüchtlingsdramas in der Nähe der italienischen Insel Lampedusa hat Staatspräsident Giorgio Napolitano eine Überprüfung der Gesetzeslage gefordert. Normen, die eine Aufnahmepolitik verhinderten, sollten geändert werden, sagte er nach Angaben der italienischen Nachrichtenagentur Ansa in einem Interview mit Radio Vatikan. Die Gesetze müssten Italien würdig sein und den Grundprinzipien von Menschlichkeit und Solidarität entsprechen.

Bei der Schiffskatastrophe starben am Donnerstag mindestens 133 Flüchtlinge. Nach angaben des italienischen Innenministers sind nach dem Unglück bislang insgesamt 111 Leichen geborgen worden. „Aber das ist noch keine definitive Bilanz, weil Dutzende weitere Körper im Wrack des gesunkenen Bootes sind“, sagte Angelino Alfano am Freitag dem TV-Sender Canale 5.

Die italienische Marine unterstützt die Such- und Bergungsarbeiten. Die Korvette „Chimera“ habe Kurs auf die Unglücksstelle genommen, teilte die Marine mit, wie Ansa am Donnerstagabend meldete. Auch das Patrouillenboot „Cassiopea“ sei mit Tauchern unterwegs, um die Bergungsarbeiten zu unterstützen.

Das Boot mit etwa 500 Menschen aus Nordafrika an Bord hatte im Mittelmeer vor der Nachbarinsel Isola dei Conigli Feuer gefangen und war dann gekentert. 155 Menschen konnten von der Küstenwache in Sicherheit gebracht werden, andere versuchten, sich selbst über Wasser zu halten.

Flüchtlinge aus Somalia und Eritrea

Berichten zufolge sollen einige Migranten auf dem Schiff eine Decke angezündet haben, um dadurch ein Fischerboot in der Nähe auf sich aufmerksam zu machen. Das Feuer breitete sich aus, das Schiff kenterte.

Das tunesische Innenministerium teilte der Nachrichtenagentur dpa mit, das Boot sei in Libyen aufgebrochen und auf seinem Weg nach Lampedusa an der tunesischen Hafenstadt Sfax vorbeigefahren. Die Flüchtlinge sollen überwiegend aus Somalia und Eritrea stammen. Sie waren nach Angaben von Geretteten vor zwei Tagen in der libyschen Hafenstadt Misrata gestartet.

Bewegende Fernsehbilder zeigten, wie Rettungsteams in dem kleinen Hafen von Lampedusa eingehüllte Leichen nebeneinander aufbahrten. „Unglücklicherweise brauchen wir keine Krankenwagen mehr, sondern Särge“, berichtete der örtliche Arzt Pietro Bartolo. „Es ist ein Horror“, sagte Bürgermeisterin Giusi Nicolini nach dem zweiten Flüchtlingsdrama innerhalb weniger Tage. „Sie hören nicht auf, weitere Leichen zu bringen.“

Innenminister Angelino Alfano reiste nach einem Treffen mit Regierungschef Enrico Letta nach Lampedusa, um sich selbst ein Bild von der Lage zu machen. Letta bezeichnete den Tod der Migranten als „ungeheure Katastrophe“. Die Minister von Alfanos PdL-Partei sagten eine geplante Pressekonferenz ab. Für Freitag wurde in Italien Staatstrauer angeordnet.

„Beten wir für die Opfer des tragischen Schiffbruchs vor Lampedusa“, schrieb Papst Franziskus auf Twitter. Die erneute Flüchtlingstragödie sei eine Schande. Der Papst hatte Lampedusa vor zwei Monaten besucht und auf das Schicksal der Flüchtlinge als Folge einer „Globalisierung der Gleichgültigkeit“ aufmerksam gemacht.

Ermittlungsverfahren eröffnet

Die Staatsanwaltschaft eröffnete ein Ermittlungsverfahren, einer der mutmaßlichen Schleuser wurde Medienberichten zufolge bereits festgenommen. „Eine enorme Tragödie, für die es keine Worte gibt“, sagte Vize-Innenminister Filippo Bubbico.

Mit Bestürzung hat die EU-Kommission auf das tödliche Drama reagiert. „Es ist wirklich eine Tragödie, ganz besonders, weil auch Kinder betroffen sind“, erklärte EU-Regionalkommissar Johannes Hahn in Brüssel. „Es ist etwas, über das Europa wirklich traurig sein muss und wir sollten sehen, wie wir die Lage verbessern“, sagte er.

Kurz vor dem Unglück war ein Boot mit 463 Migranten vor Lampedusa angekommen. Bei gutem Wetter versuchen immer wieder Flüchtlinge, die europäischen Küsten zu erreichen. Oft endet die Überfahrt auf den kaum seetüchtigen Booten für einige tödlich. Erst am Montag waren 13 Menschen vor der Küste Italiens ertrunken.

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9 Kommentare

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  • K
    Klartext

    ZU: @ "DR. MANHATTEN" und "TATSACHEN"

     

    Nun, da die Quandtschen Staatsschützer und gutbezahlten Beamten/innen und MitarbeiterInnen des BND-Staatsschutz in ihrer BND-Zentrale in Berlin ihren Einzug halten, bedarf es auch einer staats- und kapitaltreuen Beschäftigung, sowohl im Gauckschen BStU-Dienst wie auch im staatstreuen Ehrenamt in den Kommentarspalten der braven bürgerlichen Medien.

     

    Später, ab 55. Lebensjahr, gibt es dann einen Anspruch auf staatstreue Beamten-Pension und anschließend die Aussicht auf einen warmen Posten in der Gauckschen und Jahnschen 'Sicherheits- und Rüstungsindustrie' - oder? (!)

  • F
    Fließender

    Jeder, der den Flüchtlingen nicht helfen will, ist schuld an deren Schicksal.

    • @Fließender:

      Diese Behauptung ist falsch, wenn sie Muslime betrifft.

      Noch nie was von Kismet gehört?

      Alles Schicksal ist von Allah vorherbestimmt.

      Sie behaupten also, Allah sei schuld?

      Wollen Sie das wirklich muslimischen Flüchtlingen erzählen?

      Also besser Vorsicht mit solchen blasphemischen Fehleinschätzungen.

  • K
    Klartext

    Die afrikanische Befreiungsbewegung heute:

     

    Die antiimperialistische afrikanische Befreiungsbewegung steht am Neuanfang ihrer historischen Aufgabe.

     

    Notwendig wäre eine modifizierte Neuauflage der nationalen und sozialen Befreiungsbewegung in den afrikanischen Regionen. Gegen imperialistische Ausbeutung und gesellschaftspolitische Rechtlosigkeit. Für nationale Selbständigkeit und die Beseitigung der ökonomischen Abhängigkeit vom Imperialismus.

     

    Für die Sicherung der nationalen und sozialen Grundinteressen der werktätigen Klassen und Schichten Afrikas!

     

    Die Nationalisierung aller Bodenschätze und Rohstoffe und (ausländischer) Konzerne und Industrien, auch gegen den NATO-CIA-BND-Widerstand der europäisch-amerikanischen Finanz- und Monopolbourgeoisien, wäre ein erster Anfang ...

    • DM
      Dr. Manhattan
      @Klartext:

      Hört sich an wie antiimperialistische Büttenreden im TU Audimax,Berlin 1976, inkl. Klatschmarsch, Parolen grölen und Absingen der Internationale. Das es das heute noch gibt! Find ich irgendwie niedlich.

      Wohnen Sie heute in einem Heim?

  • T
    Tatsachen

    @Wolfgang,

     

    Bravo, so viele Phrasen aus dem MLPD-Agitrop-Handbuch in ein paar Sätze zu pressen, ist selbst für ein analytisches Genie wie Sie eine Meisterleistung.

     

    @Vic,

     

    was wäre Ihre Lösung?

     

    O.K., um es mit Sachlichkeit zu versuchen. Afrika hat enormes Potential. Es könnte, da es sehr viel ungenutztes fruchtbares Land besitzt, noch weit mehr Leute als heute ernähren. Hemmnisse sind die völlig veralteten Produktionsmethoden. Verantwortungsvolle afrikanische Regierunmgen haben das erkannt. Hier liegt ein wesentlicher Schlüssel zur Problemlösung, nicht in aberwitzigen "Alle-rein-die-wollen"-Phantasien.

    • R
      Ruhender
      @Tatsachen:

      Solange die Voraussetzungen in Afrika nicht geschaffen sind, muß den Flüchtlingen geholfen werden. Daher: Alle rein, die keine andere Wahl haben! Europa ist reich genug. Dem Europäer ist durchaus ein niedrigerer Lebensstandard zumutbar, wenn dafür Menschenleben gerettet werden können. Eine Sonderabgabe jedes erwerbstätigen Europäers von 10.- Euro monatlich für Flüchtlingshilfe würde aber wohl ausreichen und wäre auch zumutbar. Hier sollte die reiche EU nicht lange fackeln und ihre Wohlstandsbürger ausnahmslos und unbürokratisch zur Kasse bitten.

  • W
    Wolfgang

    Scheinheiliges Pack - in der Deutschland AG und in deren Europäischen Union!

     

    Ohne ausreichende berufliche Qualifikation und Fähigkeit zur Mehrwertschöpfung, -- für die in Europa herrschende Finanz-, Banken- und Monopolbourgeoisie und deren ökonomisch-staatlich-militärisch-gesellschaftspolitischen (bürgerlichen) Administration --, sind die Armuts- und Wirtschaftsflüchtlinge, aus den vom europäischen Imperialismus in Armut und Unterentwicklung gehaltenen Weltregionen, den ökonomisch und politisch Herrschenden (in Deutschland und EU-Europa) einen Dreck wert! -

     

    Diese objektive Realität wird auch weiterhin erfolgreich medial von den Herrschenden und ihren gutbezahlten pseudo-wissenschaftlichen Kollaborateuren und der (bürgerlichen) gesellschaftspolitischen Administratoren in den Medien und in der Politik unterschlagen, so auch erfolgreich in deren Reichtums- und Deutschland AG!

     

    Die (ungeschminkte) Realität auch noch heute:

     

    Der Rassismus ist die barbarische Praxis reaktionärer Ausbeuterklassen in Deutschland und EU-Europa, zur Unterdrückung, Ausraubung und Vernichtung afrikanischer Bevölkerungsschichten.

     

    In ihrer modifizierten Ausprägung ist die Rassenideologie und der Sozialdarwinismus, in Deutschland und EU-Europa, ein bestimmender Bestandteil der Ideologie der herrschenden Monopolbourgeoisie in den imperialistischen Staaten Europas.

  • Beten, Staatstrauer, Papst.

    Scheinheiliges Pack.