Flüchtlinge und Arbeit: Geflüchtete zu Fachkräften
Die Zahl sozialversicherungspflichtig beschäftigter Flüchtlinge hat sich fast vervierfacht. Die Betriebe sind dankbar für die Arbeitskräfte.
Fast 15.000 Menschen, die in den vergangenen Jahren als Geflüchtete nach Berlin kamen, gehen mittlerweile einer sozialversicherungspflichtigen Arbeit nach. Vor drei Jahren waren es erst 3.800. Jeden Monat kommen etwa 300 weitere neue Beschäftigte hinzu.
Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke) macht das Mut. „Die Integration der Geflüchteten ist eine Erfolgsgeschichte. Arbeit ist zentral, um den Platz in der Gesellschaft zu finden und ein eigenständiges Leben zu führen“, erklärte sie bei der Präsentation der Zahlen am Mittwoch im Lehrbauhof der Fachgemeinschaft Bau Berlin Brandenburg.
Weitere 12.000 Geflüchtete bereiten sich laut der Bundesagentur für Arbeit in Sprachkursen und Qualifikationen auf eine Arbeitstätigkeit vor. 1.400 absolvieren eine duale Ausbildung, 12.000 sind arbeitslos.
Die Hauptbranchen, in denen Geflüchtete Arbeit finden, sind die Gastronomie, das Wach- und Sicherheitsgewerbe, der Handel und die Gesundheitsbranche. Drei Viertel von ihnen sind in kleinen und mittelständischen Betrieben untergekommen. „Das heißt, dass diese Betriebe viele Integrationsaufgaben erbringen müssen“, so Breitenbach. So unterstützten Firmen angestellte Geflüchtete bei der Wohnungssuche. Aber sie seien auch damit konfrontiert, dass diese viele Behördengänge an Arbeitstagen erledigen und weiter Deutsch lernen müssten. Hier gibt es Unterstützungsangebote des Landes wie zusätzliche Deutschkurse.
„Berlin vorbildlich“
Ein weitere Unterstützung besteht in der sogenannten Ausbildungsduldung: Während eines Vorpraktikums, der Ausbildung selbst sowie zwei Jahre im Anschluss sind Geflüchtete in Berlin vor Abschiebung geschützt. Das schafft Rechtssicherheit für Unternehmer, die ausbilden – wie Thomas Nagel von der Stuck Nagel GmbH. Vor vier Jahren hat der Bauunternehmer, der händeringend Mitarbeiter suchte, das Potential von Flüchtlingen entdeckt. Inzwischen bildet er acht aus und beschäftigt einen als Fachkraft.
Alle hätten Erfahrung im Stuckbau, sagt er der taz. Beispielsweise der Afghane Abdullah Heidari, der „manchen anderen Leuten etwas vormacht“, wie sein Chef sagt. Schwierigkeiten hätten Heidari und seine anderen geflüchteten Azubis bei der theoretischen Ausbildung, so Nagel. Das betreffe nicht nur deutsche Sprachkenntnisse, sondern auch Defizite in Mathematik und Naturwissenschaften, wo es aber ebenfalls Hilfsangebote vom Land Berlin gibt.
Klaus-Dieter Müller vom Unternehmerverband der Baubranche sieht in der Integration von Geflüchteten eine riesige Chance, das Arbeitskräftedefizit im Baugewerbe zu mindern. „Wir brauchen 600 Fachkräfte pro Jahr, um demografisch bedingte Abwanderungen auszugleichen. Und bei der guten Auftragslage brauchen wir insgesamt deutlich mehr.“ Er finde es wichtig, „sich zuerst einmal um die Leute zu kümmern, die schon im Land sind, bevor die Bundesregierung Fachkräfte aus dem Ausland anwirbt“. Berlin sei da mit der Ausbildungsduldung vorbildlich.
Ohne eine zusätzliche Einwanderung von Fachkräften werde es aber in Berlin nicht gehen, meint Bernd Becking von der Bundesagentur für Arbeit. Allein schon wegen der Altersstruktur der Berliner ArbeitnehmerInnen: 277.000 Beschäftigte in Berlin seien 55 Jahre alt und älter.
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