Flüchtlinge in Weißrussland: Wortgefechte zwischen Nachbarn
Russland kritisiert Pläne Weißrusslands, mit EU-Mitteln Flüchtlingsunterkünfte zu bauen. Das lässt Minsk nicht auf sich sitzen.
Am Dienstag hatte das Innenministerium in Minsk bestätigt, dass die EU dem Land 7 Millionen Euro für Unterbringungseinrichtungen für Migranten gibt. Am 12. Januar hatte die taz über die bis dahin geheimen Pläne berichtet. Mehrfach hatten russische und weißrussische Medien unter Bezug auf dietaz daraufhin das Thema aufgegriffen.
Alle „Migrants Accomodation Center“ sollen „offene“ und „geschlossene“ Trakte haben, so die Projektbeschreibung – eine Umschreibung dafür, dass die Insassen dort interniert werden, bevor Weißrussland sie abschiebt oder sie freiwillig ausreisen. Das Geld stammt aus dem Europäischen Nachbarschaftsprogramm und soll ab 2017 fließen. Verantwortlich soll die International Organization for Migration (IOM) sein.
In den EU-Plänen sind drei Migrantengruppen genannt, die dort untergebracht werden sollen: Flüchtlinge aus der Ukraine, Syrien und solche, die vor der „wirtschaftlichen Krise in Russland fliehen und Arbeit in der EU suchen“. Vor allem Letzteres dürfte Russland, dem jede Annäherung Weißrusslands an die EU suspekt ist, aufgebracht haben.
Kein Grund zur Sorge
Weißrussland wies Lawrows Kritik zurück. Er könne keinen Grund für die russische Besorgnis erkennen, sagte der Sprecher des Außenministeriums, Dmitri Mirontschik. „Was wir heute machen, haben unsere russischen Partner schon vor 10 Jahren gemacht.“ Damals habe Russland Geld von der EU für die Unterbringung von Bürgern dritter Staaten, die nach Russland im Rahmen von Rückführungsvereinbarungen mit EU-Staaten kamen, genommen.
Unterdessen sagte Alexei Begun vom weißrussischen Innenministerium, man werde keine syrischen Flüchtlinge in den Einrichtungen unterbringen, sondern nur Personen, die illegal nach Weißrussland eingereist seien oder versuchten, illegal über Weißrussland in die EU einzureisen.
Die zahlreichen tschetschenischen Flüchtlinge hingegen, die derzeit in der weißrussischen Grenzstadt Brest auf eine Möglichkeit warten, in den Westen zu gelangen, würden nicht in diesen Zentren untergebracht. Als russische Staatsbürger könnten sie legal 90 Tage im Land bleiben.
Hintergrund des Projekts sind vor dem Abschluss stehende Verhandlungen zwischen der EU und Weißrussland über ein Rücknahmeabkommen. Dieses verpflichtet Minsk, Flüchtlinge zurückzunehmen, die über das Land in die EU kommen. Weißrussland bekommt dafür Visaerleichterungen.
Letzte europäische Diktatur
„Nicht umsonst wird Weißrussland als ‚letzte europäische Diktatur‘ bezeichnet“, sagte die grüne EU-Abgeordnete Barbara Lochbihler. „Offensichtlich haben weder die Mitgliedstaaten noch die EU-Kommission aus den Fehlern des EU-Türkei-Abkommens gelernt“, so Lochbihler. „Einmal mehr planen sie, Flüchtlinge in ein Land zurückzuschicken, das sich um seine völkerrechtlichen Pflichten ebenso wenig schert wie um die Menschenrechte.“
Insbesondere eine pauschale und vorbeugende Inhaftierung von Schutzsuchenden – die gegebenenfalls ein Anrecht auf Asyl haben – wäre menschenrechtlich bedenklich“, sagte Verena Haan, Fachreferentin bei Amnesty International in Deutschland. „Die EU muss auch sicherstellen, dass Flüchtlingen – durch ein Festhalten in den Zentren – nicht der ihnen zustehende Zugang zu einem Asylverfahren willkürlich verwehrt wird.“ Die EU-Kommission beantwortete eine Anfrage am Donnerstag nicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!