Flüchtlingscamp Idomeni vor Räumung: Kaserne statt Zeltlager
Idomeni steht für das Versagen der europäischen Flüchtlingspolitik. Nun rückt die griechische Bereitschaftspolizei an, um das Camp zu räumen.
In griechischen Medien wurde spekuliert, ob Kyritsis mit zurückhaltenden Äußerungen nur dafür sorgen will, dass die Situation in Idomeni nicht eskaliert. In der Vergangenheit war es dort immer wieder zu Zusammenstößen zwischen den Lagerbewohnern und der Polizei gekommen.
So versuchten Flüchtlinge und Migranten wiederholt, die Grenze zu stürmen. Die Polizei setzte Tränengas und Blendgranaten ein, auf beiden Seiten wurden Menschen verletzt. Eine unrühmliche Rolle wurde dabei den politischen Aktivisten unter den freiwilligen Helfern zugeschrieben: Sie sollen die Menschen zu den Aktionen angestachelt haben.
Bisher hat sich die griechische Regierung dennoch stets gegen eine gewaltsame Räumung des Lagers ausgesprochen; es lebten viele Kinder und Frauen dort, Gewalt sei keine Option. Allerdings wird die Situation vor Ort zunehmend untragbar. Eine kleine Gruppe von Migranten hält seit mehr als zwei Monaten den für die griechische Wirtschaft wichtigen Bahnübergang besetzt. Güterzüge können nicht passieren, griechische Unternehmen beklagen bereits Schäden in Millionenhöhe.
Unterkünfte in Kasernen und Industriegebäuden
Zudem soll im Lager mittlerweile mit Drogen gehandelt werden; ein Eisenbahnwaggon sei zum Bordell umfunktioniert worden, dort prostituierten sich allein reisende Frauen, denen das Geld ausgegangen sei, berichten griechische Medien. Und die Bewohner von Idomeni selbst beschweren sich ebenfalls bitterlich: Immer öfter komme es in ihrem Dorf zu Diebstählen und Vandalismus.
Im Eiltempo werden derzeit verschiedene Aufnahmemöglichkeiten für die Flüchtlinge fertig gestellt. Die Regierung hat dafür Industriegebäude angemietet, auch ausrangierte Militärkasernen kommen zum Einsatz. Es sei bereits Platz für 6.000 Menschen geschaffen worden, so Kyritsis. Bis zum Ende der Woche soll es 8.000 Unterkunftsmöglichkeiten geben. Es werde in etwa zehn Tage dauern, bis die vielen tausend Menschen mit Bussen zu den neuen Bleiben gebracht worden seien.
Offen bleibt jedoch, ob die Bewohner das Lager ohne Gegenwehr verlassen und wann die Aktion wirklich starten soll. Es wird erwartet, dass die Polizei das Camp vorher weiträumig absperrt und Journalisten, freiwillige Helfer und Schaulustige von dem Gelände schickt.
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