Flüchtlingsdrama in Sri Lanka: Schlimmer als im Sudan
200.000 Menschen drängen sich auf Sri Lanka in Flüchtlingslagern - sie sind die Opfer der Rücksichtslosigkeit von Rebellen und Regierung.
DELHI taz | Das Leid sei größer als im Sudan, sagte ein westlicher Mediziner, als er kürzlich eines der Internierungslager im Norden Sri Lankas besuchte. Mehr als 200.000 Menschen drängen sich in diesen Tagen in den riesigen Internierungslagern - quasi die gesamte Bevölkerung des ehemals 15.000 Quadratkilometer großen Rebellengebiets. Viele von ihnen sind durch Kugeln und Schrapnelle verletzt. Etliche von ihnen sind vor Hunger und Erschöpfung ausgemergelt und nur mit letzter Kraft aus dem Kriegsgebiet entkommen. Die sri-lankische Regierung hat seit mehr als einem halben Jahr verhindert, dass Mitarbeiter von Hilfsorganisationen in das Kampfgebiet gelangten, in dem sich lange mehr als 150.000 tamilische Zivilisten aufhielten. Hilfslieferungen kamen selten und nur nach massivem internationalem Druck zu den Eingeschlossenen durch.
Sie sind die Opfer der Rücksichtslosigkeit, mit der beide Seiten in dem 26 Jahre währenden Konflikt kämpften. Die Regierung hat allen internationalen Appellen zum Trotz ihre Offensive selbst dann fortgesetzt, als die Rebellen nur noch wenige Quadratkilometer Land hielten und sich dort immer noch zigtausende von Zivilisten aufhielten. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch veröffentlichte kürzlich Satellitenaufnahmen, die zeigen, dass vermutlich schwere Artilleriegranaten inmitten dieser Menschen eingeschlagen sind. Die Tamil Tigers wiederum haben bis zuletzt die Zivilisten dazu gezwungen, inmitten des Endkampfes an ihrer Seite zu bleiben - internationale Empörung sollte die Regierung zu einem Ende ihres martialischen Vormarsches und zu Verhandlungen zwingen. Wer dennoch fliehen wollte, wurde von den Rebellen ermordet.
Die Errichtung der Internierungslager, die im sri-lankischen Propagandajargon "Wohlfahrtslager" heißen, begründet Colombo damit, dass die Zerstörungen im ehemaligen Rebellengebiet so massiv seien, dass die Zivilisten erst nach einem "Wiederaufbau" zurückkehren könnten. Hinter vorgehaltener Hand räumen Mitarbeiter von Ministerien aber ein, es gehe dabei auch darum, zu verhindern, dass Rebellenanhänger, die sich unter die Zivilisten gemischt haben könnten, den Konflikt von Neuem entfachen.
Daher besteht Anlass zur Sorge, dass es noch viele weitere Tote geben könnte. Sascha Zastiral
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