Flüchtlingsdrama vor Lampedusa: Napolitano fordert würdigere Gesetze
Italiens Staatspräsident wünscht sich mehr Menschlichkeit und Solidarität. Nach der Schiffskatastrophe müsse die Gesetzeslage überprüft werden, insistiert er.
ROM dpa | Angesichts des Flüchtlingsdramas in der Nähe der italienischen Insel Lampedusa hat Staatspräsident Giorgio Napolitano eine Überprüfung der Gesetzeslage gefordert. Normen, die eine Aufnahmepolitik verhinderten, sollten geändert werden, sagte er nach Angaben der italienischen Nachrichtenagentur Ansa in einem Interview mit Radio Vatikan. Die Gesetze müssten Italien würdig sein und den Grundprinzipien von Menschlichkeit und Solidarität entsprechen.
Bei der Schiffskatastrophe starben am Donnerstag mindestens 133 Flüchtlinge. Nach angaben des italienischen Innenministers sind nach dem Unglück bislang insgesamt 111 Leichen geborgen worden. „Aber das ist noch keine definitive Bilanz, weil Dutzende weitere Körper im Wrack des gesunkenen Bootes sind“, sagte Angelino Alfano am Freitag dem TV-Sender Canale 5.
Die italienische Marine unterstützt die Such- und Bergungsarbeiten. Die Korvette „Chimera“ habe Kurs auf die Unglücksstelle genommen, teilte die Marine mit, wie Ansa am Donnerstagabend meldete. Auch das Patrouillenboot „Cassiopea“ sei mit Tauchern unterwegs, um die Bergungsarbeiten zu unterstützen.
Das Boot mit etwa 500 Menschen aus Nordafrika an Bord hatte im Mittelmeer vor der Nachbarinsel Isola dei Conigli Feuer gefangen und war dann gekentert. 155 Menschen konnten von der Küstenwache in Sicherheit gebracht werden, andere versuchten, sich selbst über Wasser zu halten.
Flüchtlinge aus Somalia und Eritrea
Berichten zufolge sollen einige Migranten auf dem Schiff eine Decke angezündet haben, um dadurch ein Fischerboot in der Nähe auf sich aufmerksam zu machen. Das Feuer breitete sich aus, das Schiff kenterte.
Das tunesische Innenministerium teilte der Nachrichtenagentur dpa mit, das Boot sei in Libyen aufgebrochen und auf seinem Weg nach Lampedusa an der tunesischen Hafenstadt Sfax vorbeigefahren. Die Flüchtlinge sollen überwiegend aus Somalia und Eritrea stammen. Sie waren nach Angaben von Geretteten vor zwei Tagen in der libyschen Hafenstadt Misrata gestartet.
Bewegende Fernsehbilder zeigten, wie Rettungsteams in dem kleinen Hafen von Lampedusa eingehüllte Leichen nebeneinander aufbahrten. „Unglücklicherweise brauchen wir keine Krankenwagen mehr, sondern Särge“, berichtete der örtliche Arzt Pietro Bartolo. „Es ist ein Horror“, sagte Bürgermeisterin Giusi Nicolini nach dem zweiten Flüchtlingsdrama innerhalb weniger Tage. „Sie hören nicht auf, weitere Leichen zu bringen.“
Innenminister Angelino Alfano reiste nach einem Treffen mit Regierungschef Enrico Letta nach Lampedusa, um sich selbst ein Bild von der Lage zu machen. Letta bezeichnete den Tod der Migranten als „ungeheure Katastrophe“. Die Minister von Alfanos PdL-Partei sagten eine geplante Pressekonferenz ab. Für Freitag wurde in Italien Staatstrauer angeordnet.
„Beten wir für die Opfer des tragischen Schiffbruchs vor Lampedusa“, schrieb Papst Franziskus auf Twitter. Die erneute Flüchtlingstragödie sei eine Schande. Der Papst hatte Lampedusa vor zwei Monaten besucht und auf das Schicksal der Flüchtlinge als Folge einer „Globalisierung der Gleichgültigkeit“ aufmerksam gemacht.
Ermittlungsverfahren eröffnet
Die Staatsanwaltschaft eröffnete ein Ermittlungsverfahren, einer der mutmaßlichen Schleuser wurde Medienberichten zufolge bereits festgenommen. „Eine enorme Tragödie, für die es keine Worte gibt“, sagte Vize-Innenminister Filippo Bubbico.
Mit Bestürzung hat die EU-Kommission auf das tödliche Drama reagiert. „Es ist wirklich eine Tragödie, ganz besonders, weil auch Kinder betroffen sind“, erklärte EU-Regionalkommissar Johannes Hahn in Brüssel. „Es ist etwas, über das Europa wirklich traurig sein muss und wir sollten sehen, wie wir die Lage verbessern“, sagte er.
Kurz vor dem Unglück war ein Boot mit 463 Migranten vor Lampedusa angekommen. Bei gutem Wetter versuchen immer wieder Flüchtlinge, die europäischen Küsten zu erreichen. Oft endet die Überfahrt auf den kaum seetüchtigen Booten für einige tödlich. Erst am Montag waren 13 Menschen vor der Küste Italiens ertrunken.
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