Flüchtlings-Schule in Kreuzberg: Bezirk darf nicht räumen
Erneut scheitert der Bezirk Friedrichhain-Kreuzberg vor Gericht mit dem Versuch, die besetzte Hauptmann-Schule räumen zu lassen.
Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg darf die von rund 20 Flüchtlingen bewohnte ehemalige Gerhart-Hauptmann-Schule nicht räumen lassen. Das entschied am Freitag das Oberverwaltungsgericht – und bestätigte damit einen Beschluss des Verwaltungsgerichts vom Mai, gegen den der Bezirk Beschwerde eingelegt hatte. Eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit konnte das Gericht in der Wohnnutzung nicht erkennen. Außerdem stünden Bezirk und Besetzer nicht in einem öffentlich-rechtlichen Nutzungsverhältnis, das „einseitig hoheitlich beendbar“ sei.
Der aktuelle Beschluss ist der vorläufige Endpunkt einer langen Auseinandersetzung zwischen den mehrheitlich aus Afrika stammenden Flüchtlingsaktivisten und dem Bezirk, der das Gebäude leer bekommen will, um es anschließend zu einer privat betriebenen Flüchtlingsunterkunft umzubauen. Von den rund 100 Flüchtlingen, die Ende 2012 das leerstehende Gebäude besetzten, um von dort aus einen sicheren Aufenhaltsstatus zu erstreiten, sind nur noch 20 übriggeblieben. Die meisten von ihnen sind sogenannte Lampedusa-Flüchtlinge, die eigentlich in Italien auf den Ausgang ihres Asylverfahrens warten müssten oder dort bereits abgelehnt wurden.
Sie beharren auf ihrem Recht, in der Schule bleiben zu dürfen und berufen sich dabei auf eine Vereinbarung mit dem Bezirksamt vom Juli 2014. Darin verpflichteten sich die Besetzer, nur einen Teil des Gebäudes zu bewohnen und erhielten dafür eine Duldung durch den Bezirk. Im Oktober 2014 forderte das Bezirksamt die Bewohner auf, das Gebäude zu verlassen. Drei der Bewohner beantragten Rechtsschutz vor dem Verwaltungsgericht sowie vor dem Amtsgericht und bekamen Recht: Bevor es eine abschließende Entscheidung gebe, dürfe das Gebäude nicht geräumt werden, entschieden die Gerichte. Im Februar 2015 stellte das Bezirksamt dann eine Räumungsanordnung aus. Die Bewohner legten Widerspruch ein – mit Erfolg.
Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg konnte am Sonntag keine Stellungnahme zum Gerichtsbeschluss nehmen. Man kenne den Inhalt noch nicht, werde sich aber mit Anwälten beraten, hieß es aus dem Bezirksamt. Den Bezirk kostet der Unterhalt des Gebäudes inklusive Wachschutz, Strom und Wasser rund 100.000 Euro im Monat.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Treibhausgasbilanz von Tieren
Möchtegern-Agrarminister der CSU verbreitet Klimalegende
Ägyptens Pläne für Gaza
Ägyptische Firmen bauen – Golfstaaten und EU bezahlen